
Oerlinghausen. Es war einmal eine Schule. Seit langem aber ist es schon das Rathaus der Bergstadt. Gut 100 Mitarbeiter arbeiten dort und in den Außenstellen. Chef des Ganzen und damit erster Bürger der Stadt ist Dirk Becker, der vor fünf Jahren zum Bürgermeister gewählt wurde und sich auch bei der nächsten Kommunalwahl wieder zur Wahl stellt.
Das „Unternehmen Stadt“, denn so wird die Kommune seit einigen Jahren geführt, ist unterteilt in fünf große Bereiche: An der Spitze steht natürlich der Bürgermeister. Dann schließen sich vier Fachbereiche an: der für Bürgerservice, Ordnung und interne Dienste, der für Finanzen, der für Soziales, Bildung und Ehrenamt und der für Bauen und Umwelt. Hinzu kommen noch das Bürgerbüro, das Ordnungsamt und das Standesamt.
In einer Serie stellt nw.de die unterschiedlichen Ämter und Fachbereiche vor, um das Rathaus für die Bürger etwas transparenter zu machen. Begonnen wird die Serie mit einem Amt, mit dem jeder und jede schon einmal zu tun gehabt hat, mit dem Standesamt.
Samstag-Termine fast alle vergeben
„Die Leute denken, dass wir nur freitags arbeiten“, sagt Matthias Wiese und lacht. Freitags wird geheiratet – meistens jedenfalls. Das Standesamt bietet aber auch an jedem ersten Samstag im Monat Termine an. „Die sind aber schon fast alle vergeben“, sagt Wiese. Geheiratet wird auch jetzt in der Krisenzeit, die uns die Corona-Pandemie beschert. Bis vor kurzem durften noch zehn Gäste an der Zeremonie teilnehmen. Das hat sich seit dem Kontaktverbot geändert.
„Wir beschränken das jetzt auf einen sehr engen Kreis“, sagt Matthias Wiese. Das Brautpaar dürfe aktuell maximal zwei Trauzeugen und zwei bis drei Gäste mitbringen. „Der Raum hier im Rathaus und auch die Weber-Villa sind groß genug, um den Mindestabstand einhalten zu können“, sagt Wiese. Viele Paare kommen aber auch allein und lassen sich trauen. „Die verschieben die Feier dann auf die Zeit nach Corona.“
Die höchst erfreuliche Arbeit, ein Paar verwaltungstechnisch-bürokratisch in die Ehe zu führen – und es dabei nicht wie einen Verwaltungsakt aussehen zu lassen, machen in der Vorbereitung und Durchführung tatsächlich nur zehn bis zwanzig Prozent der Arbeit von Matthias Wiese und seiner Kollegin Nadine Lange aus. Etwa 100 Paare lassen sich pro Jahr trauen.
Arminenpaar tauscht Bälle statt Ringe
An eine Hochzeit erinnert sich Wiese noch immer sehr genau. „Braut und Bräutigam waren beide eingefleischte Arminia-Fans. Der ganze Raum war blau-weiß geschmückt und die Brautleute tauschten auch keine Ringe, sondern signierte Fußbälle“, erinnert sich Wiese. Brautleute in mittelalterlichen Gewändern hat er da schon öfter – und auch Trauungen aus anderen Kulturkreisen. „So eine brasilianische Trauung hat schon was“, sagt er. Matthias Wiese traut in Oerlinghausen seit 25 Jahren und „mittlerweile verheirate ich schon die Kinder der Paare, die ich ganz am Anfang getraut habe“, sagt er.
Getraut wird in der Bergstadt nicht nur in dem großen, aber wenig Atmosphäre bietenden Raum neben dem Standesamt, sondern auch in der Weber-Villa. Etwa ein Drittel der Paare möchte sich dort trauen lassen. Reizvoll ist das offensichtlich für Paare von außerhalb.
Hochzeitsfeier in der Villa Weber
Und die Villa hat noch einen Vorteil: „Wer auf die kirchliche Zeremonie verzichtet, möchte oft in die Villa, weil dort auch gefeiert werden kann“, sagt Wiese. Andererseits hat er die Erfahrung gemacht, dass Paare, die sich auch kirchlich trauen lassen, die standesamtliche Trauung eher als Verwaltungsakt sehen.

Zum Heiraten gehört aber nicht nur ein Partner oder eine Partnerin. Es muss auch die Ehefähigkeit nachgewiesen werden. Und auch diese Kontrolle obliegt Matthias Wiese und seiner Kollegin Nadine Lange. Wer ehefähig sein will, muss volljährig sein und es darf nicht bereits eine Ehe bestehen. Er oder sie muss geschäftsfähig sein, und die Ehe darf nicht unter engen Verwandten, also Bruder oder Schwester, angestrebt werden. „Cousin und Cousine allerdings dürfen heiraten“, sagt Wiese. Um all das zu klären, bieten die Standesbeamten auch Beratungsgespräche an, was von etwa zehn Prozent der Heiratswilligen wahrgenommen wird.
Neben den Trauungen stellen die beiden Standesbeamten aber auch Geburtsurkunden aus. „Das sind allerdings nur etwa zwei pro Jahr“, sagt Wiese, „weil ein solcher Fall nur bei Hausgeburten eintritt.“ Erheblich öfter, nämlich 120 Mal pro Jahr, müssen Sterbeurkunden ausgestellt werden.
Nadine Lange hat zunächst eine Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten absolviert und elf Jahre lang im Bürgerbüro gearbeitet, bevor sie sich auf der Akademie für Personenstandswesen im hessischen Bad Salzschlirf zur Standesbeamtin fortbildete. „Dort werden alle Standesbeamten Deutschlands ausgebildet“, sagt sie.
Statistiken seit 1876
Ein Großteil der Arbeit der beiden Beamten ist statistischer Natur. Seit 1876 werden die Statistiken über Geburten, Hochzeiten und Todesfälle in Oerlinghausen in den Hauptbüchern geführt. Bis 2010 sogar noch analog, seitdem wird die Statistik digital weitergeführt. Zuständig ist das Standesamt auch für Vaterschaftsanerkennungen und Namensänderungen. Für 31 Euro etwa kann jemand, der geschieden ist, seinen Geburtsnamen wieder annehmen.
Wenn allerdings jemand seinen Künstlernamen annehmen möchte, ist das eine Sache für die Meldebehörde. Dort muss die Person dann nachweisen, dass sie unter diesem Künstlernamen bekannt ist. Er wird dann zusätzlich eingetragen. Nicht mehr eingetragen in die Akten des Standesamtes werden akademische Titel und Berufsbezeichnungen. Adelstitel hingegen werden weiterhin eingetragen, sie sind Bestandteil des Namens.