
Oerlinghausen. Erst bei genauem Hinschauen sind die fossilen Überreste in den riesigen Osning-Sandsteinen zu erkennen. „Für Laien", das kann Mark Keiter durchaus nachvollziehen, „sieht das nicht spektakulär aus." Für Geologen aber sind die Donnerkeile, die im Zuge der Abrissarbeiten der einstigen Jugendherberge auf dem Tönsberg entdeckt worden ist, von großer wissenschaftlicher Bedeutung.
Wilfried Kohlmeyer vom Naturschutzbund (Nabu) Oerlinghausen ist Mitte April auf die Gesteinszeichnungen aufmerksam geworden und hat sofort Kontakt mit Geologe Mark Keiter vom Naturkundemuseum Bielefeld aufgenommen. Der geht davon aus, dass die Donnerkeile aus der Kreidezeit stammen und rund 125 Millionen Jahre alt sind. Donnerkeile sind versteinerte Skelettteile ausgestorbener Tintenfische (Kopffüßler). Mark Keiter hat das gesamte Schichtprofil vermessen, beschrieben und gesichert. „Wir können 40 Meter Sandsteinschichten dokumentieren." Die Funde sollen später in einer wissenschaftlichen Dokumentation erscheinen.
Neben Keiter sind bereits eine Reihe weiterer Geologen, unter ihnen Professor Jörg Mutterlose von der Ruhr-Universtiät Bochum und zwei seiner Mitarbeiter, in Oerlinghausen gewesen, um die Funde zu begutachten. Die Spezialisten aus Bochum haben die kleinen Hohlformen mit blauem Silikon ausgegossen. „Die so entstandenen Abdrucke sollen dabei helfen, die genaue Art zu ermitteln und das Alter einzugrenzen", erläutert Mark Keiter. Insgesamt 17 Donnerkeile sind bislang entdeckt worden. Michael Böckmann, Leiter des geologisch-paläontologischen Präparationswerkstatt beim Westfälischen Landesmuseum in Münster, verweist auf die absolute Besonderheit. „Osning-Sandstein gilt als nicht sehr fossilträchtig." Entsprechend wissenschaftlich wertvoll sei der Fund.

In Oerlinghausen gebe es nun die einmalige Möglichkeit, Belegmaterial zu sichern, „bevor es unwiderruflich vernichtet wird". Den beiden Präparatoren Michael Ludorf und Manfred Schlösser vom Naturkundemuseum Münster gelingt es mit aller Vorsicht, durch Spaltung Fossilplatten abzulösen. „Zum Teil werden wir sie wieder zusammen puzzlen", erläutert Schlösser. Die Geologen bedanken sich, dass sich sowohl die Eigentümer des Grundstückes, auf dem 19 Ferienwohnungen, eine Privatwohnung, Büroräume und eine Tiefgarage entstehen sollen, als auch die Abbruchfirma sehr kooperativ zeigen.
Der Sandstein ist Baumaterial seit fast 1.000 Jahren
„Osningsandstein ist der klassische Bausandstein seit fast 1.000 Jahren", erläutert Mark Keiter. In der Region werde er aber seit Jahrzehnten nicht mehr abgebaut. Importsteine seien billiger, nennt der Geologe einen der Gründe. Der Teutoburger Wald sei zudem Naturschutzgebiet. „Durch die Bauarbeiten haben wir die seltene Gelegenheit, in den geologischen Untergrund zu kommen." Die Fundstelle liegt direkt unter der ehemaligen Jugendherberge. Die bislang gefundenen Donnerkeile befinden sich in einem etwa 1,5 mal 3 Meter großen Steinbrocken. „Ihn in Gänze zu bergern, das wäre unmöglich", bestätigt Keiter. Er begleitet die Arbeiten an der Fundstelle auch für den Naturwissenschaftlichen Verein Bielefeld.
Dass sich auf Oerlinghauser Gebiet fossile Tintenfische finden, ist deshalb möglich, weil hier vor Millionen von Jahren ausschließlich Wasser zu finden war. „Die Landmasse lag im Süden, das Meer im Norden", dreht Mark Keiter die Zeit zurück. Am Standort der heutigen Stadt sei wohl die Meeresküste gewesen. Der Osning-Sandstein habe sich Schicht für Schicht durch Schlammablagerungen und Druck entwickelt.
Neben den Donnerkeilen sind weitere interessante Stellen entdeckt worden. Einstige Holzreste etwa, die sich durch den hohen Druck zum Teil in Kohle verwandelt haben. „Wir werden auf jeden Fall dranbleiben und immer mal wieder schauen, ob wir noch weitere Fossilien finden", kündigt Mark Keiter an. Die eigentlichen Bauarbeiten verzögere die wissenschaftliche Arbeit aber nicht, betonte der 45-Jährige.
INFORMATION
- Osning-Sandstein bildet das „geologische Rückgrat" des Teutoburger Waldes, der früher Osning genannt worden ist.
- Bis Ende des 20. Jahrhunderts wurde dieses Gestein als Bau- und Werkstein in etlichen Steinbrüchen abgebaut.
- In der geologischen Zeit der Unterkreide vor rund 120 Millionen Jahren entstanden am Rande des großen Kreidemeeres mächtige Sandablagerungen (Sedimente), die sich zu horizontal liegendem Sandstein verfestigten und vor etwa 65 Millionen Jahren weitgehend senkrecht gestellt wurden.
- Der etwa 100 Meter mächtige Osning-Sandstein bildet den ersten Hauptkamm des Teutoburger Waldes und verläuft vom Eggegebirge bis Ibbenbühren in weitgehend einheitlicher Schichtenfolge.
- Der Stein kommt in zwei Qualitäten vor. Ein Vorkommen ist tonig-gebunden, das andere kalkig-gebunden. Die tonige Sorte ist hellgelblich, grau und selten weiß. Sie ist zum Teil braun durch Eisenoxide gefärbt.