Sexualverbrechen in Lügde

Vater betroffener Töchter: "Fälle nach 2016 hätten verhindert werden können"

Auf dem Campingplatz im Kreis Lippe waren Kinder für Pornodrehs missbraucht worden. | © picture alliance/dpa

01.02.2019 | 02.02.2019, 08:39

Lügde (nw). Der Fall des jahreslangen Missbrauchs auf
einem Campingplatz in Lügde zieht immer weitere Kreise. Am Freitag wurde die Ermittlungskommission "Eichwald" eingerichtet, die aus bisherigen Ermittlern der Kommission "Camping" und Ermittlern der Kriminalpolizei Bielefeld besteht. Zurzeit ist die Rede von mindestens 29 Opfern.

Ob die Serie von Verbrechen auch ein eklatantes Versagen der Behörden war, wird dezeit geprüft. Unter anderem wird auch gegen die Polizei ermittelt.

Jens Ruzsitska, ein Familienvater aus Bad Pyrmont, ist davon überzeugt, dass die Behörden versagt haben. Gegenüber der Lippischen Landeszeitung (LZ) sagte er, dass er den Camper bereits 2016 wegen unsittlicher Berührungen seiner Töchter – damals acht und fünf Jahre alt – bei der Barntruper Polizei, dem Jugendamt Hameln-Pyrmont und dem Kinderschutzbund Bad Pyrmont angezeigt hat. „Er war ganz offensichtlich pädophil und hat immer wieder kleine Kinder berührt", sagte er im Gespräch mit der LZ.

Wie verschiedene Medien übereinstimmend berichten, soll es außerdem zu Handgreiflichkeiten zwischen Ruzsitska und dem Hauptverdächtigen gekommen sein. So heißt es, dass der 56-Jährige eines der Mädchen aufgefordert haben soll, ihren Rock hochzuheben. Als ihn der Familienvater auf das ungewöhnliche Verhalten angesprochen habe, soll er geantwortet haben, dass ihm das gefalle. Daraufhin soll der Vater der beiden Mädchen ihn geschlagen haben.

Niemand habe sich interessiert

Kurz nach seiner Aussage sei ihm zugesichert worden, dass bei dem Dauercamper alles in Ordnung sei. "Ich solle vorsichtig sein mit meinen Äußerungen, da ich auch wegen Rufmordes und übler Nachrede angezeigt werden könnte", sagte er. Im Endeffekt sei überhaupt nichts passiert – niemand habe sich interessiert, „sonst hätte man Missbrauchsfälle nach 2016 verhindern können", ist der 57-Jährige überzeugt. Der Camper habe sein damals sechsjähriges Pflegekind als Köder benutzt, um Kontakt zu anderen Eltern und Kindern aufzubauen.

Ruzsitska verstehe nicht, dass diesem Mann von den beteiligten Jugendämtern ein Pflegekind zugesprochen worden sei. „Die zuständigen Behörden haben in diesem Fall völlig versagt. Dies ist der Skandal im Skandal", sagte der Familienvater gegenüber der LZ.

Auch Oberstaatsanwalt Ralf Vetter sollen die Aussagen des Vaters aus dem Jahr 2016 bekannt sein. Die Vorwürfe gegen den heute Beschuldigten habe Ruzsitska jüngst während einer neuerlichen Vernehmung wiederholt. „Es gibt auch Notizen über seine Meldungen bei den Behörden", so Vetter im Gespräch mit der LZ.

Aussagen sollen als Verwahrlosung eingeordnet worden sein

Vetter vermutet, dass damals nichts unternommen wurde, weil seine Informationen gegenüber der Polizei und den anderen Behörden nicht als Missbrauchsstrafanzeige, sondern als Verwahrlosung des Pflegekindes eingeordnet worden seien. „Es gibt keinen Grund, Jens Ruzsitska nicht zu glauben. Er ist kein Spinner", erklärt Vetter gegenüber der LZ.

Das Verhalten der zuständigen Behörden sei bislang nicht nachvollziehbar. „Aus heutiger Sicht war dies eine krasse Fehlentscheidung. Dazu gehört auch die Unterbringung eines Pflegekindes, das als Köder für Übergriffe genutzt wurde", sagt Vetter. Daher werde gegen Mitarbeiter in den Jugendämtern Lippe und Hameln-Pyrmont wegen Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht ermittelt.

Den ausführlichen Bericht und ein Video der Lippischen Landeszeitung finden Sie hier.