Lügde. Hätte der sexuelle Missbrauch von mindestens 29 Kindern in den vergangenen zehn Jahren auf einem Campingplatz in Lügde-Elbrinxen bereits 2016 beendet werden können? Diese Frage beschäftigt derzeit die Detmolder Staatsanwaltschaft. Sie kritisiert den Umgang der beteiligten Jugendämter und der Polizei, die zwei Hinweise auf sexuellen Missbrauch im Sande verlaufen ließen. Das Verhalten der Behörden sei fatal gewesen und werde auch unter strafrechtlichen Aspekten untersucht, erklärt Oberstaatsanwalt Ralf Vetter.
Bereits im August 2016 hat es laut Vetter Hinweise auf einen Missbrauch der Pflegetochter des 56-jährigen Hauptbeschuldigten gegeben. Ein Familienvater aus Bad Pyrmont, dessen Töchter während einer Geburtstagsfeier vom mutmaßlichen Täter unsittlich berührt worden sein sollen, hatte bei der Polizei in Blomberg angerufen und den Vorwurf des sexuellen Missbrauchs erhoben. „Dies wäre ein Anlass gewesen, zumindest die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zu prüfen", erklärt Vetter.
Tatsächlich seien aber nur die Jugendämter im Kreis Lippe sowie in Hameln-Pyrmont informiert worden. Die Hamelner hätten zwar die Wohnsituation des Dauercampers überprüft, aber keine Kindeswohlgefährdung erkannt: „Polizeiliche Ermittlungen sind nicht erfolgt."
Jobcenter-Mitarbeiterin hatte Hinweis auf sexuellen Missbrauch weitergeleitet
Der zweite Hinweis ist laut Vetter im November 2016 durch eine Mitarbeiterin des Jobcenters Lippe erfolgt, die neben der Polizei auch das Jugendamt Lippe informierte. „Sie berichtete von Äußerungen des Pflegevaters, die auf einen sexuellen Missbrauch des Kindes hindeuteten", sagt Vetter. Die Mitteilung sei von der Polizei an die Jugendämter weitergeleitet worden. Die Ämter teilten mit, dass Überprüfungen des Pflegevaters „zu keinem Zeitpunkt Hinweise auf einen sexuellen Missbrauch erbracht hätten". Deshalb sei der Fall bei der Polizei abgeschlossen und nicht an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet worden.
Unterdessen kündigt NRW-Familienminister Joachim Stamp (FDP) an, Personalbedarfe in den Kommunen überprüfen zu wollen. NRW-Heimatministerin Ina Scharrenbach (CDU) fordert zudem die Berufung eines Landesbeauftragten für Fragen des sexuellen Missbrauchs.
Heinz Hilgers, Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes, spricht sich für eine Kommission aus, die die Vorfälle gründlich untersucht: „Wir können nicht einfach zur Tagesordnung übergehen." Er befürchte, dass in dem kleinen Dorf auch niemand die grausamen Übergriffe habe sehen wollen.
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