
Leopoldshöhe. Eine denkwürdige Ratssitzung in vielerlei Hinsicht gab es in Leopoldshöhe. Mit Premieren, mit einem Abschied, der kaum aufgefallen ist und einem einstimmigen Votum, dessen harmonische Entstehung manchem Kommunalpolitiker noch immer etwas wundersam erscheint. Der Haushaltsrahmen für die nächsten Entscheidungen in der Gemeinde ist gesetzt. Und schon gibt es neue Ideen.
Bürgermeister Gerhard Schemmel bat im Ratssaal zu Beginn der Sitzung erst einmal um einen Moment der Stille. Einige hätten sicherlich schon gemerkt, dass die Fahnen vor dem Rathaus auf halbmast stünden, sagte er. Der Grund für die Trauerbeflaggung und die Gedenkminute sei der Anschlag in Hanau, bei dem ein Mann aus mutmaßlich rechtsradikalen und rassistischen Motiven neun Menschen getötet hat und dann noch seine Mutter und sich selbst.
Für Gerhard Schemmel ist es vermutlich die letzte Haushalts-Ratssitzung gewesen, die er als Bürgermeister leitete. Er kandidiert zur Kommunalwahl im September nicht mehr als Bürgermeister. Einen Doppelhaushalt hatte es während seiner Amtszeit auch noch nicht gegeben. Diesen ersten Doppelhaushalt der Gemeinde bewerteten die Fraktionsvorsitzenden in ihren Haushaltsreden.
Strahlkraft und Dienstleistungsgrenze
Für Thomas Jahn (SPD) gibt es demnach einige Punkte mit „Strahlkraft“ (Bildungscampus), aber auch besondere Herausforderungen. Für diese hatte er bereits einige Ideen. Die Digitalisierung an den Schulen der Gemeinden sei so eine Sache, die „gut und wichtig“ sei, die Investition dafür ebenso. Aber, so seine Warnung, in wenigen Jahren schon seien die Geräte, die jetzt gekauft werden, veraltet – frühzeitige Rückstellungen seien nötig. Und ein IT-Beauftragter. Denn der fachliche Support sei nicht von der Verwaltung zu leisten – mangels Zeit und Kapazität. Die Mitarbeiter seien „schon an ihrer Dienstleistungsgrenze“. Auch die Lehrer könnten nicht noch „Hardware und Software verwalten“. Thomas Jahn schwebt als Unterstützung ein kommunaler IT-Beauftragter vor, der auch für weitere Kommunen arbeiten könnte, eine Stelle also, die Leopoldshöhe nicht allein bezahlen müsste. Verstecken müsse sich die Gemeinde beim Thema Klimaschutzbemühungen nicht. Nach oben sei sicher immer noch Luft, aber es sei auch schon einiges getan worden.
Schluck aus der Pulle
Wie auch Thomas Jahn lobte CDU-Chef Axel Meckelmann die Arbeit des Kämmerers und seiner Kollegen aus der Finanzabteilung. Die CDU sei anfangs wegen des Doppelhaushalts „skeptisch“ gewesen. Aber die Bedenken seien ausgeräumt, die Planungen des Kämmerers „seriös und mit der gegebenen Vorsicht“. Der Rat sei nicht entmündigt, könne ja, auch in der kommenden Legislaturperiode, noch mit einem „Nachtragshaushalt eingreifen“, sofern das nötig werde. Als einen „Schluck aus der Pulle“ wertete Meckelmann die Investitionen im Schul- und Sportbereich. Rund 10 Millionen Euro, eine große Summe für eine kleine Gemeinde, aber „es ist an der Zeit, dies zu machen“.
Am Beispiel der Beratungen über neue Baugebiete machte Meckelmann die gute Diskussionskultur fest, „die wir hier im Rat haben“. Mittlerweile. Von Disputen und schweigendem, aber erzürntem Aneinandervorbeilaufen auf den Rathaustreppen ist die Rede, wenn amtsältere Kommunalpolitiker von früheren Zeiten und Haushaltsplanberatungen erzählen. Eine gemeinsame Suppe zum Abschluss? Früher auf gar keinen Fall.
Das hören wir schon seit Jahren
Dass die nächsten Jahre von der Digitalisierung geprägt seien, betonte auch Jürgen Hachmeister (Grüne). Er kritisierte allerdings einige fehlende Posten im Haushalt – und damit Entscheidungen, die im Haupt- und Finanzausschuss gefallen waren. So fehle, aus Sicht der Grünen zu Unrecht, Geld für einen Krötentunnel oder für die Umstellung der Flutlichtanlagen in der Gemeinde auf LED. Auch der Antrag der Grünen auf eine ausführlichere Dokumentation des Energieverbrauchs in Gebäuden der Gemeinde sei nicht durchgekommen. Aus der Verwaltung komme immer wieder der Hinweis, dass die Mitarbeiter keine Zeit oder Kapazität für weitere Aufgaben hätten. Das „hören wir schon seit Jahren“, und es habe sich bis heute nichts geändert. Hachmeister glaubt auch, dass noch IT-Fachleute eingestellt werden müssten. Dem aktuell vorgelegten Stellenplan 2020/21 wollten die Grünen nicht zustimmen. Laut Jürgen Hachmeister müsse der Bürgermeister die Stellenbesetzung korrigieren, um sie zu verbessern. Zwei Mitglieder der Grünen enthielten sich bei der Abstimmung.
Attraktiv für junges Gewerbe
Positiv sind für Graf Hermann von der Schulenburg (FDP), dass es „keine Steuererhöhungen“ gibt sowie die Digitalisierung und der entsprechende Ausbau (nicht nur) an den Schulen. Als Wermutstropfen bewertet er – ebenso wie die Grünen –, dass es im kommenden Haushalt kein Geld für die Umrüstung der Flutlichtanlagen gibt. Die Verbindlichkeiten bei Kassenkrediten, 15,6 Millionen Euro, „das ist relativ hoch“, genauso wie der im OWL-Vergleich „höchste“ Gewerbesteuersatz. Damit sei es schwierig, Handwerker oder Firmen davon zu überzeugen, sich in Leopoldshöhe anzusiedeln. Seiner Einschätzung nach „müssen wir für junges Gewerbe attraktiv werden“, junges Gewerbe, das es in der IT-Branche gebe.
Bürgermeister Gerhard Schemmel griff bei seiner in dieser Funktion letzten Haushaltsverabschiedung den Gedanken vom „starken Zeichen“ auf. „Wir sind immer ganz stark gewesen, wenn wir im Dialog geblieben sind.“ Der Haushalt wurde einstimmig verabschiedet, ebenso die Wirtschaftspläne für die eigenbetriebsähnlichen Einrichtungen. Beim Stellenplan gab es zwei Enthaltungen.