Prozess in Freiburg

Pannen bei der Fahndung nach Maria H. und Bernhard H.

Der fünfte Verhandlungstag im Prozess gegen Bernhard H. aus Blomberg vor dem Freiburger Landgericht. | © picture alliance

13.06.2019 | 13.06.2019, 19:00

Freiburg. Mehr als fünf Jahre bleibt die internationale Fahndung nach der am 4. Mai 2013, zum Zeitpunkt ihres Verschwindens 13 Jahre alten Freiburger Schülerin Maria H. verschwunden. Untergetaucht mit dem 40 Jahre älteren Bernhard H. aus Blomberg, den sie 2012 in einem Chat kennengelernt hatte. Ende August 2018 meldet sie sich aus Mailand bei ihrer Familie. Dort hält sie sich allein, ohne H., auf. Kurz darauf, am 6. September 2018, wird – 1500 Kilometer entfernt von Mailand – Bernhard H. von der italienischen Polizei in der sizilianischen Stadt Licata verhaftet.

Wie es dazu am 6. September 2018 nach so langer Zeit kam, ist noch immer ein Rätsel. Klar ist: Maria hat den Aufenthaltsort von Bernhard H. auch nach ihrer Rückkehr nach Freiburg nicht verraten. Weder die als Zeugen geladenen Polizisten noch ein Zielfahnder des Landeskriminalamts Baden-Württemberg (LKA) konnten am fünften Verhandlungstag des Prozesses gegen Bernhard H. am Landgericht Freiburg die Umstände der Verhaftung auf Sizilien erklären. Der 58-jährige H. ist wegen Kindesentziehung und schweren sexuellem Missbrauch in mehr als 100 Fällen angeklagt.

Trotz mehrfacher Kontrollen nicht festgenommen

Die Verhandlung zeigt auf, dass es noch ordentlich Luft nach oben gibt, was die EU-weite Zusammenarbeit bei der Polizeiarbeit betrifft. Denn trotz eines internationalen Fahndungsaufrufs und der Tatsache, dass H. und die mit ihm nicht verwandte Maria in Italien mehrfach in Polizeikontrollen gerieten, wurde H. mehr als fünf Jahre lang nicht festgenommen. Es gebe dazu, sagte ein als Zeuge geladener LKA-Mann am Donnerstag, nicht mehr als eine „dürftige Meldung" der italienischen Polizei.

„Bis heute haben wir auf Nachfrage keine Antwort darauf bekommen." Und das, obwohl der Angeklagte mit seinem echten Ausweis in Polizeikontrollen geriet. Die italienische Polizei habe sogar einmal seine Personalien erfasst, habe also „ganz sicher" über die nötigen Informationen verfügt, sagte der ratlose LKA-Mann. Ganz offensichtlich habe die italienische Polizei schlichtweg nie die Daten „nach europäischen Standards" abgeglichen. So ist unklar: Ging Bernhard H. der Polizei auf Sizilien, wo er von drei Jahre lang mit Maria im selben Ort lebte, gezielt ins Netz? Flog sein Aufenthaltsort zufällig auf? Oder gab irgendjemand, der in den Medien von Marias Wiederauftauchen in Freiburg erfahren hatte, der italienischen Polizei einen Hinweis?

Untertauchen war nicht geplant

Untergetaucht waren H., damals von Frau und Familie im nordrhein-westfälischen Blomberg getrennt lebend, und Maria am 4. Mai 2013. Dies geschah offenbar ungeplant, denn H., der sich zu jener Zeit zum wiederholten Male in einem Freiburger Hotel aufhielt, hatte für die darauffolgende Woche dort erneut ein Zimmer reserviert. Dort soll es zwischen der Gymnasiastin und dem 40 Jahre älteren Mann zu intimen Handlungen, wenn auch noch nicht zum Geschlechtsverkehr, gekommen sein.

Dies geschah dann anschließend auf der Flucht vor der Polizei, die das ungleiche „Paar" zunächst nach Polen führte. Laut Maria soll es zwischen ihr und H. bis zu ihrem 15. Geburtstag zweimal pro Woche zum Sex gekommen sein, ehe die Beziehung in dieser Hinsicht abflaute. In der Verhandlung kam am Donnerstag noch ein anderer Grund für das Ende der körperlichen Beziehung zutage: H. war zu Sex wegen seines Nierenleidens schlichtweg nicht mehr in der Lage. Sichergestellte Chats dokumentieren Gespräche über sexuelle Handlungen. Zudem schickte H. Maria Nacktfotos von sich und forderte sie auf, das von sich auch zu tun. Bei Konflikten habe er sich unterwürfig verhalten, sagte ein Kriminalbeamter.

Das Auto wurde in Polen gefunden

In Polen, nahe der Grenze zur Ukraine und zur Slowakei, wurde H.s Auto am 13. Juli 2013 gefunden. Bereits fünf Wochen zuvor hatte eine polnischen Familie seinen weißen Schäferhund bei sich aufgenommen. In jedem Fall war das LKA,als es Mitte Juli nach Polen reiste, den beiden wohl am dichtesten in all den Jahren auf den Fersen.

Die Ermittler suchten die Zwei, die sich Fahrräder und Campingausrüstung gekauft hatten, mit Hilfe der Bergwacht sogar in den polnischen Wäldern, nachdem ein Förster dort ein Zelt im Wald gesehen hatte. Doch die beiden entkamen über die „grüne Grenze" in die Slowakei. Und die deutschen Ermittler? Flogen, anstatt direkt in der Slowakei mit der dortigen Polizei weiterzusuchen, erst einmal nach Deutschland zurück. Weiter ging es für sie in der Slowakei erst am 31. Juli.

Keine heiße Spur

Eine heiße Spur hatten sie dann aber trotz Hunderter Hinweise nicht mehr. Über Ungarn und Slowenien radelten Maria und Bernhard H. nach Italien und dort bis nach Sizilien. Auf der Insel wechselten sie noch mehrfach den Ort, wohnten insgesamt zwei Jahre im Zelt, dann in einer Bauruine ohne Wasser und Strom und zuletzt in einer Wohnung. An Geld und Essen kamen sie durch Betteln und Gelegenheitsjobs, gelegentlich wurden sie von Bewohnern Licatas eingeladen oder bekamen eine Mahlzeit vorbeigebracht. Bis Maria, inzwischen 18 Jahre alt, heimlich alleine aufbrach.

In einem Abschiedsbrief („Ich hatte nicht die Kraft, es dir persönlich zu sagen") schrieb sie ihm, dass es so nicht habe weitergehen können. Sie habe das Schuldgefühl – dass er sein Leben für sie aufgegeben habe – nicht mehr ausgehalten. Vielleicht finde man später wieder zusammen.

Psychiatrisches Gutachten wird erstellt

Noch nach seiner Auslieferung sagte H. einem Polizisten, er werde Maria heiraten und ihr seinen Besitz vererben. Pädophil sei er nicht – wobei laut Polizei auf seinem Computer 267 kinder- und 110 jugendpornografische Bilder sichergestellt wurden und er Tausende von Teenager-Pornoseiten angeklickt hatte. Ein psychiatrischer Gutachter wird sicherlich auch dazu am 24. Juni Stellung nehmen.