
Freiburg/Blomberg. Zwischenbilanz nach vier Verhandlungstagen vor dem Freiburger Landgericht: „Wir kommen nach Hause und legen uns erst einmal schlafen, bevor wir überhaupt was essen können." Für Monika Beisler (54) und ihre 19 Jahre alte Tochter Maria ist der Strafprozess gegen den 58-Jahre alten Bernhard H. aus Blomberg eine Herausforderung. „Es ist bedeutend anstrengender als wir vorher dachten", so Beisler. „Ein regelrechter Ausnahmezustand."
Das habe für sie auch damit zu tun, dass der Angeklagte keinerlei Einsicht oder gar Schuldbewusstsein für seine Taten an den Tag zu legen scheint. „Mir war bis zur Verhandlung eigentlich auch nicht so recht bewusst, dass nicht nur meine Tochter und meine Familie seine Opfer sind, sondern auch seine Familie. Dass ein Mensch so viele Leben so massiv stört. Ich hab mich regelrecht erschlagen davon gefühlt."
H. soll auch seine heute erwachsene Stieftochter als Kind sexuell missbraucht haben
Die Vorgeschichte hat Schlagzeilen gemacht: Bernhard H. wird vorgeworfen, im Mai 2013 die damals 13 Jahre alte Maria-Brigitte H. aus Freiburg entführt zu haben. Mehr als fünf Jahre lang waren die beiden wie vom Erdboden verschwunden. Seit kurzem steht zudem der Vorwurf im Raum, dass Bernhard H. auch seine mittlerweile erwachsene Stieftochter als Kind sexuell missbraucht haben dürfte. Die Frau brach vor rund zwei Wochen auf dem Weg in den Gerichtssaal zusammen und konnte nicht vernommen werden. Ihr Bruder allerdings hat den Stiefvater („Als 14-Jähriger habe ich Kinderpornos bei ihm gefunden.") belastet und nichtöffentlich gegen ihn ausgesagt.
Bernhard H. habe eine regelrechte Lügen-Taktik verfolgt im Umgang mit Maria, berichtet deren Mutter: Er habe ihr eingeredet, dass nicht er, sondern in Wirklichkeit Maria selbst die Schuld daran habe, dass beide 2013 aus Freiburg flüchten mussten. Später habe er ihr weisgemacht, dass die Polizei sofort ihren Aufenthaltsort wisse und ihn einsperren würde, wenn sie auch nur einen Zeitungsartikel über ihr Verschwinden im Internet anklicke.
Mehr als 100 Mal soll H. Maria sexuell missbraucht haben
Am Tag ihres Verschwindens aus Freiburg hatte Maria ihr Handy im Auto vergessen, als sie mit ihrem Begleiter ein Restaurant besuchte. So konnte sie ihre Mutter nicht zurückrufen als diese wissen wollte, wo sie steckt. Und das, so Monika Beisler, habe der Mann danach immer wieder als Druckmittel eingesetzt. Schlimmer noch: Er habe sich gegenüber dem Teenager als regelrechter Retter inszeniert. „Er scheint zu glauben, dass man einen Teenager beschützt, indem man ihn mitnimmt und missbraucht", so Beisler fassungslos.
Mehr als 100 Mal soll H. das Mädchen bis zu dessen 15. Geburtstag sexuell missbraucht haben. Der Prozess zeigt für die Mutter aber: Bis heute steht der Mann voll hinter seinem Verhalten. Bernhard H. sei auch längst nicht so naiv, wie er sich darzustellen versuche, so Monika Beislers Überzeugung. Im Gegenteil: Er sei gerissen und manipulativ. Ihre Tochter habe er über Jahre abgeschirmt und so auch nach Strich und Faden belügen können. Bis heute wirke der Schuldkomplex in Maria nach, den er ihr eingeredet hat, als sie 13 war. Sowohl sie als auch ihre Tochter seien nach wie vor in therapeutischer Behandlung, um mit den Folgen der Kindesentziehung klar zu kommen, so die Mutter.
Ihre Mutter hat online seit Jahren ununterbrochen nach ihr gesucht
Heute wisse sie, dass Maria immer vorgehabt habe, mit 18 Jahren nach Freiburg zurückzukommen: Bernhard H. habe der Jugendlichen erzählt, dass bis dahin „Gras über die Sache gewachsen" sei und er nicht mehr vom Gefängnis bedroht werde. Marias endgültiger Entschluss, den Mann zu verlassen, sei gereift, als sie vor einem Jahr Zugang zum Internet bekommen und gesehen habe, dass ihre Mutter online seit Jahren ununterbrochen nach ihr sucht. „Erst als sie sich Smartphones zulegen mussten, da ihre alten Klapphandys nicht mehr funktionierten, erfuhr Maria von der Suche im Netz." Stück für Stück habe sie dann ihre Tasche gepackt und sei weggegangen, als Bernhard H. arbeiten war.
Monika Beisler ist überzeugt, dass das spontane Verschwinden ihrer Tochter 2013 ohne großen Aufwand hätte beendet werden können: Eine mittlerweile 19 Jahre alte Freundin Marias, die damals Marias Alibi für deren Treffen mit Bernhard H. war, hatte die Telefonnummer des Mannes in ihrem Handy gespeichert. Es wäre ein Leichtes gewesen, die alarmierte Polizei so auf die Spur des Mannes zu bringen und dessen Telefon zu orten. Doch das Mädchen habe der Polizei nichts darüber gesagt, so Beisler.
Die junge Frau hat als Zeugin im Prozess viele Erinnerungslücken geltend gemacht
Im aktuellen Prozess hat die junge Frau als Zeugin viele Erinnerungslücken geltend gemacht. Maria habe sich „nicht wohl" gefühlt daheim, weil die Mutter ihr „viel verboten" habe. Auch Marias ältere Halbschwestern haben kaum Positives über ihre familiäre Herkunft berichtet: eine der beiden Frauen sagte, dass sie als Jugendliche freiwillig in ein Kinderheim gegangen sei, die andere berichtete von Gewalterfahrungen. Ein Mitarbeiter des Jugendamtes widersprach: von Gewalt in der Familie sei nichts bekannt gewesen, als er die Mutter betreute. Am 13. Juni wird der Prozess fortgesetzt.
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