Zeugin der Automatensprengung bei Warburg: „Plötzlich stand ich mittendrin“

Warburg-Ossendorf/Paderborn. &bdquo;Ich habe nur noch gehandelt“, sagt die 41-Jährige aus Ossendorf der Vorsitzenden Richterin vor dem Landgericht Paderborn. &bdquo;Nein, in dem Moment hatte ich keine Angst.“ Die kam später, als das Adrenalin weg war und sie zur Ruhe kam. Sie war zum Zeitpunkt der Automatensprengung im Dezember 2022 mit ihrem Auto plötzlich mittendrin im Geschehen und im Qualm der Explosionswolke und hatte in der Nacht sogar versucht, sich mit ihrem eigenen Auto dem Fluchtwagen schräg auf der B7 in den Weg zu stellen. Die Zeugin &bdquo;Reflexartig“ habe sie den Rückwärtsgang eingelegt und sich mit ihrem Fahrzeug quer auf die Fahrbahn gestellt, schilderte sie der Vorsitzenden Richterin Anne Zacharias die Situation. &bdquo;Ich muss verhindern, dass sie abhauen.“ Der Fahrer des Fluchtwagens musste einen Schlenker um sie herum machen und war dann doch weg. Aber einen ließ er zurück: den 28-jährigen Angeklagten Jeremiah A. (Name geändert). Und ein nicht gesperrtes Handy. Neben der Aussage der Zeugin sowie der Ermittlungsleiterin, einer Polizeioberkommissarin (34) aus dem Kriminalkommissariat Höxter, stand der Inhalt des Whatsapp-Chats im Mittelpunkt der Beweisaufnahme am wohl letzten Verhandlungstag der Großen Strafkammer vor den Plädoyers und der Urteilsverkündung nächste Woche. Sie sei in der Nacht nach Hause gekommen und habe die Scherben auf der Straße legen gesehen, habe sich dann &bdquo;langsam herangetastet“ an die Qualmwolke, ein Auto gesehen, dessen Scheinwerfer aus waren, zwei dunkel gekleidete und vermummte Männer, die von der Bank weggelaufen seien und sich hinter dem DRK-Schild versteckt hätten. Und Kabel, die über die Straße lagen. Dann der nächste Wumms, die zweite Explosion am Geldautomaten. &bdquo;Und ich stand mittendrin.“ Und das dunke Fahrzeug, das dauernd Lichthupe gemacht habe. Ihrer Tochter habe sie dann – weil ein Foto nicht möglich war – zumindest das Kennzeichen geschickt, die Polizei gerufen. Einen der Täter habe die Polizei wieder aus dem Fluchtfahrzeug ziehen können. Sie habe auch den Tumult auf der Straße erlebt. Ob sie seitdem schlecht schläft? Nein, antwortete die 41-Jährige. Nur: &bdquo;Ich bin anfangs eine Zeit vorsichtiger ins Dorf reingefahren.“ Die Ermittlerin Die Ermittlungsleiterin der Kriminalpolizei schilderte anschließend dem Gericht, welche polizeilichen Maßnahmen schon in der Nacht und am Morgen erfolgten. Unter anderem der dritte nicht explodierte Sprengsatz wurde entschärft, von der Bundespolizei Proben für die Kriminaltechnische Untersuchung in Bielefeld genommen, die Spurensicherung der Tatortgruppe Bielefeld nahm die Arbeit auf. Auch ging es darum, die Identität des festgenommenen 28-Jährigen über eine erkennungsdienstliche Behandlung festzustellen und über die niederländischen Behörden zu verifizieren. Kleidung, Stirnlampen, Handschuhe, Sturmhaube und die Tasche, in der Jeremiah A. das Geld bei sich hatte und bei seiner Festnahme verlor, wurden sichergestellt und untersucht, berichtete die Polizeioberkommissarin. Das Geld – laut Volksbank seien zur Tatzeit 50.000 Euro im Automaten gewesen – sei ebenso sichergestellt worden, einige Scheine auch in der Kleidung des Angeklagten. Es gebe keinen Fehlbetrag. &bdquo;Jedes Scheinchen wurde offenbar aufgesammelt“, kommentierte die Vorsitzende Richterin. Der Chat Schon in der Nacht sofort nach der Tat seien die Niederländer über den im Chat gefundenen geplanten Fluchtweg informiert worden, berichtete die leitende Ermittlerin. Und in dem iPhone seien zahlreiche Videos und rund 3.000 Fotos gefunden worden – darunter eben dieser eine tatrelevante Chat. Die Rufnummer selbst sei offenbar mit einer neuen Karte im Gerät erst am Vortag aktiviert worden, sie sei in A.s Wohnung in den Niederlanden nicht ins Netz eingeloggt gewesen. Im Chat seien neben Anweisungen und Gesprächsfetzen auch Standortdaten der Hinfahrt gefunden worden, so dass man die Reiseroute aus den Niederlanden über Hamm, wo das Kennzeichen gestohlen wurde, bis nach Ossendorf habe rekonstruieren können. Dazu kam der Hinweis auf die geplante Fluchtroute bis zurück an die Grenze der Niederlande. Eine Übersetzerin las den mehrere Seiten langen Chatverlauf mit einem Besitzer namens &bdquo;Red Bull“ in der Verhandlung vor. Darin auch die zeitlich und via Funkzellen örtlich zuzuordnenden Hinweise zu Kopflampen, die Adresse des Automatenstandorts in Ossendorf, Worte wie &bdquo;wo seid Ihr?“, &bdquo;das Navi sagt 1 Stunde 20 Minuten“, &bdquo;es ist schon spät“ oder &bdquo;wir sehen sie endlich“. Dazwischen immer wieder Abkürzungen oder offenbar interne Ausdrücke oder Scherze, mehrmals verbunden mit &bdquo;Hahaha“. Der Abschluss Der Gutachter, der Jeremiah A. aufgrund seiner vorgeblichen Spielsucht – Geldnot hatte er in seinen Einlassungen zu Beginn des Prozesses als Anlass für seine Tatbeteiligung genannt – befragen sollte, wird erst in der abschließenden Sitzung am Dienstag, 22. August, ab 9 Uhr zu Worte kommen. Dann sollten zudem die Plädoyers und auch das Urteil folgen, kündigte die Vorsitzende Richterin Anne Zacharias an – ein langer Tag vor dem Landgericht erwartet also die Beteiligten.

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