Mordprozess gegen Warburger: Anklage fordert Sicherungsverwahrung für Robert E.

Warburg/Hannover. Hat er Kerstin Simone G. getötet? Und wenn, warum? Die Beweisaufnahme im sogenannten Würmseemord-Prozess gegen Robert E. aus Warburg ist nach rund drei Monaten abgeschlossen. Zeit für die Plädoyers. Neben Staatsanwältin Vicky Heinemann werden auch die Nebenkläger, Rechtsanwalt Marco Burkhard aus Hannover, der den Sohn der Getöteten vertritt, und Rechtsanwalt Florian F. Becker aus Warburg für das Opfer des dem Mord vorausgegangenen Raubes, sprechen. Die Verteidigung wird am kommenden Donnerstag, 17. August, um 9 Uhr vor dem Landgericht Bilanz ziehen. Im Anschluss soll das Urteil fallen. Update: Der Prozesstermin am Donnerstag, 17. August, ist kurzfristig abgesagt worden. Grund hierfür ist eine Erkrankung der Vorsitzenden Richterin. Eine Woche vor dem Mord in Burgwedel am Würmsee soll Robert E. bereits eine andere Gewalttat begangen haben. Schwerer Raub in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. &bdquo;Ein hinterlistiger Überfall“, fasst Vicky Heinemann zusammen, der &bdquo;passt zu dem Angeklagten“. E. habe sein Opfer, eine 79-Jährige, die an Krücken lief, im Hardehausener Wald zunächst in ein &bdquo;ganz belangloses Gespräch über Brombeeren“ verwickelt und dann in bewährter Weise angegriffen. Der bereits 2002 wegen versuchten Totschlags Verurteilte habe sein Opfer &bdquo;auf den Boden gebracht und von hinten angegriffen“, schildert Heinemann. Rechtsanwalt Florian F. Becker ergänzt: E. habe der Seniorin den &bdquo;Rucksack so vom Rücken gerissen, dass die Riemen rissen“. Und dazu einige Knochen der älteren Frau brachen. Die körperlichen Schäden seien, wenn auch teils irreparabel, aber nicht das Schlimmste. Seine Mandantin leide psychisch unter der Attacke, weil sie sie &bdquo;immer wieder durchlebt“. Staatsanwaltschaft hat keinen Zweifel an der Schuld von Rober E. An der Schuld E.s besteht für Staatsanwältin Heinemann kein Zweifel. Es gebe eine &bdquo;Vielzahl an Beweismitteln“. Neben der glaubhaften Aussage des Opfers, auch DNA-Spuren des Warburgers an einer bei dem Raub eingesetzten Pfefferspray-Dose. Auch das, was der 54-Jährige nach der Tat gegoogelt hat, spricht nicht gerade für ihn: &bdquo;Verjährung Raub“. Und dann der Mord. Einige Tage, bevor Kerstin Simone G. starb, soll Robert E. sich bereits am Tatort aufgehalten und das Objekt, eine Laube, ausgekundschaftet haben, schildert die Staatsanwältin. Und das offenbar sehr gewissenhaft, denn E. soll eine Lücke in der Umfriedung des Grundstücks aufgetan haben, die von vorn nicht zu sehen sei. Die Polizei habe sie später beispielsweise nicht entdeckt und stattdessen den Zaun zerschnitten, um aufs Grundstück gelangen zu können. Dann kam der 10. September 2022. Kerstin Simone G., eine &bdquo;lebensbejahende“, &bdquo;fröhliche“, &bdquo;tierliebe“ Frau, die die Laube mit der Katze und Hund &bdquo;Schnuff“, der ihr laut Heinemann eher ein &bdquo;Lebenspartner“ war, bewohnte, ist den ganzen Tag unterwegs und kehrt erst am Abend heim. Sie legt sich ins Bett. Schlafen ist aber wohl noch nicht angesagt. Sie schreibt noch ein paar Nachrichten und schließt ihr Handy dann zum Aufladen an eine Powerbank an. Das letzte Mal in der Hand hat die 56-Jährige ihr Smartphone wohl um 23.07 Uhr – das haben Daten des Providers ergeben. Innerhalb der nächsten Stunde muss der Mord passiert sein. Denn 56 Sekunden nach Mitternacht registriert das Handy einen Wasserschaden. Wasser, das aus dem aufgeschlitzten Wasserbett des Opfers austritt. Robert E. soll &bdquo;ganz zielgerichtet auf empfindliche Körperstellen“ eingestochen haben Vicky Heinemann geht davon aus, dass E. sich mit einer Sturmhaube und einem scharfen Gegenstand – wohl ein Messer – auf den Weg zur Laube macht. Von dort, wo sein Auto parkt, muss er zunächst an einem Maisfeld vorbei, dann über einen &bdquo;kaum erkennbaren“ Trampelpfad durch ein kleines Waldstück bis zur Lücke im Zaun. Die Tür der Laube sei zwar geschlossen, aber nicht abgeschlossen gewesen, sagt Heinemann. So gelangt E. ins Innere der Hütte. Zum Bett, in dem Kerstin Simone G. liegt, sind es nur wenige Schritte. Dort sticht, so Heinemann, E. &bdquo;ganz zielgerichtet auf empfindliche Körperstellen“ ein. Daraus habe sich ein besonderes Spurenbild in der Laube ergeben. Ein paar Blutstropfen auf dem Boden, ein paar Spritzer an der Wand. Mehr nicht. Danach müsse E. &bdquo;sofort“ mit der Beseitigung der Leiche begonnen haben. &bdquo;Sonst hätte der Matratzentopper ganz anders ausgesehen“, ist Heinemann überzeugt. Robert E. soll die tote oder zumindest bewegungsunfähige Frau in der Bettwäsche aus der Laube geschleift haben. Durch den Garten, wo ein Kissen mit deutlichen Blutspuren zurückbleibt, durch das Waldstück bis zum Maisfeld. Die Polizei wird in diesem Maisfeld später platt gedrückte Pflanzen finden und ein paar Meter weiter die Brille des Opfers. Heinemann geht davon aus, dass E. sein Opfer hier eine Zeit lang liegenließ. Reifenspuren am Maisfeld geben Anlass zu vermuten, dass E. möglicherweise eine Schubkarre vom Grundstück der Getöteten holte. Jedenfalls stand sie Zeugenaussagen zufolge nach der Tat an einem anderen Platz als normalerweise. Leiche im Kofferraum des Autos verstaut Der 54-Jährige verstaut die Tote anschließend im Kofferraum ihres eigenen Autos. Im Bereich des Kofferraums und der Anhängerkupplung werden zahlreiche Blutspuren sichergestellt, die zweifelsfrei Kerstin Simone G. zugeordnet werden können. Vicky Heinemann spricht von einem &bdquo;ganz erheblichen Blutaustritt im Pkw“. Entweder beseitigt E. die Leiche nun mittels des Wagens des Opfers oder er lädt die Tote noch einmal um in sein eigenes Auto. Das ist unklar. Denn als E. um 2.51 Uhr in der Nähe des Tatorts geblitzt wird, fällt eine Decke auf dem Beifahrersitz auf. Von der Leiche der Kerstin Simone G. fehlt allerdings bis heute jede Spur. &bdquo;Angehörige und Freunde haben jemanden verloren“, sagt Nebenklagevertreter Marco Burkhard in seinem Plädoyer: &bdquo;Und hatten nicht die Möglichkeit, sich zu verabschieden.“ Und in Richtung des Angeklagten: &bdquo;Sie könnten Antworten geben.“ Die Polizei stellt später noch weitere Beweise sicher. Das Handy der Toten liegt in der Regentonne, die Sturmhaube mit Robert E.s DNA daran neben dem aufgeschlitzten Wasserbett. Ein Kaugummi, ebenfalls mit dem biologischen Fingerabdruck des Warburgers behaftet, findet sich &bdquo;genau dort“, wo einer Zeugin zufolge das Auto der Toten geparkt war. Was könnte das Motiv sein? &bdquo;Die Tat erscheint grund- und anlasslos“, sagt Staatsanwältin Heinemann in ihrem Plädoyer. Denn Täter und Opfer kennen sich nicht. &bdquo;Aber Robert E. neigt zu Übergriffen auf Frauen in abgelegenen Gebieten, das ist sein Motiv: Er möchte einen Überfall auf Frauen begehen.“ Das ist nach Heinemanns Überzeugung auch der Grund für die Sturmhaube. &bdquo;E. hat es auf den Überfall abgesehen, aufs Angstmachen, dafür braucht man eine Sturmhaube.“ Den Unterschied zwischen Mord und Totschlag liefern die sogenannten Mordmerkmale. Beispielsweise: Heimtücke. Es ist unklar, ob Kerstin Simone G. schon schlief, als E. in ihre Laube eindrang. Aber: &bdquo;In beiden Fällen war sie arglos, sie hatte keine Chance mehr, sich zur Wehr zu setzen.“ Heinemann sieht allerdings mindestens noch ein weiteres Mordmerkmal erfüllt. Entweder zur Befriedigung des Geschlechtstriebs (&bdquo;es spricht einiges dafür“), niedere Beweggründe (die Dominanz, die der Täter gegenüber dem Opfer ausübt) oder reine Mordlust. Ein Eigentumsdelikt, etwa einen Einbruch-Diebstahl, der aus dem Ruder lief, schließt die Staatsanwältin aus. &bdquo;Die Laube war nicht das richtige Objekt“, erläutert Heinemann, &bdquo;von außen war erkennbar, dass Frau G. nichts hatte“. In einer Wohnsiedlung unweit der Laube hätte es deutlich lohnendere Objekte gegeben. Zudem sei auch die Gelegenheit in der Nacht nicht günstig gewesen. Den ganzen Tag sei G. außer Haus gewesen, nur am Abend nicht. Strafe, Schuld und Sicherungsverwahrung Für den Raub, der aus Heinemanns Sicht &bdquo;unnötig brutal“ war, beantragt sie, eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren zu verhängen. Die Mindeststrafe liegt hier bei fünf Jahren. Für Mord wiederum sieht das Gesetz nur eine Strafe vor: lebenslang. Heinemann fordert also eine lebenslange Gesamtfreiheitsstrafe. Sie sieht überdies eine besondere Schwere der Schuld. Aufgrund einer &bdquo;besonders verwerflichen“ Tatbegehung und wegen des Raubes, der dem Mord um nur wenige Tage voranging. Folgt das Gericht diesem Antrag, könnte E. im Falle einer Verurteilung nicht nach 15 Jahren darauf hoffen, freigelassen zu werden. Und dann ist da noch die Frage nach der Sicherungsverwahrung. Ist Robert E. so gefährlich, dass er auch nach Ende der Haft nicht wieder frei sein darf? Heinemann beantwortet sich die Frage mit einem Ja: &bdquo;Der Hang zu erheblichen Straftaten ist da.“ Mit dem versuchten Totschlag von 2002 gebe es drei &bdquo;auffallend ähnliche“ Straftaten. Der Raub und der Würmseemord lägen dazu zeitlich auch noch &bdquo;sehr, sehr nah“ beieinander. Die lange Latenzphase zwischen der Tat 2002 und den Taten 2022 passten laut Heinemann zum Angeklagten. &bdquo;Weil Robert E. vielleicht zwei Personen in sich hat.“ Person eins, den Täter. Und Person zwei, den zuverlässigen Mitarbeiter, den sorgenden Vater, den hilfsbereiten Kerl. &bdquo;Person zwei unterdrückt Person eins, aber Person eins existiert.“ Wann E. nach einer Haft noch einmal einschlägig straffällig werden könnte, weiß Heinemann natürlich nicht. Für die jüngsten Taten habe es jedoch auch keinen &bdquo;richtigen Auslöser“ gegeben. Die Befürchtung, der Bruder seiner Mutter könnte sein Vater sein aufgrund einer deutlichen Ähnlichkeit, hält Heinemann für &bdquo;keinen objektiv vernünftigen Ansatz“, sondern für &bdquo;eingebildet“.

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