Das passierte in der Nacht der Geldautomaten-Sprengung bei Warburg

Warburg-Ossendorf/Paderborn. Waren es Geldsorgen und Spielschulden vom Pokern, die den 28 Jahre alten Jeremiah A. (Name geändert) aus Amsterdam kriminell werden ließen? So jedenfalls ließ es der Angeklagte über seine Anwältin Christina Peterhanwahr in der Verhandlung am Landgericht Paderborn verlauten. Dort muss er sich noch an mindestens vier weiteren Verhandlungstagen für die Sprengung des Bankautomaten in Ossendorf im Dezember 2022 verantworten. In der Verhandlung wurden am Dienstag von der Vorsitzenden Richterin Anne Zacharias auch zwölf Zeugen vernommen, die schilderten, wie sie die doppelte Explosion in der Nacht erlebten. Und welche Zerstörung am Gebäude mit dem Bankautomaten und am Lebensmittel- und Getränkemarkt gegenüber entstanden war. Erstmals machte der 28-Jährige, dessen Angehörige aus den Niederlanden, sein Vater und seine Schwester, im Zuschauerraum des Sitzungssaales saßen, Angaben zu sich selbst und gab zu, an der Sprengung beteiligt gewesen zu seien. Allerdings machte er keine Angaben zum Auftraggeber. Und auch die beiden Männer in dem Auto habe er erst kurz vor der Abfahrt kennengelernt. Er habe eine schöne Kindheit gehabt, ließ Jeremiah A. über seine Anwältin mitteilen. Allerdings sei er mit einer Fehlbildung der rechten Hand geboren, deshalb gehänselt und ausgelacht worden. Das habe ihn sehr belastet. Dennoch: Schulabschluss und mittlere Berufsschule, dann kaufmännischer Angestellter – all das passte im Lebenslauf noch, bis die ständigen Jobwechsel kamen. Zweimal sei er in therapeutischer Behandlung gewesen. Wegen eines Autounfalls und eines Messerangriffs, bei dem er Schnittwunden im Gesicht davongetragen habe. Vor zwei Jahren dann ein Herzinfarkt. Geldsorgen durch illegale Pokerrunde Lange sei er krank gewesen, habe zuletzt als geringfügig Beschäftigter in einer Wäscherei gejobbt auf 400-Euro-Basis, dazu kamen 600 Euro staatliche Unterstützung. Die großen Geldsorgen habe er durch illegale Pokerrunden auffangen wollen, dabei aber selbst viel Geld verloren, zuletzt habe er 8.000 Euro Schulden gehabt. Er bereue &bdquo;zutiefst“ die Tat am 8. Dezember in Ossendorf, zu der ihn die Aussicht auf &bdquo;schnelles Geld“ gebracht habe. Dass es illegal war, das sei ihm klar gewesen. Dennoch habe er sich letztendlich an &bdquo;die Person“ gewandt, die ihn zuvor schon solche Angebote gemacht habe – was er zuvor immer verneint habe: &bdquo;Das wollte ich meiner Familie nicht antun.“ Vor der habe er auch das Pokerspielen geheim gehalten, der Vater wisse nichts von seiner prekären finanziellen Situation. Die Sprengung des Automaten habe eine &bdquo;einmalige Sache“ bleiben sollen. 5.000 Euro habe er dafür bekommen sollen, dafür seien ihm Tatablauf und seine Aufgabe zuvor erklärt worden: den Sprengsatz anbringen. In den Niederlanden habe er vor der Abfahrt ein Handy erhalten, wie auch die beiden bislang unbekannte Mittäter, die er erst kurz vor der Abfahrt des Fahrzeugs kennengelernt habe. Über das Handy nach Ossendorf gelotst In Hamm habe man ein Autokennzeichen gestohlen, sei dann via Handy zur Adresse nach Ossendorf gelotst worden. Den Sprengsatz habe er angebracht, dann sei aber schon die Polizei gekommen und er geflohen. Ob er sich bei der Festnahme gewehrt oder eine aktive Schlag-Armbewegung gemacht habe, daran konnte sich Jeremiah A. nicht erinnern. Wohl aber daran, dass er sich nicht festnehmen lassen wollte. &bdquo;Ich wollte aber nicht schlagen. Nie.“ Anschließend sagten die Ossendorfer Zeugen aus, die entweder direkt in der Nacht oder am nächsten Morgen mit der Tat konfrontiert worden waren. Zuerst die Anwohnerin, die direkt gegenüber des Gebäudes wohnt, in der Nacht die Sprengung mitbekommen hatte, die Polizei rief (&bdquo;wir kommen sofort“)und an Fenstern die Beamten bis zum Eintreffen auf dem Laufenden hielt. Der aufgezeichnete Anruf wurde in der Sitzung abgespielt. Dabei war auch der Knall der zweiten Explosion zu hören – und die Aufregung der 50-Jährigen. Sie berichtete vor der Richterin, wie sie zwei dunkel gekleidete Männer im Bereich der Bank mit Taschenlampen gesehen habe, von einer &bdquo;riesigen Qualmwolke“, wie das Fluchtauto zunächst lange hupte, als die Polizei kam, wie zunächst nur ein Täter aus der Bank kam. Der Zweite habe dort noch &bdquo;gewühlt“ und sei erst später rausgekommen. Sie beschrieb, wie sich das Fluchtauto langsam in Bewegung setzte, ein Polizist eine der dunkel gekleideten Personen verfolgte und sie mit einem Tritt in die Beine zu Fall brachte. Die Festnahme auf der B7 Richtung Warburg konnte sie allerdings nur anhand der Geräusche (&bdquo;lautes Schreien und Schimpfen“) beschreiben. Es habe sich aber um mindestens drei Beteiligte gehandelt, also mindestens noch eine Person als Fahrer im Auto – dort habe sie aber nicht hineinsehen können. Zeugen durch Knall aus dem Schlaf gerissen Auch die weiteren Zeugen berichteten übereinstimmend von dem ersten lauten Knall, der sie aus dem Schlaf gerissen habe. Einige dachten, es sei ein Autounfall passiert. Dann sei der zweite Knall gefolgt, lautes Dauerhupen und Rufen. Mehrere berichteten von einem dunklen und offenbar hochmotorisierten Auto, das rückwärts vor der Kirche stand und mit Vollgas wegfuhr. &bdquo;Es wirkt noch nach“, erklärte eine Zeugin auf Nachfrage von Staatsanwältin Kathrin Lohmeier, wie es ihr heute gehe. Noch immer bekomme sie Herzklopfen bei lauten Autogeräuschen. Anwohner berichteten auch von den Schäden der Explosionen an den Gebäuden – unter anderem am Lebensmittel- und Getränkemarkt gegenüber, wo Scheiben splitterten und zerbrachen, ein Lüftungsschacht zerstört worden sei, wie der Besitzer erklärte. Auf 6.700 Euro habe man den Schaden beziffert. Er habe zwar am nächsten Tag den Markt geöffnet – &bdquo;aber es kam keiner“. Fünfstelliger Schaden am Gebäude verursacht Der Hausbesitzer, der im Gebäude direkt neben dem Bankautomaten sein Büro hat (&bdquo;ich plane und baue Häuser“), sprach von einer Schadenssumme von 40.000 Euro. Er war am Morgen informiert worden. &bdquo;Ich habe ein mächtig zerstörtes Gebäude vorgefunden“, sagte er. &bdquo;Es sah schon wüst aus.“ Den Mieter, der im selben Gebäude gegenüber dem Automaten sein Büro hat, erreichte die Nachricht im Urlaub. Auch sein Büro sei mit Interieur zerstört gewesen, 13.000 Euro Schaden übernahm die Versicherung. Er habe eine Ferienwohnung angemietet: &bdquo;Ich wusste nicht, wohin, der Verkauf lief weiter.“ Das meiste sei mittlerweile instandgesetzt, so der Hauseigentümer. &bdquo;Wir mussten halt ein bisschen improvisieren.“ Der Prozess am Landgericht Paderborn wird fortgesetzt am Donnerstag, 27. Juli, bereits ab 9 Uhr, weil eine zusätzliche Zeugin aussagen soll.

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