Franz Müntefering im Interview: "Wir sind aufeinander angewiesen"

Unter dem Titel "Die Senioren sind nicht mehr die alten, Seniorenarbeit neu denken" lädt die Landvolkshochschule zu einem Vortrag mit Franz Müntefering am Dienstag, 5. Februar, um 18 Uhr nach Hardehausen ein. nw.de hat vorab mit ihm gesprochen. Herr Müntefering, Sie sind nach Ihrem Abschied aus der Politik weiter sehr aktiv. Unter anderem als Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO). Vor wenigen Tagen haben sie Ihren 79. Geburtstag gefeiert. Ist es schön, älter zu werden?Franz Müntefering: Danke für die Rückfrage. Der Geburtstag war prima; die nächsten zwanzig Jahre will ich gerne noch dran festhalten und den Tag feiern. Dann wird man sehen, wie es so wird. Sie kämpfen für die Belange von Senioren. Warum ist Ihnen das wichtig?Müntefering: Interessen vertreten ist Teil der Demokratie. Auch Seniorinnen und Senioren haben Interessen, die wichtig sind für ihre Lebensqualität: soziale Sicherheit, Mobilität, gute Gesundheitsvorsorge, Hilfe bei Bedarf, passende Wohnung, bei Bedarf Pflege. Vieles davon gibt es, aber nicht alles überall. Da sind wir aktiv. Aber wir haben die Interessen aller Generationen dabei im Blick. Denn wir wissen: Nur zusammen sind wir stark. Das Alter ist vielfältig. Die Senioren werden heute nicht nur immer älter, sie sind auch aktiver als früher. Was bedeutet das für die Gesellschaft?Müntefering: Mehr Leben, größere Vielfalt. Wir werden relativ gesund älter. Das können überwiegend gute Jahre sein. Das ist Zugewinn, individuell und für die Gesellschaft. Die Älteren mischen mit, sie wissen und können noch so manches. Davon können alle profitieren. Wir sind nicht mehr so schnell, aber wir kennen die Abkürzungen. Was lässt sich im ländlichen Raum noch durch familiäre und nachbarschaftliche Netzwerke erreichen?Müntefering: Familien haben immer noch eine zentrale Rolle in der Gesellschaft und das ist gut. Man hält zusammen, hilft sich, wohnt aber nicht mehr so oft wie früher im selben Haus, im selben Ort. Deshalb entwickeln sich mehr soziale Netzwerke auch für Ältere als früher. Und daran wirken viele Ältere auch aktiv mit. Die Kommunen brauchen die Gestaltungskraft und das nötige Geld, um das zu unterstützen und für gute Rahmenbedingungen zu sorgen. "Älterwerden war nie nur ein Zuckerschlecken" Wie wichtig sind soziales Miteinander, Anerkennung und Teilhabe für ältere Menschen?Müntefering: So wichtig wie für jeden Menschen in jedem Alter. Wir sind aufeinander bezogen und aufeinander angewiesen. Alle immer. Helfen und helfen lassen ist lebenslang ein gutes Prinzip. Natürlich gibt es Projekte, die Senioren mit ihren Erfahrungen ehrenamtlich einbinden, sie aktiv fordern. Auf der anderen Seite nimmt aber auch durch die demografische Entwicklung der Bedarf an Betreuung, Unterstützung und Hilfen für Ältere zu. Wie schätzen Sie die Situation ein?Müntefering: Älter werden und alt sein war auch früher nie nur Zuckerschlecken. In den letzten Jahrzehnten hat sich Vieles gut entwickelt. Zum Beispiel die Hospiz- und Palliativdienste. Wir brauchen zusätzliche Initiativen und Anstrengungen. Das ist wahr. Aber es ist nicht nötig, dass wir uns Angst machen. Etwas mehr Mut wäre gut. Und Liebe zum Leben auch im Alter ist möglich. Hat die Politik die Lage erkannt? Sehen Sie konkrete Konzepte?Müntefering: Zurzeit wird intensiv in zwei Kommissionen daran gearbeitet. Noch in 2019 sollen Vorschläge auf den Tisch. Das gilt für KAP (Konzertierte Aktion Pflege) und die Verbesserung der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in allen Landesteilen. Das ist wichtig für die eher ländlichen Räume, aber nicht nur.

Meistgelesen