Die vielleicht größte Cannabis-Plantage, die in Höxter je verhandelt wurde

Höxter/Steinheim-Vinsebeck. &bdquo;Die war schon sehr groß“, sagt Richterin Christina Brüning, &bdquo;ich weiß nicht, ob ich schon mal eine Größere verhandelt habe.“ 593 Pflanzen zählte die Cannabis-Plantage, die Ende Januar an der Hauptstraße in Vinsebeck ausgehoben wurde. Neben den Pflanzen stellten die ermittelnden Beamten allerlei Equipment und Handys sicher, außerdem gelang es ihnen, zwei Männer festzunehmen, die offensichtlich damit betraut waren, die zarten Pflänzchen zu hegen und zu pflegen. Und genau die beiden Männer sitzen nun auf der Anklagebank des Amtsgerichts Höxter. Karl W. und Theodor A. (beide Namen geändert) führte das Schicksal Mitte Oktober 2023 ausgerechnet in einem alten Gehöft in Vinsebeck zusammen. Beide sind sie jung, 29 und 22 Jahre, beide stammen sie aus Albanien, beide waren sie in Geldnot, beide hofften sie darauf, in Deutschland arbeiten und gutes Geld verdienen zu können. &bdquo;Mein Mandant hat als Hilfsarbeiter auf dem Bau in Albanien gearbeitet“, erklärt Rechtsanwalt Franz Stemmer, der Karl W. vertritt. Dann sei sein Vater gestorben, die Mutter schwer erkrankt. Sie sei auf teure Medikamente angewiesen. &bdquo;Auf eigene Faust“ habe sich W. auf den Weg nach Deutschland gemacht, sei am Bahnhof in Bremen angekommen und sei dort von Landsmännern für eine angebliche &bdquo;Bautätigkeit“ angeworben worden. 2.000 Euro Monatslohn seien ihm versprochen worden. So lebten die Angeklagten in Vinsebeck Theodor A., vor dem Amtsgericht vertreten von Verteidigerin Lena Holtkötter, habe seine Mutter finanziell unterstützen wollen, die mit umgerechnet 400 Euro monatlich eine vierköpfige Familie durchzubringen habe. &bdquo;Mit dem Bus ist er nach Dortmund gefahren“, schildert Holtkötter. Kurz habe er auf einer Baustelle gearbeitet, weil er jedoch keine Aufenthaltsgenehmigung gehabt habe, sei Theodor A. nicht dauerhaft beschäftigt worden. In einem Café sei er auf andere Albaner getroffen. Sie stellten ihm eine Übernachtungsgelegenheit und 2.000 Euro für 20 bis 25 Tage Arbeit in Aussicht. Von da an teilen sich Karl W. und Theodor A. ein Zimmer in einem alten Gebäude in Vinsebeck. Ein Polizist, der als Zeuge geladen ist, beschreibt dieses Zimmer als &bdquo;Aufenthaltsraum“, jeweils rechts und links an der Wand habe ein Bett gestanden. &bdquo;Und eine Kommode“, schildert der Beamte, &bdquo;Sachen lagen auf dem Boden“. Darüber hinaus habe es &bdquo;so eine Küche, nenne ich es mal“ gegeben, &bdquo;mit einem Schränkchen mit Kochplatte und einem Kühlschrank“. Professionell aufgezogene Plantage Deutlich mehr Liebe zum Detail haben die Innenarchitekten in Raum drei, vier, sechs und acht an den Tag gelegt. Das sind die Zimmer, in denen Karl W. und Theodor A. Cannabisplantagen vorfanden, um die sie sich kümmern sollten. &bdquo;Lichtbildaufnahmen“ und Videos, die die Beamten vor Ort angefertigt haben, zeigen Belüftungssysteme. &bdquo;Hier liegt ein Schlauch rum“, bestätigt die Richterin mit dem Blick in die Akte. Ventilatoren, Speziallampen. Und professionell verlegte Stromkabel. &bdquo;Das ist der Sicherungskasten“, sagt Brüning und sichtet ein weiteres Bild aus der Plantage. &bdquo;Der sieht nicht nach einem normalen Hausanschluss aus“, sagt sie. Die Polizei hatte Spezialisten dazu gerufen, um dem Cannabis den Saft abzudrehen. &bdquo;Verständlich“, findet Brüning. Der Beamte im Zeugenstand entgegnet schmunzelnd: &bdquo;Ja, ich hätte mich da nicht dran getraut.“ Ein Mann sei anfangs vor Ort gewesen und habe sie eingewiesen, schildert Karl W. mittels Dolmetscher. Gießen, düngen, mit der Schere für einen geraden Wuchs sorgen, belüften. Zur Dokumentation ihres Gärtnerjobs erhalten die beiden jungen Männer &bdquo;Diensthandys“. Auf denen finden die Ermittler später zahllose Bilder und Videos, die die gedeihenden Pflänzchen in verschiedenen Stadien des Wachstums zeigen. &bdquo;Jemand ist hier mit den Händen in irgendwelchem Stengelzeugs drin“, beschreibt Richterin Brüning ein Bild aus der Akte. Klopfzeichen und Codewörter Vinsebeck ist sicher ein tolles Dorf und viele Vinsebecker wollen wohl nirgendwo anders wohnen. Die beiden jungen Albaner leben dort allerdings nicht wie der sprichwörtliche Gott in Frankreich. Das Essen bekommen sie geliefert. Toller Service, mag der eine oder andere denken. Allerdings hat diese Dienstleistung den Hintergrund, dass die Gärtner das Haus nicht verlassen dürfen. &bdquo;Es war abgeschlossen“, berichten W. und A. einhellig. Zudem sei ihnen eingeschärft worden, dass sie nicht raus dürften. Auch die Fenster sollten sie geschlossen halten. Der Essensbote gab sich ihnen mit Klopfzeichen und einem Codewort zu erkennen – nur wenn beides richtig war, durften sie die Lebensmittel entgegen nehmen. Tage und Wochen gehen so ins Land. Die Cannabispflanzen, anfangs so groß – Theodor A. zeigt einen Anstand von rund zehn Zentimetern mit Daumen und Zeigefinger der rechten Hand – streben dem künstlichen Licht in den Gehöfträumen entgegen. Im Dezember will A. das Ganze abbrechen. Er kehrt zurück nach Albanien. &bdquo;Aber man hat mir nicht das ganze Geld gegeben“, erklärt er. Er will in Vinsebeck holen, was ihm zusteht. Sieht keinen Lohn. Und bleibt dann. &bdquo;Man hat mich belogen und betrogen“, resümiert er. Auch Karl W. bleibt natürlich nicht verborgen, dass es sich bei der &bdquo;Bautätigkeit“ eher um eine Beschäftigung im illegalen Garten- und Landschaftsbau handelt, doch der Wunsch, die teuren Medikamente für seine Mutter kaufen zu können, hält ihn bei der Stange. Gericht geht von einem sechsstelligen Verkaufswert aus Am 24. Januar dann bricht das Türschloss und mit ihm das Traumschloss vom großen Geld in Deutschland. Die Polizei. Zahlreiche Beamte umstellen das Haus, Kräfte einer Hundertschaft verschaffen sich Zugang. Theodor A. und Karl W. werden festgenommen. Die Plantage wird dokumentiert, durch die Polizei abgeerntet, 60 von 593 Pflanzen zur Analyse an das LKA in Düsseldorf geschickt, der Rest vernichtet. Die Gutachter in der Landeshauptstadt untersuchen Pflanzen mit 14,4 bis 18,7 Prozent THC, dem Stoff, der Cannabis berauschend macht. Hochgerechnet auf die Gesamtmenge, sind in Vinsebeck laut Gutachter 8,87 Kilogramm THC gewachsen. Konservativer kalkuliert mindestens 5,6 Kilogramm. Der Verkaufswert wäre in &bdquo;die Hunderttausende“ gegangen, sagt Richterin Brüning. &bdquo;Geringe Menge“ 700-fach überschritten Das und die schiere Größe der Plantage werden den beiden Angeklagten zum Verhängnis. Zwar haben die Ermittlungen klar ergeben, dass sie nichts als Handlanger waren, die ein bisschen gegärtnert haben, aber nicht vom Verkauf profitierten oder profitiert hätten. Sie, die Ermittlungen, haben außerdem zu den Hintermännern geführt. Ihnen wird in Mönchengladbach der Prozess gemacht. &bdquo;Aber kriminelle Organisationen könnten ohne die letzten Glieder in der Kette nicht überleben“, begründet Richterin Christina Brüning. &bdquo;Es ist nicht zu vertreten, zu sagen, wir bleiben am unteren Strafrahmen.“ Drei Monate bis fünf Jahre Strafe sieht das Gesetz vor. Die Hoffnung auf Bewährung – darauf hatten Verteidiger Stemmer und Rechtsanwältin Holtkötter plädiert – perdu. Theodor A. und Karl W. müssen für zweieinhalb Jahre ins Gefängnis wegen Besitzes von Cannabis in nicht geringer Menge, immerhin rund das 700-Fache einer &bdquo;geringen Menge“, und Beihilfe zum Handeltreiben mit ebensolchem.

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