Erinnerungen: Als Steinheim an Heiligabend niederbrannte

Steinheim. Das Weihnachtsfest im Jahr 1694 muss für die Steinheimer ein grauenhaftes gewesen sein. Ein Großbrand, ausgebrochen in der Nacht vom 23. zum 24. Dezember, hatte Teile der Stadt verwüstet. 30 Häuser brannten so schnell nieder, dass die Bürger nicht einmal mehr ihr eh schon kärgliches Mobiliar retten konnten. Dass die Katastrophe heute wieder in den Blick gerät, ist Steinheims neuer ehrenamtlicher Stadtarchivarin Heike Sternberg-el Hotabi zu verdanken. Die promovierte Ägyptologin nutzt ihren Ruhestand, um auf Spurensuche in alten Steinheimer Akten zu gehen – und wurde prompt fündig: Ein besonderes Dokument, ein eindringliches Schreiben des damaligen Bürgermeisters Wiethaupt an den Stadtrat, berichtet ziemlich genau ein Jahrhundert nach dem Ereignis, von dem Großbrand. Schwierig zu lesen Der Text, verfasst in Kurrentschrift, der typischen Kanzleischrift des 18. Jahrhunderts, schildert die dramatischen Stunden. &bdquo;Mitten in der Nacht zwischen (dem) 23. und 24. Dezember ist ein grausamer und dergestalt schnell und weit um sich gegriffener Brand ausgebrochen – (der) vermutlich von einer Dorne, worauf Malz getrocknet wurde, den Anfang genommen (hat) –, dass nachfolgend aufgelistete Bürgerhäuser ohne die geringste Rettung des Mobiliars leider zu Asche gefallen (sind)“ heißt es in der freien Übertragung von Heike Sternberg-el Hotabi.Sie absolviert derzeit extra einen Kurs, um diese Schrift lesen und übersetzen zu lernen. Das Problem: Bis ins 18. Jahrhundert gab es keine allgemein verbindliche Rechtschreibung. &bdquo;Jeder Schreiber schrieb im Rahmen allgemeiner Regeln so, wie er es persönlich gerade für richtig hielt“, erklärt die ehrenamtliche Archivarin.Das galt ebenso für die Groß- oder Kleinschreibung eines Wortes. So sei für uns heute beispielsweise ungewohnt das gerne vor anlaufenden Vokalen ein &bdquo;v“ gesetzt wurde und somit aus dem und ein &bdquo;vund“ wurde. Oft sieht man auch die Verdoppelung eines Konsonanten – zu sehen im Steinheimer Dokument in den Worten &bdquo;auff“ und &bdquo;fünff“.Was dahinter steckt Forscher wie Heike Sternberg-el Hotabi fragen sich natürlich immer nach der Motivation eines solchen Schreibens, das so viele Jahre nach dem Brand angefertigt wurde. &bdquo;Darüber können wir natürlich nur spekulieren“, sagt die Archivarin. Aber der Fundort gibt einige Hinweise. Denn das Bürgermeister-Schreiben war einer umfangreichen Akte zu einem weiteren Brand im Jahr 1790 beigefügt, bei dem vier Steinheimer umkamen – darunter zwei Kinder – und immerhin 44 Häuser im Bereich der oberen Marktstraße und der Rochusstraße zerstört worden waren.&bdquo;Vielleicht wollte der Bürgermeister jene 44, namentlich bekannten Bürger unterstützen, welche nach dem Brand von 1790 den Magistrat der Stadt Steinheim um die Abgabe von kostenlosem Eichenholz aus dem Stadtforst zum Neubau ihrer Häuser baten“, vermutet Sternberg-el Hotabi. Also sozusagen ein Gewohnheitsrecht einfordern, das es ein Jahrhundert zuvor offenbar gegeben hat: Nach einem Brand gibt es für die Bürger einige Baumstämme aus dem Stadtwald für den Wiederaufbau. Und zwar kostenlos.So berichtet Bürgermeister Wiedhaupt, dass jedem der Bürger &bdquo;zum Zwecke eines neu zu erbauenden Hauses fünf Bäume angemessen übergeben und angewiesen worden“. Er beschreibt sogar, wofür die Bäume zu verwenden waren, was wiederum genaue Einblicke in die damalige Bauweise gibt. So wurde je ein Stamm zum Gründen, einer für Mauerlatten und Zacken, einer zum Ständern, einen für die Balken und einer zum Scheren verwendet. Der Bürgermeister vergisst dabei nicht zu erwähnen, dass jeder Holz entsprechend der Größe seines vorherigen Hauses erhielt.Hoffnung auf die ganze Chronik Ob die Bürger das Holz 1694 schließlich erhalten haben, ist übrigens nicht bekannt, denn die Chronik, aus der Wiethaupt zitiert, wurde bislang nicht gefunden. Dass sie noch irgendwo in den Tiefen des Steinheimer Archivs schlummert, ist unwahrscheinlich, aber nicht völlig ausgeschlossen. Und es wäre sicherlich eine kleine Sensation. Das sieht auch die neue ehrenamtliche Archivarin so.Die beiden Großbrände von 1694 und 1790 in Steinheim waren längst nicht die einzigen Katastrophen, die in dieser Zeit über die Stadt hereinbrachen. Im kollektiven Gedächtnis ist vor allem die sogenannte große Generalfeuerbrunst von 1729. Damals blieben nur die Kirche, der Marienmünstersche Kornspeicher, der Pohlhof, 8 Häuser am Windtor, der dort gelegene Paderborner Kornspeicher und ein Haus am Niederen Tor stehen. Der Rest der Stadt versank in Schutt und Asche. Die Ursachen für diese Brandkatastrophen waren vielfältig, erklärt die Expertin.Der Grund für das Feuer Hohe Bevölkerungsdichte, enge Bebauung mit schmalen Straßen, und fast ausschließlich mit leicht brennbaren Fachwerkhäusern, die mit Stroh gedeckt waren – all das bot dem Feuer gute Ausbreitungsmöglichkeiten. Das Weihnachtsfeuer von 1694 brach vermutlich durch eine Überhitzung von zu trocknendem Malz auf einer Darre aus, schreibt Bürgermeister Wiethaupt. Eine Darre, erklärt Sternberg-el Hotabi bestand aus einem engmaschigen Drahtgeflecht, worauf dem Grünmalz mittels durchströmender Hitze die Feuchtigkeit entzogen wurde.&bdquo;Gewaltige Brände hinterließen oft tiefe Zäsuren im sozialen und wirtschaftlichen Leben einer Stadt. Manchmal konnten die auch als Chance zu einer stadtplanerischen Neugestaltung angesehen werden“, so die Expertin.

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