Deutschlands größtes Gaskraftwerk für Bioabfall entsteht im Kreis Höxter

Kreis Höxter/Nieheim. Wenn eine Reihe wichtiger Anzugträger im feinen Zwirn freiwillig durch stinkenden Bioabfall waten und voller Begeisterung in frischem Kompost wühlen, dann scheint es wirklich wichtig zu sein. Immerhin war mit Landtagspräsident André Kuper auch der ranghöchste Politiker aus NRW dabei. Tatsächlich will die Eggersmann-Gruppe das Kompostwerk im Kreis Höxter zu einem Energiewerk umbauen. Und damit nach eigenen Angaben die größte Anlage zur Erzeugung von Biomethan in Deutschland errichten. Die &bdquo;Leuchtturm“-Pläne sind eine Herausforderung, denn alles soll jetzt ganz schnell gehen – und für die Bürger selbst könnte am Ende auch noch was herausspringen. Der Bioabfall von rund einer Million Menschen wird in der Kompotec-Anlage nahe der Nieheimer Ortschaft Oeynhausen verarbeitet. Rund 90.000 Tonnen jährlich. Dazu kommen noch mal rund 8.500 Tonnen Grünabfälle. Bisher wurde daraus unter Aufwand von viel Energie wieder Kompost hergestellt. Dabei steckt in dem Abfall eigentlich selbst sehr viel Energie. Und die möchte man jetzt gewinnen. &bdquo;Unser Ziel ist, so viel wie möglich aus dem Inputmaterial herauszuholen“, sagt Geschäftsführer Karlgünter Eggersmann. Vor allem Biogas soll künftig in Oeynhausen entstehen – rund 10,5 Millionen Kubikmeter jährlich. Wirklich gut nutzbar ist das allerdings so noch nicht. Es soll in einem weiteren komplizierten Verfahrensschritt veredelt werden. Dabei wird – vereinfacht gesagt – das CO2 aus dem Biogas herausgesiebt. Übrig bleibt Biomethan in Erdgasqualität. Viel Energie Immerhin rund 5,7 Millionen Kubikmeter. Und die lassen sich wunderbar in die zufälligerweise ganz nahe gelegene große Erdgastrasse einspeisen, die quer durch den Kreis Höxter geht. Die Menge, die dann eingespeist wird, reicht aus, um etwa 10.000 gut gedämmte Wohnungen zu beheizen. Oder etwa 2.850 Altbauwohnungen. &bdquo;Solche Berechnungen hängen natürlich immer auch vom Verbrauch ab“, sagt Karlgünter Eggersmann. CO2 bald nutzbar Und das herausgesiebte CO2? Früher wurde es einfach wieder in die Atmosphäre gepustet. Das will die Eggersmann-Gruppe nicht, denn auch für CO2 gibt es sinnvolle Einsatzmöglichkeiten, erklärt Rolf Liebeneiner, Vertriebsleiter Biologische Abfallbehandlung bei Eggersmann. So werde es beispielsweise in der Getränkeherstellung benötigt, aber auch in der Lebensmittelindustrie, um Nahrungsmittel haltbarer zu machen. &bdquo;Dafür muss es natürlich besonders rein sein, immerhin gewinnen wir CO2 aus Abfall“, so Liebeneiner. Aber auch in der Betonherstellung kann Kohlenstoffdioxid eingesetzt werden. Wie gut, dass Eggersmann in seiner Sparte Bauen ein eigenes Betonfertigteilwerk in Halle betreibt. Etwa ein Tanklaster CO2 täglich entsteht in Oeynhausen. Der Kompost selbst, der hinten herauskommt, soll eine genau so gute Qualität haben, wie bisher, sagt Liebeneiner. Außerdem will Kompotec künftig Flüssigdünger herstellen, was der Ressourcenschonung diene. Zwei Lager mit je 6.000 Kubikmetern Volumen sind geplant. &bdquo;Mit diesem Leuchtturmprojekt setzen wir ein deutliches Zeichen für Nachhaltigkeit in jeder Beziehung. In dem wir uns frühzeitig der Herausforderung stellen, können wir einen enormen Beitrag zur Energiewende leisten“, sagt Geschäftsführer Eggersmann. Ganz neu ist die Herstellung von Biogas nicht. Schon jetzt gibt es eine Biogasanlage am Werk. Neues Windrad Um all das zu ermöglichen, muss eine Menge um- und angebaut werden in Oeynhausen, denn im Prinzip funktioniert die Gasherstellung wie bei einer herkömmlichen Biogasanlage – nur in viel größerem Stil. Geplant sind unter anderem der Neubau einer Biogasanlage für 84.000 Tonnen Bioabfall jährlich; der Neubau eines Windrades zur Deckung des zusätzlichen Strombedarfes. Geplant ist übrigens eine fünf Megawatt-Anlage mit einer Höhe von 150 Metern – hinzu kommen die Rotorblätter, so dass die Gesamthöhe bei rund 240 Meter liegt; der Neubau einer Gasaufbereitung für Biomethan und Bio-CO2;´ der Neubau einer Gaseinspeisung; der Neubau eines Biomassekessels in dem aus Holzabfällen Wärme für den Produktionsprozess gewonnen werden; der Neubau dreier weiterer Rottetunnel; die Erweiterung der Aufbereitungslinie;´ Ertüchtigung der Abluftreinigung. Die Kosten Die Kosten seien aktuell noch nicht abschließend beziffert, denn derzeit würden noch Angebote eingeholt, sagt Eggersmann. Bei der Grundsteinlegung wolle man Genaueres bekannt geben. Nur so viel sagt er dann doch: &bdquo;Allein ein Windrad kostet aktuell rund zehn Millionen Euro.“ Und das ist ja nur ein Baustein von vielen. Der Zeitplan Der Zeitplan ist ehrgeizig – immerhin wird schon lange an der Anlage geplant. Schon für Oktober wird die Genehmigung für den Bau von drei Rottetunneln erwartet, bis Juli kommenden Jahres hofft Eggersmann auf die Genehmigung für die Anlagenerweiterung. Spätestens ein Jahr darauf, im Sommer 2024, soll die Gasproduktion laufen. Das Genehmigungsverfahren für das Windrad mit Gutachten soll im kommenden Frühjahr anlaufen. Mit einer Fertigstellung wird frühestens Mitte 2025 gerechnet. Abfallgebühren Mit der neuen Anlage verändert sich die Erlössituation für das Kompostwerk erheblich. Zurzeit werden 93 Prozent der Erlöse aus den Abfallgebühren und nur sieben Prozent aus der Energieerzeugung erzielt. Ab 2025 sollen nur noch 50 Prozent der Erlöse aus den Gebühren für die Biomülltonne kommen – 45 Prozent aus der Energiegewinnung und 5 Prozent aus der Kompostvermarktung. Langfristig könnten dann wohl auch die Müllgebühren sinken, so Eggersmann. Zunächst werde aber viel Geld für die geplanten Investitionen gebraucht.

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