Von „Schweinebernd“ bis „Doikschnödder“: Alte Beinamen in Marienmünster werden erforscht

Marienmünster/Kreis Höxter. Es war eine ganz besondere Nachricht, die Carsten Rheker mit seinem Smartphone jeden Mittwoch an viele Interessierte in der Region verschickte. Insgesamt gab es 78 Folgen: In den Kurznachrichten berichtete abwechslungsreich über die &bdquo;Kollerbecker Beinamen“. Ein lokalgeschichtliches Projekt, das in der Region seinesgleichen sucht. Die sogenannten Beinamen sind in Westfalen weit verbreitet. So kennt man in Entrup etwa den &bdquo;Schweinebernd“, in Fürstenau den &bdquo;Rappelkroar“ sowie den &bdquo;Holschemoaker“ und in Kollerbeck zum Beispiel &bdquo;Doikschnödder“ und &bdquo;Dammschuster“. Beinamen sind entstanden, als es erforderlich wurde, eine wachsende Zahl von Menschen mit identischen Rufnamen beziehungsweise Vornamen voneinander zu unterscheiden. Bis dahin war es üblich, dass eine Person lediglich einen Rufnamen hatte. Beinamen wurden gebildet etwa aus Berufsbezeichnungen oder Herkunftsbezeichnungen. Teilweise wurden auch Flurbezeichnungen oder landschaftliche Besonderheiten zur Beinamensbildung herangezogen. Gemeinsam ist den Beinamen, dass sie den jeweiligen Vornamen ergänzten und so eine leichtere Identifizierung von Personen ermöglichten. Diese Beinamen haben sich zum Teil bis heute gehalten und werden nach wie vor verwendet. Das Problem, vor allem für Zugezogene: Die Bedeutung vieler Beinamen erschließt sich meist nicht auf den ersten Blick. Als Familiengeschichte gestartet Und so fasste die Kollerbeckerin Anita Rheker Ende 2021 den Entschluss, die Kollerbecker Beinamen aufzulisten und zu versuchen, deren Bedeutung zu ergründen. &bdquo;Ich wollte das eigentlich nur für meine Familienangehörigen machen“, offenbart sie, doch schnell wurde ihr klar, dass sich dafür ein größeres Publikum interessiert. Schnell fand sich mit ihr selbst, dem Stadtheimatpfleger Franz Meyer, dem wandelnden Gedächtnis der Kollerbecker Lokalgeschichte Franz Welling und ihrem Sohn Carsten Rheker eine Gruppe, die sich daran machte, die Kollerbecker Beinamen zu erforschen. Viele Stunden saßen die vier zusammen und nachdem eine vollständige Liste der Beinamen erarbeitet war, machten sie sich daran, nach und nach deren Hintergründe aufzuhellen. &bdquo;Wir haben uns dabei vor allem auf historische Steuerakten, alte Adresslisten und das Urkataster von 1830/1835 gestützt“, berichtet Franz Meyer an dem Abend, an dem das Quartett seine Arbeit resümiert. &bdquo;Und wir haben viele Gespräche mit Bewohnerinnen und Bewohnern geführt,“ ergänzt Anita Rheker. Schließlich haben die vier ein beachtliches Puzzle zusammengesetzt. Schon im 16. Jahrhundert Einer der ersten Kollerbecker Beinamen, dessen Bedeutung aufgeklärt werden konnte, bezieht sich auf ein Gebäude, dass im 16. Jahrhundert von einem &bdquo;Johann von Minden“ bewohnt wurde. Der gute Mann war mitnichten adelig – das &bdquo;von“ in seinem Namen leitet sich aus seiner Herkunft, der Stadt Minden, ab. Bis heute hat sich der Beiname &bdquo;Minnemann“ in Kollerbeck erhalten und ist mit dem Grundstück – das ursprüngliche Gebäude ist durch einen Neubau ersetzt worden – fest verbunden und den meisten Bewohnern der Ortschaft immer noch bekannt. Erhalten hat sich seit Jahrhunderten auch der Beiname &bdquo;Schmetjan“: Dahinter verbarg sich ein &bdquo;Schmied Johann“. Seinen räumlichen Ursprung hat dieser Beiname in der Ortschaft Langenkamp, zwei Kilometer östlich von Kollerbeck. Der Ehemann von Anita Rheker, &bdquo;Schmetjans Werner“, hat den Namen bei seiner Übersiedlung von Langenkamp nach Kollerbeck mitgebracht. Der Name wird wohl noch einige Zeit überdauern, denn Sohn Carsten Rheker ist im Dorf unter dem Namen &bdquo;Schmetjan“ bekannt. Immer per Whats-App Zu klären war natürlich auch die Frage, wie die Erkenntnisse der Lokalforscher an die Öffentlichkeit gelangen sollten. Praktischerweise betreut Carsten Rheker den &bdquo;Kollerbecker Dorfausrufer“, ein digitales Mitteilungstool, mit dem er alle, die daran angeschlossen sind, kostenlos über Neuigkeiten aus dem Dorfleben informiert. Nahezu wöchentlich versendete er also über den Dorfausrufer eine neue Folge der &bdquo;Kollerbecker Beinamen“. Die Resonanz in der etwa 400 Abonnenten zählenden Dorfausrufer-Community war eindrucksvoll. &bdquo;Wir haben sehr viele positive Rückmeldungen bekommen“, führt er aus. Die Namensforscherin und ihre Mitstreiter sinnieren nun darüber, die gewonnenen Erkenntnisse über die 78 Kollerbecker Beinamen auch in anderer Form der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. &bdquo;Uns schwebt vor, mit QR-Codes in der Örtlichkeit oder auch in Buchform unsere Arbeit weiter bekannt zu machen“, erläutert Carsten Rheker. Franz Wellung kann sich auch vorstellen, mit einer Beschilderung über die Ergebnisse der Beinamenforschung zu informieren. Backhaus aus dem Dorf verbannt Bevor die Gruppe an diesem Abend auseinandergeht, ist sie noch mal in ein Kartenbild von Kollerbeck vertieft. Franz Welling deutet schließlich auf ein kleines rotes Rechteck im Zentrum der abgebildeten Ortschaft und erläutert: &bdquo;Das war ein Backhaus. Das gibt es dort nicht mehr. Es steht jetzt im Neuen Teich.“ Der Rest der Gruppe ist erstaunt. Der &bdquo;Neue Teich“ ist eine Weidelandschaft im Niesetal, etwa einen Kilometer östlich von Kollerbeck. Dort steht tatsächlich inmitten der Weiden ein kleines Fachwerkgebäude am Ufer des Niesebachs; es dient als Viehunterstand. Das Gebäude scheint also dereinst von seinem ursprünglichen Standort in der Ortsmitte verlagert worden sein. Eines scheint so gut wie ausgeschlossen: dass die Geschichte dieser Backhausreise im Dunkeln bleibt, kündigt das Team an.

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