Scharlatanerie oder Segen: Sollten "Seher"-Hinweise verfolgt werden?

Marienmünster-Löwendorf. Es gibt kaum einen großen, spektakulären Kriminalfall, in dem sich nicht irgendwann jemand meldet, der behauptet, er wüsste, wo die Leiche liegt, wer der Täter ist oder was überhaupt passiert ist. Und das ohne im eigentlichen Sinne etwas mit dem Fall zu tun zu haben. Auch bei Vermisstenfällen schalten sich gern selbst ernannte Seher, Hellsichtige oder Wahrsager ein.So geschehen am vergangenen Freitag: Der Löwendorfer Landwirt Ulrich R., seit mittlerweile mehr als einem Jahr vermisst, soll, so der Hinweisgeber, in einem Wäldchen bei Papenhöfen liegen. "Die Polizei hat sich daraufhin an einer Suche beteiligt", berichtet Polizeisprecherin Ramona Ellebrecht. Auch Angehörige seien vor Ort gewesen. Dort war jedoch, wie berichtet, nichts zu finden. Dabei waren die Angehörigen von Ulrich R. gleich mit mehreren freiwilligen Helfern in dem Wäldchen vor Ort, um intensiv zu suchen - so, wie nach jedem Hinweis, der bisher eintrudelte, wie Christian R., der Bruder des Vermissten, erzählt. Denn der Löwendorfer Vermisstenfall hat auch dadurch einen großen Bekanntheitsgrad erlangt, dass besonders viele Menschen aus der ganzen Region bei der Suche nach dem jungen Landwirt halfen - und es noch immer tun. Den Bereich, den nun der "Seher" als wahrscheinlichen Fundort von Ulrich R. deklariert hatte, suchten sie aber wohl vergebens ab. Sie kontrollierten die Wiesen, Gräben und Abwasserrohre, wie Christian R. erzählt. Abgesucht worden sei das Wäldchen auch schon sehr intensiv vor einem Jahr, kurz nach dem Verschwinden des Landwirtes am 3. Februar, sagt er. Dann nochmals im März und April. Und am vergangenen Wochenende nun noch einmal. Aber: "Es hat sich leider nichts ergeben", so der Bruder."Wir nehmen jeden Hinweis ernst" Ist das denn eine Überraschung bei dieser - freundlich ausgedrückt - ungewöhnlichen Quelle? "Grundsätzlich ziehen wir solche Hinweise nicht ins Lächerliche", erklärt Ellebrecht. Natürlich werde eine derartige Mitteilung hinterfragt. Das aber geschehe auch bei jeder anderen Zeugenaussage. "Jeder normale Zeuge sagt uns, was er denkt, und wir hinterfragen das und fragen auch nach", erklärt die Sprecherin.Grundsätzlich nehme die Polizei jeden Hinweis an: "Da setzen wir ganz niederschwellig an." Zumal der "Seher", der meinte, er wüsste, wo Ulrich R. zu finden sei, mit Namen und Kontaktmöglichkeit bekannt war. Also prinzipiell auch für Nachfragen zur Verfügung stand.Bei anonymen Nachrichten entscheide der Detailgrad der Aussage über das weitere Vorgehen der Polizei, wie Ramona Ellebrecht erklärt. Besonderheit am Freitag: Bei der Polizei meldete sich der selbst ernannte Seher gar nicht, dafür bei der Familie und nw.de.Für die Bewertung des Hinweises durch die Polizei spiele das aber keine Rolle: "Wichtig ist nur, dass wir den Hinweis zeitnah erhalten." Es könne verschiedene Gründe haben, warum jemand den Kontakt mit der Polizei scheue. "Wir kennen die Geschichte der Person ja nicht, vielleicht ist sie in der Vergangenheit von Polizisten abgewiesen worden", sagt Ellebrecht. Oder will er vielleicht einfach mehr Aufmerksamkeit? Christian R. ist in erster Linie für jeden Hinweis dankbar. "Ich unterstelle den Leuten erst einmal pauschal, dass sie vorrangig helfen wollen und es ihnen nicht um die eigene Publicity geht", sagt er. Und weiter: "Jeden Hinweis, den wir bekommen, nehmen wir ernst". Egal, ob er von einem Passanten stamme, vage wirke - oder eben eher "professionell", wie der Hinweis des "Sehers" am vergangenen Freitag.Polizei nimmt Hinweise auf Ulrich R. entgegen Jeder eingehende Hinweis werde gründlich geprüft. So sei es beispielsweise auch bei einem Landstreicher gewesen, den jüngst jemand bei Bodenwerder als Ulrich R. erkannt haben wollte. "Auch diesem Hinweis sind wir nachgegangen", sagt der Bruder des vermissten Löwendorfers. Denn: "Die Hoffnung stirbt zuletzt". Und so hofft die Familie des Landwirtes, der zum Zeitpunkt seines Verschwindens 39 Jahre alt war, weiter, dass Ulrich R. doch noch gefunden wird. Dass er vielleicht sogar selbst zurück ins heimische Löwendorf kommt. Die Polizei, erklärt Ramona Ellebrecht, werde aktiv, sobald es neue Hinweise auf den verschwundenen Landwirt gebe. Ulrich R. gilt mittlerweile als Langzeitvermisster. Beim Verlassen des familiären landwirtschaftlichen Hofes am 3. Februar trug er schwarze Arbeitskleidung und eine schwarze Mütze.Das zeigen die Bilder der Überwachungskamera des Anwesens. Die Beschreibung von Ulrich R.: Er ist 1,85 Meter groß, wiegt etwa 95 bis 100 Kilo, hat dunkle lockige Haare und trägt einen Bart. Hinweise nimmt die Polizei entgegen unter Tel. (0 52 71) 96 20 oder 110.

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