Marienmünster und Schönewalde: Partnerschaft mit vielen Facetten

Marienmünster. Schönewalde im Kreis Herzberg? &bdquo;Wir wussten zunächst gar nicht, wo das liegt, und mussten auf der Karte nachschauen", erinnert sich Elmar Stricker noch gut an die Anfänge der Städtepartnerschaft zwischen Marienmünster und der kleinen brandenburgischen Gemeinde, die heute zum Elbe-Elster-Kreis gehört – irgendwo im Niemandsland zwischen Leipzig und Frankfurt/Oder. Eine Straßenkarte braucht Elmar Stricker schon lange nicht mehr, um nach Schönewalde zu finden. Mehrmals im Jahr fahren er und seine Frau Eva die rund 400 Kilometer lange Strecke, um Freundschaften zu pflegen und gesellige Tage zu genießen – und das, obwohl der 75-Jährige gar nicht gerne Auto fährt. Aber die Verbindungen sind ihm und seiner Frau wichtig. Nur durch persönliche Kontakte würden Vorurteile und Mauern überwunden, wachse gegenseitiges Verständnis. &bdquo;In den vergangenen 30 Jahren haben wir die äußere Einheit vollzogen, für die innere Einheit Deutschlands brauchen wir noch einmal 30 Jahre", ist der Vördener überzeugt. Wie alles begann Die Verbindung zu der ehemaligen DDR-Kommune war politisch verordnet. Um Aufbauarbeit vor allem in den Verwaltungsstrukturen zu leisten, schloss NRW eine Partnerschaft mit dem neuen Bundesland Brandenburg, der Kreis Höxter bekam den ähnlich ländlich strukturierten Kreis Herzberg zugeordnet. Marienmünster ging eine Verbindung mit der Ortschaft Schönewalde ein, das 1990 gut 1.100 Einwohner hatte. Der offizielle Freundschaftsvertrag wurde am 9. Mai 1991 geschlossen. &bdquo;Es war zunächst eine ziemlich steife Veranstaltung, wir hatten uns zuvor ja noch nie gesehen", erinnert sich der Ratsherr Elmar Stricker. Dann aber begann der damalige Schönewalder Bürgermeister Wolfgang Krause, ein stämmiger, untersetzter Mann – gelernter Metzgermeister – seine Rede: &bdquo;Meine sehr geehrten Damen und Herren." Kurze Pause. &bdquo;Nein, so sprechen wir uns hier nicht an. Liebe Freunde. . ." Das Eis war gebrochen. Eine Anekdote, mit der Elmar und Eva Stricker auch unterstreichen wollen, dass es vor allem die offene, zugewandte Herzlichkeit und Gastfreundschaft ist, die sie in Schönewalde kennengelernt haben. Zunächst fuhren immer wieder Verwaltungsmitarbeiter aus Marienmünster zu ihren Kollegen in den Osten, um sie zu unterstützen und Tipps zu geben. Aber auch auf ehrenamtlicher Ebene gab es anfangs eine intensive Zusammenarbeit. So begleitete der damalige Marienmünsteraner Stadtbrandmeister Josef Föckel den Umbau der Feuerwehrstrukturen, der damalige Stadtheimatpfleger Theo Elberich leistete vor allem Hilfe bei Naturschutzfragen. Vor allem privat Der Borner war auch einer der ersten, der die Städtepartnerschaft auch ganz privat sehr ernst nahm. Er trat bereits Ende 1991 dem Schützenverein bei und war 1995 und 1999 gleich zweimal Schützenkönig in der brandenburgischen Kommune – natürlich mit ostdeutschen Frauen an der Seite. Nach den wichtigen Impulsen für eine Neustrukturierung der Verwaltungsarbeit schlief die Städtepartnerschaft auf politischer Ebene – wie in fast allen Kommunen – jedoch relativ schnell wieder ein. Woran das lag? &bdquo;Die Bereitschaft, sich kennenzulernen und die Neugier waren aufseiten der Schönewalder immer deutlich größer", sagt Elmar Stricker. Er glaubt, dass das nachhaltige Interesse an der Verbindung daran vor allem auf politischer Ebene in Marienmünster nicht da war. Das sei keinesfalls als Vorwurf gemeint. Vielmehr eine Feststellung. Und eine weitgehend vertane Chance, interessanten Menschen zu begegnen und den eigenen Horizont zu erweitern. Intensive Begegnungen Zu Beginn waren auch die gegenseitigen Begegnungen der Vereine intensiv, wie zwischen Schützen, Musikern, Fußballern oder Feuerwehr. Beispielsweise beim Spatenstich und Fertigstellung der Schönewalder Schützenhalle Mitte der 1990er-Jahre, die übrigens mit tatkräftiger Unterstützung eines Bredenborner Fliesenlegers ihren Sanitärbereich bekam. Auch gab es einige Besuche zwischen den Feuerwehrabordnungen, 2010 erhielt Josef Föckel das Feuerwehr-Ehren-Kreuz des Elbe-Elster-Kreises in Gold für sein Engagement. Schon 2007 war auf Initiative der neuen Schönewalder Bürgermeisterin Irene Kluge eine Delegation in Marienmünster, mit der Intention, die Partnerschaft neu zu beleben. Es blieb bei vielen Versprechungen und einem Gegenbesuch zum 850-jährigen Stadtjubiläum in Brandenburg im Folgejahr. Einen neuen Anlauf startete Elmar Stricker im vergangenen Jahr. Er überzeugte die Bredenborner Schützen, mit einer 40 Mann starken Abordnung am 175-jährigen Jubiläum der Schönewalder Schützen teilzunehmen. Es wurde kräftig gefeiert. Vor allem der Piratentanz der Bredenborner beim Schützenball löste riesigen Jubel aus. &bdquo;Mit meiner Gratulation verbunden ist deshalb die ausdrückliche Hoffnung, dass Ihr Jubiläum auch dazu dient, die aus der Städtepartnerschaft erwachsenen freundschaftlichen Verbindungen wieder aufzufrischen", sagte Eckhard Meyer, Oberst der Bredenborner Altschützen, in seinem Grußwort. Der fest eingeplante Schönewalder Gegenbesuch in diesem Jahr musste Corona-bedingt verschoben werden. Was bleibt Ganz abgebrochen ist der Kontakt jedoch nie, er wurde vor allem durch private Initiative immer wieder neu geknüpft. Die Begegnungen mit den Schönewalder Freunden sind Momente, die Elmar und Eva Stricker nicht missen möchten. Und das nicht nur, weil die Schönewalder &bdquo;es verstehen, professionell zu feiern", wie Eva Stricker mit einem Augenzwinkern erzählt und von so manch feuchtfröhlichen Frauenfrühshoppen beim Heimatfest schwärmt. Sie schätzt neben der offenen Art und der Gastfreundschaft auch den Zusammenhalt der Freunde und Familien, den man sehr intensiv spüre. &bdquo;Man bekommt einen völlig anderen Blick auf Ostdeutschland", sagt die reiselustige Vördenerin, die schon lange vor der Wende zahlreiche Städte in der damaligen DDR besucht hat. Es ist dieses Verständnis für die Ostdeutschen, das Elmar Stricker hier manchmal vermisst, vor allem dann, wenn beispielsweise abfällig von Dunkeldeutschland oder den Jammer-Ossis gesprochen werde. Als er vor einigen Wochen, mitten im Kommunalwahlkampf in Marienmünster, wieder für ein paar Urlaubstage nach Schönewalde fuhr, gab es bei einzelnen auch Verwunderung. Er ist trotzdem hingefahren. Der Freundschaft wegen. Ohne Frauen In der Chronik der Schönewalder Schützen finden die Besuche der Bredenborner und Löwendorfer Abordnungen große Erwähnung. &bdquo;Ein Höhepunkt war ohne Zweifel die Fahnenweihe der Schönewalder Schützenfahne im Juni 1992 zum Heimat- und Schützenfest." Der Gegenbesuch zum Bredenborner Altschützenfest ließ nicht lange auf sich warten. &bdquo;Ein herzlicher Empfang in der großen Festhalle, aber dann ging es sogleich zur Messe in die Kirche." Im Osten völlig unüblich. &bdquo;Und noch ein Unterschied zu unserem Schießsportverein: Es war nicht vorgesehen, dass die Frauen am Fackelzug teilnehmen." Auch wenn sich die Gäste hinten in den Umzug einordnen mussten, sei es ein schönes Fest gewesen. Besonders beeindruckt waren die Ostdeutschen seinerzeit übrigens &bdquo;vom unermüdlichen Einsatz des Musikvereins". Während Theo Elberich zweimal König in Schönewalde war, war drei Damen aus dem Osten in Vörden und Löwendorf im Hofstaat. &bdquo;Ohne einen einzigen Schuss abgegeben zu haben – herrlich", vermerkt die Chronik. Beim Mauerfall in Berlin &bdquo;Der Mauerfall ist für mich das wichtigste geschichtliche Ereignis im Leben gewesen", sagt Elmar Stricker. Er schäme sich nicht ob der Freudentränen, als die Nachricht am Abend des 9. November 1989 die Runde machte. Seine Frau, die stets gern reist, reagierte anders. Sie saß sowieso auf gepackten Koffern, weil sie eine Reise nach Berlin geplant hatte. &bdquo;Warum nicht sofort losfahren", fragte sie sie sich und stieg noch am Abend ins Auto, um sich auf die siebeneinhalbstündige Fahrt nach Berlin zu machen. Als passionierte Fotografin hielt sie die einmaligen Begegnungen an der damaligen Grenze, unter anderem am berühmten Checkpoint Charlie, auf vielen Bildern fest. Auf ihren Reisen hat sie viele spannende Erfahrungen gemacht. So an der deutsch-deutschen Grenze, als sie für den ehemaligen Bredenborner Pastor, der in den Osten nach Thale gegangen war, eine Lichtanlage zum Anzeigen von Liedern mit in die DDR schmuggelte. Die Angst war groß, als der Grenzpolizist den Mercedes filzte. Doch beim Aufklappen der Rücksitzbank klemmte er sich derart den Finger, dass er Eva Stricker und ihre drei Begleiterinnen erbost weiterfahren ließ. &bdquo;Ich habe auf meinen vielen Reisen immer Kulturen und Geschichte versucht einzufangen. Es hat mein Leben immer bereichert. Man muss offen sein für neue Situationen und bereit sein, dazuzulernen. Nur so werden wir uns weiterentwickeln", sagt Eva Stricker.

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