Der neue Namensgeber der Kaserne in Höxter: genialer Stratege mit scharfem Blick – und faul

Höxter. Enttäuschte, ja kritische Reaktionen gab es Höxter, als der neue Kasernenname nach einem jahrelangen Prozess endlich bekannt gemacht wurde: Hammerstein-Equord-Kaserne. Benannt nach Kurt von Hammerstein-Equord – ein Militär, der wohl nie in Höxter war. So manch einer hätte sich an der Weser lieber einen Kasernennamen mit Ortsbezug gewünscht, etwas Identitätsstiftendes für die Region. Hammerstein hätte über diese Kleingeistigkeit vermutlich den Kopf geschüttelt, möglicherweise aber auch darüber, dass man ihn mit einem Kasernennamen ehrt. Nun aber ist es so. Höxter wird dauerhaft mit dem Generaloberst, der als Chef der Heeresleitung von 1930 bis 1933 neben Adolf Hitler eine zentrale Figur der deutschen Geschichte war, verbunden sein. Hitler und er waren ausgesprochene Gegner. Am Mittwoch, 8. Oktober, wird die Kaserne mit einem großen Appell umbenannt werden. Höchste Zeit, den Mann zumindest ein bisschen näher kennenzulernen, der wie kaum ein Zweiter die politische und militärische Entwicklung analysieren und voraussehen konnte – zugleich aber bei Tisch mit seiner Familie so gut wie nie redete. Der von Anfang an mit tiefer Überzeugung und ohne Furcht den Widerstand gegen Hitler unterstützte. Und von dem viele Wegbegleiter betonen, wie faul er bei der täglichen Arbeit war. Für Hammerstein eine wichtige Tugend. Dazu später mehr. Höxteraner Bundeswehr-Kaserne: Neuer Name steht fest Entscheidende Rolle in den Tagen der Machtergreifung Hitlers Es ist schwer bis unmöglich, sich auf wenigen Zeilen einen Menschen zu beschreiben, der in den entscheidenden Tagen der Machtergreifung Ende Januar 1933 neben Hitler und Reichspräsident Paul von Hindenburg als Armeechef wohl die wichtigste Rolle gespielt hat. Und der seine eigenen Aufzeichnungen später verbrannte, um seine Familie zu schützen. Der Schriftsteller und Redakteur Hans Magnus Enzensberger hat in seinem mehr als 300 Seiten starken Buch &bdquo;Hammerstein oder der Eigensinn“ eine Annäherung versucht. Hat unzählige Gespräche mit Nachfahren und Wegbegleitern geführt, Archive gewälzt, in Familienalben geblättert. Und versucht, den Chef der Heeresleitung auch mit schriftstellerischen Mitteln – fiktiven Interviews – in seine Zeit einzuordnen. Um der Gefahr zu entgehen, Hammersteins Denken und Handeln mit dem Wissen der Spätgeborenen zu bewerten. Er beschreibt das Bild eines Mannes, der durch ein umfassendes Wissen, einen unheimlich scharfen Blick auf die Ereignisse gepaart mit brillanter Analyse stets die dramatischen Entwicklungen, in die das Deutsche Reich strammen Schrittes schritt, voraussah. Ein genialer Stratege mit unheimlich schneller Auffassungsgabe. In einem zweiten Weltkrieg würde Deutschland aufgeteilt, erklärte er schon 1929, wie seine Tochter Maria Therese in ihren Memoiren berichtet. Er setzte bei der Wiederaufrüstung des Deutschen Reiches auf die Sowjetunion, reiste mehrfach hin, traf russische Generäle und warnte stets davor, dass ein Krieg gegen die Sowjetunion niemals zu gewinnen sei. Von Hammerstein-Equord war Vater von sieben Kindern Hammerstein war nicht nur ein Stratege, sondern natürlich Familienvater. &bdquo;Seine sieben Kinder waren bekannt für ihre Wildheit und rebellische Natur. Und auch er hatte keine Ähnlichkeit mit dem typischen, hart arbeitenden und gewissenhaften Deutschen. Er mochte Menschen, ließ oft einfach seine Arbeit liegen und ging jagen“, berichtete sein Schwiegersohn Joachim Paasche 1931. Der Preuße genoss auch gern Cognac und eine gute Zigarre. Dennoch: Er pflegte einen sparsamen Lebensstil, das Geld sei immer knapp gewesen, berichten seine Kinder. Politisch ordnete sich Hammerstein als rechts-konservativ ein. Er unterstützte und stärkte den Widerstand gegen Hitler, wollte mehr als einmal selbst aktiv in die Geschichte eingreifen – doch es scheiterte an den Umständen. Ende Januar 1933, kurz vor der Machtergreifung, spielte er mit dem Gedanken, die Armee einzusetzen, um Hitler festzunehmen und Hindenburg abzusetzen. Doch ein daraus resultierender Bürgerkrieg in Deutschland schien ihm damals gefährlicher. Hammerstein wurde anschließend kaltgestellt, zog sich scheinbar 1934 weitgehend ins Privatleben zurück, traf sich aber weiterhin oft mit befreundeten Offizieren. Und versuchte, Menschen vor der Gestapo zu bewahren. Enzensberger berichtet, dass Hammerstein sich Geheimdienstberichte besorgte, um herauszufinden, wer festgenommen werden sollte. Beim Frühstück nannte er Namen und seine Kinder wussten, was sie zu tun hatten. Hitler ließ ihn nie verhaften, holte ihn sogar aus dem Ruhestand Er ist einer der wenigen öffentlichen Widersacher, den Hitler nie verhaften oder umbringen ließ – warum, wurde nie geklärt. 1939 ließ ihn Hitler aus dem Ruhestand zurückholen, der Generaloberst wurde kurzzeitig als Oberbefehlshaber der Armeeabteilung A an der Westgrenze eingesetzt. Hier soll er die Festnahme Hitlers bei einem Truppenbesuch geplant haben. Hitler sagte den Besuch kurzfristig ab – auf seine persönliche Weisung hin wurde Hammerstein &bdquo;wegen seiner negativen Einstellung gegenüber dem Nationalsozialismus“ in den Ruhestand versetzt. Er empfing danach immer wieder Mitglieder des zivilen und militärischen Widerstandes in seinem Haus – auch die frühen Pläne für das Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 sollen hier schon zwei Jahre zuvor besprochen worden sein. Zugleich bezweifelte er den Erfolg eines Attentats. &bdquo;Er vertrat die Auffassung, daß unbedingt von einem Attentat abgesehen werden müßte, da der deutsche politisch derart wenig begabt sei, daß er die Notwendigkeit nie einsehen werde, wenn er nicht den bitteren Kelch bis zur Neige tränke“, schreibt Carl-Hans Graf von Hardenberg. Neuer Name für Höxteraner Kaserne: Warum General Weber problematisch ist Den Putschversuch selbst, an dem sein Sohn Ludwig an zentraler Stelle im Bendler-Block in Berlin beteiligt war, erlebte er nicht mehr. Er starb Ende April 1943 an einem Krebsgeschwür im Gesicht, das er lange nicht wirklich ernst genommen hatte. Widerstand noch auf dem Weg ins Grab Und selbst auf seinem allerletzten Weg setzte die Familie noch ein Zeichen des Widerstandes. Statt mit militärischen Ehren auf dem Berliner Invalidenfriedhof wurde er im kleinen Kreis auf dem Familienfriedhof im niedersächsischen Steinhorst beigesetzt. In Berlin hätte der Sarg mit einer Reichskriegsflagge und dem Hakenkreuz umhüllt werden müssen. Hitler ließ einen riesigen Kranz mit Schleife schicken. Die Schleife fehlte bei der Beerdigung – Angehörige hatten sie in der U-Bahn &bdquo;vergessen“. Was bleibt von ihm außer ein Kasernenname? &bdquo;Ich kannte kaum einen Menschen, der so offensichtlich ablehnend gegen das Regime war, ohne jede Vorsicht, ohne jede Furcht. Er erzählte jedem, der es hören wollte, daß wir Rußland niemals besiegen könnten, und sagte schon 1939 voraus, daß wir den Krieg verlieren würden. ,Kopf freihalten für die großen Entschlüsse’ war die Devise dieses herrlich faulen Menschen, der keine Kompromisse kannte“, schreibt Ursula von Kardoff über ihn. Die legendäre Faulheit des Generaloberst Kurt von Hammerstein-Equord Die Faulheit erwähnen viele, sie scheint legendär. Schon als er mit 20 Jahren sein erstes Offizierspatent erhielt, hieß es in der Beurteilung, er sei von produktiver Faulheit, man sagte ihm eine große Bequemlichkeit und eine ungewöhnliche Abneigung gegen normale Arbeit nach. Von Fleiß habe er nur bescheiden gebraucht gemacht. Er war sich dessen bewusst und rechtfertigte dies mit der Konzentration auf das große Ganze. &bdquo;Jeder Mann in leitender Stellung muss den Mut haben, faul zu sein.“ Er selbst hat Tipps zur militärischen Führung gegeben: &bdquo;Machen Sie sich frei von Kleinarbeit. Dazu halten Sie sich einige wenige kluge Leute. Lassen Sie sich aber viel Zeit, sich Gedanken zu machen und sich vor sich selbst ganz klar zu werden. Sorgen Sie dafür, dass Ihre Gedanken ausgeführt werden. Nur so können Sie richtig führen.“ Immer informiert bleiben: Hier gelangen Sie direkt zum Whatsapp-Kanal der NW Höxter Es gebe noch so viel mehr zu sagen. Kurt von Hammerstein ist ein Mann mit vielen Seiten, den Höxter erst noch richtig kennenlernen muss. Ein Glücksgriff für die Stadt, denn an ihm lässt sich Geschichte in ihrer Vielfältigkeit nachvollziehen und viel für die Zukunft lernen. Das Buch von Hans Magnus Enzensberger ist jedem empfohlen, der den Mann hinter dem Kasernennamen verstehen möchte.

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