Niedrigwasser gibt Geheimnisse von Weser und Edersee preis

Kreis Höxter. Vor ziemlich genau zwei Monaten, am 23. Juli, betrug der Weserpegel in Höxter noch 1,60 Meter. Kurz darauf stürzte er deutlich ab, weil die Edertalsperre kaum noch Wasser hatte und die Stützung des Weserpegels aufgegeben werden musste. Tiefpunkt bisher: ein Pegelstand von 65 Zentimetern am 21. September an der Messstelle in Corvey. Aktuell pendelt er um 75 Zentimeter. Der niedrige Wasserstand hat auch sein Gutes. Wassersportlern gibt er die Möglichkeit, beim Training auf der Weser gleich noch etwas Müll einzusammeln. Sie kommen viel leichter heran. Einen alten Radiowecker, eine Kaffeetasse, einen Pflanzkübel, Trinkpäckchen und vieles mehr haben Mitglieder vom Wassersport Höxter schon eingesammelt. Weil sich an der seit Februar andauernden dramatischen Regenarmut seither nichts geändert hat, wurde die Abgabemenge in kleinen Schritten weiter reduziert. Zuletzt Mitte dieser Woche auf nur noch drei Kubikmeter Wasser pro Sekunde. Nur zwei Mal in den vergangenen 50 Jahren, im Oktober 1977 und im Oktober 2020 musste diese Menge nochmals reduziert werden. Mehr zum Thema: Noch weniger Wasser vom Edersee: Sorge um ökologisches System der Weser im Kreis Höxter Das öffnet Touristen ungeahnte Einblicke Zufluss gleich Abfluss heißt jetzt für die Experten vom zuständigen Wasserschifffahrtsamt die Devise. Doch der Zufluss reicht bisher trotz geringer Niederschläge nicht aus, ein weiteres Leerlaufen zu verhindern. Das allerdings eröffnet Touristen ungeahnte Einblicke. In eine Welt, die normalerweise weit unter Wasser liegt. Unter anderem das sogenannte &bdquo;Edersee-Atlantis“ und das Modell der Sperrmauer. Sperrmauermodell? Ja, bevor die Region 1914 geflutet wurde, wurde ein wie – das Original – leicht gebogenes Modell der Talsperre im Maßstab 1:40 errichtet. Und das ist komplett aus dem Wasser aufgetaucht – laut Einheimischen passiert das sehr, sehr selten. Selbst die Mauerkrone ist noch nicht von der Wasserkraft der vergangenen mehr als 100 Jahre abgetragen worden. Warum ein Modell der Sperrmauer notwendig war Auch mit unregelmäßigen Feldsteinen gepflasterte Wege sind am und zum Modell noch zu erkennen. An diesem waren verschiedene Vorrichtungen ausprobiert, die zum Abführen des Wassers an der Sperrmauer nötig wurden. Das ist auf einer Infotafel an dem schmalen Weg zu lesen, der dort hinunterführt. Das Wasser dafür lieferte der Mühlengraben der alten Bericher Hütte. Auch die ist gleich oberhalb des Modells, um das man mittlerweile drumherum laufen kann, wieder aufgetaucht. Zumindest die Reste der Hütte, wo bis Ende des 19. Jahrhunderts ein Hüttenwerk bestanden hatte, in dem Eisen gewonnen wurde. In Hoch-Zeiten hatte es wohl ein Dutzend solcher Eisenhütten und 50 sogenannte Hammerfeuer im Waldecker Land gegeben, die aus dem spröden Gusseisen Draht oder Eisenblech herstellten. Heute stehen die verkohlten Mauerreste – derzeit umgeben von einem sichernden Bauzaun – wie eine mahnende Erinnerung an eine im wahrsten Sinne versunkene Zeit. Lesen Sie auch: Niedrigwasser im Kreis Höxter: 15-Jähriger findet alte Schätze in der Weser An den nächsten Ort erinnert ein Denkmal an der Straße Und nur zwei, drei Fahrminuten von dem kleinen Parkplatz (vier bis fünf Plätze direkt entlang der Straße) nahe dem Staumauermodell entfernt liegt linker Hand ein weiterer, größerer Parkplatz über mehrere Ebenen (mit Parkgebühren): Von dort geht’s zum &bdquo;Edersee-Atlantis“, auf das ein Denkmal an der Straße oberhalb des ehemaligen Dorfes hinweist. &bdquo;Zur Erinnerung an das Dorf Berich, 1196 gegründet, 1914 vom Edersee überflutet“, ist dort zu lesen. &bdquo;Edersee-Altlantis“, so wird dieser eine von drei Orten mit insgesamt 900 Menschen genannt, die wegen des Baus der Edertalsperre umgesiedelt wurden und im Original versanken. Es geht zu Fuß auf einem Schotterpfad die steile Böschung hinunter zu den Spuren der Gebäude, die nun weit oberhalb des derzeitigen Seepegels liegen. Wohnhaus und Wirtschaftsgebäude der Familie Heinrich Knüppel Das Areal ist frei zugänglich und kann erwandert und entdeckt werden. Ein Teilbereich direkt an der Kante ist allerdings wegen Absturzgefahr mit Bauzäunen abgesperrt worden. Das Fahrgastschiff &bdquo;Edersee“ fährt langsam entlang dieses Steilufers, so das man den Bereich als Besucher der Region auch von See-Seite betrachten kann. Oben an Land in den Resten des Dorfes Berich gibt es nicht nur die von Besuchern aufgetürmten Steinmännchen. Dort kann man auch die (zum Teil aufgemauerten) Grundmauern und die Bodenflächen der Häuser sowie einige Wege noch gut erkennen. Dazwischen wächst frisches Grün. Wohnhaus und Wirtschaftsgebäude der Familie Heinrich Knüppel (Landwirt) lagen hier, erfährt der Besucher auf Metallschildern an einer Stelle. Ein seltsames Gefühl ist es, nun ins Innere der Gebäudereste zu gehen. Und dann geht der Blick über den See in die Weite: Auf Menschen, die an den wie Treppenstufen um die Steilufer laufenden, regelmäßig geformten Spuren der jeweiligen Wasserstände herumlaufen. Die normalerweise metertief unter Wasser stehen. Warum der Edersee gebaut wurde Die Pläne für den Edersee entstanden ab 1906, als man so die Schifffahrt unter anderem auf der Weser und dem Mittellandkanal stützen wollte. 1909 begannen die Bauarbeiten, die Anfang 1914 fertig waren. Die offizielle Eröffnung – selbst der Kaiser hatte sich angekündigt – fiel dann in den Beginn des Ersten Weltkriegs. Deshalb gab es nur ein – wie man heute neudeutsch so schön sagt – &bdquo;silent Opening“.

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