„Wir werden auch Gläubige verlieren“ –Höxteraner Geistliche ordnen Reform ein

Kreis Höxter. Nach der Ankündigung im April, das Erzbistum umstrukturieren zu wollen, ist Erzbischof Udo Markus Bentz bisher Details schuldig geblieben, was wiederum zu Spekulationen einlädt. Klar ist aber, dass sich etwas verändern wird. Wo der Fokus liegen könnte und wie Kirche ihren Stellenwert nicht nur behalten, sondern vielleicht verbessern kann, erklären zwei Pfarrer, die die Auswirkungen der Reform schon zu spüren bekommen, bevor sie überhaupt richtig da ist. Zunächst ist da Pastor Tobias Spittmann – noch einhundertprozentig beim Pastoralverbund Corvey. Ab August jedoch werden sich 50 Prozent seiner seelsorgerischen Tätigkeit an den Schulen der Brede in Brakel abspielen. Denn in Corvey muss eine Stelle eingespart werden. &bdquo;Das Erzbistum will wieder stärker an Jugendliche herantreten“, sagt Spittmann. Und wo ginge das besser als an einem Ort, an dem es vor Kindern und Jugendlichen nur so wimmelt? &bdquo;Es ist dem Erzbischof unglaublich wichtig, dass die erzbischöflichen Schulen gestärkt werden“, erklärt Spittmann weiter. Sie sollten zu Orten werden, &bdquo;wo Glaube erlebt und gelebt“ wird. Denn Kinder und Jugendliche sind die Gläubigen von morgen – oder eben auch nicht. Tobias Spittmann, Diplom-Theologe und -Religionspädagoge, sagt, er arbeite gern mit Jugendlichen: &bdquo;Ich kümmere mich auch hier um die Messdiener.“ Einerseits lernen die Kinder und Jugendlichen, was sie für die Liturgie benötigen. &bdquo;Aber durch das Arbeiten auf Augenhöhe kommt man auch ins Gespräch über Glaubensfragen“, erklärt Spittmann. Kontakt zu Gläubigen ist das A und O Denn, betont der Pastor, Jugendliche stellten sich durchaus Lebens- und Glaubensfragen. &bdquo;Zum Beispiel, wenn Großeltern sterben oder jemand in der Familie schwer erkrankt ist.“ Situationen, in denen &bdquo;Sinnfragen gestellt werden“. Dann kann, dann soll Religion, der Glaube an Gott, Antworten geben und trösten. Doch damit das geschehen kann, braucht zuvor bereits einen Kontakt zum Glauben oder zur Kirche. &bdquo;Um ins Gespräch zu kommen, brauchen die Jugendlichen einen Raum, ein Gesicht“, erklärt Spittmann. Lesen Sie auch: Umstrukturierung im Kreis Höxter: Kirchengemeinden stellen sich neu auf Diesen Rahmen liefert er bereits beim Messdienerunterricht oder bei Freizeiten und will ihn auch künftig an den Schulen der Brede in Brakel bereitstellen. &bdquo;Die Schule bietet hier mit dem Haus Ruth gute Voraussetzungen“, erklärt er. Geradezu &bdquo;Luxus“. In dem von den Schulgebäuden abge-trennten Haus wird die Seelsorge gemeinsam mit der Schulsozialarbeit untergebracht werden. &bdquo;Ein Schutzraum“, sagt Spittmann, der nicht planmäßig unterrichten wird. Um nicht in die Verlegenheit zu kommen, Schülerinnen und Schüler benoten zu müssen. Denn das könnte Vertrauensverhältnisse beschädigen. Vereinzelte Vertretungsstunden seien aber denkbar. Einige Gemeinden in Höxter wird es nach der Reform nicht mehr geben Jugendliche, die den Glauben und die Kirche als sinnstiftend und tröstend wahrnehmen, werden auch im Erwachsenenalter eine enge Beziehung dazu haben – das könnte eine Hoffnung des Erzbistums sein. Aber fänden sie dann überhaupt noch eine Kirche in ihrem Ort vor? Aus 98 Pastoralen Räumen im Erzbistum Paderborn sollen 25 Seelsorgeräume werden, jeder mit einer bis maximal drei Pfarreien. Ein Mathediplom ist sicher nicht nötig, um grob zu überschlagen, dass Bezirke größer und Pfarreien weniger werden. &bdquo;St. Nicolai ist betroffen und auch St. Peter und Paul wird es irgendwann nicht mehr geben“, prophezeit Pastor Frank Grunze. Wie wollen die Geistlichen da Kontakt zu den Menschen halten? &bdquo;Die Qualität der Kontakte ist wichtig“, sagt Tobias Spittmann, &bdquo;mit einem Werktagsgottesdienst auf dem Dorf ist es nicht getan und dann fährt man eine halbe Stunde später wieder. Da baut sich kein Kontakt auf.“ Der Hintergrund: Weniger Mitglieder und Personal: Große Umstrukturierung beim Erzbistum Paderborn Wie sich die Beziehung zu den Gläubigen verändert hat Stattdessen wird wohl Flexibilität gefragt sein. Von allen Beteiligten. Spittmann geht davon aus, dass Kirche künftig an &bdquo;zentralen Orten mit verlässlichem Programm“ stattfinden werde. Dazu häufiger digital. Und manchmal auch ökumenisch. Pastor Frank Grunze, der ab August halb im Pastoralverbund Corvey, halb im Pastroralteam der Pfarrei Heiligste Dreifaltigkeit Beverungen arbeiten wird, betont außerdem, dass das Verhältnis von Pastor zu Gemeinde bereits verändert ist. Früher, vor 40 Jahren vielleicht, habe der Pastor kein Gespräch führen müssen, wenn eine Person starb. Er habe alles bereits gewusst. Da er die Kinder getraut, die Enkel getauft habe. Geistliche im Kreis Höxter stellen sich auf Kirchen-Austritte ein Das ist heute anders. Und doch: &bdquo;Das Vertrauen, das uns allen entgegengebracht wird, ist trotz allem groß“, beschreibt Grunze. &bdquo;Wenn man einfach zuhört, was einem alles anvertraut wird. Die Leute öffnen sich.“ Auch interessant: Beverunger Katholiken hinterfragen ihren Gebäudebestand Zuhören, beistehen, klassische Formen von Seelsorge. Für die soll und muss in einem reformierten Erzbistum mehr Raum und vor allem mehr Zeit sein. Geistliche sollen deshalb um andere nicht-seelsorgerische Tätigkeiten entlastet werden. Verwalterische Aufgaben etwa. Ein großer Wandel steht bevor. Eine Revolution im Erzbistum Paderborn. Gleichwohl nicht völliges Neuland für die Kirche als solche, so hat zum Beispiel das Bistum Essen bereits vor Jahren sein Gebiet ähnlich umstrukturiert. Nicht ohne Verluste. Darauf sind auch Spittmann und Grunze vorbereitet. &bdquo;Wir werden auch einige Gläubige verlieren“, sagt Frank Grunze.

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