Menschen im Kreis Höxter erinnern an Auschwitz-Befreiung

Kreis Höxter. Es gibt Tage, die man nicht vergisst. Und es gibt Bilder, die man nicht mehr aus dem Kopf bekommt: &bdquo;Dahinter standen Hunderte Menschen und schauten auf unsere Soldaten. Sie hatten Angst in den Augen, sie wussten nicht, dass es sowjetische Soldaten waren, dass es Befreier waren“: Der russische Kameramann Alexander Woronzow war bei der Befreiung der Arbeits- und Vernichtungslager von Auschwitz am 27. Januar 1945 dabei. &bdquo;Was ich dort gesehen und gefilmt habe, war das Schrecklichste, was ich während des Krieges je gesehen und aufgenommen habe“, berichtete Woronzow Jahrzehnte später. Zum 80. Jahrestag dieser Befreiung durch die 60. Armee der Sowjetunion gibt es Gedenken am 27. Januar. International 2005 von den Vereinten Nationen ins Leben gerufen, in Deutschland schon 1996 von Bundespräsident Roman Herzog erklärt. Und zwar überall in Deutschland, vom Bundeskanzler bis zu Schülern. Wie auch in Höxter, wo Eva Greipel-Werbeck für das Forum Jacob Pins diese Veranstaltung organisiert. Oberstufen-Schülerinnen und Schüler des KWG haben sich mit vier Personen beschäftigt, nach denen Straßen in Höxter benannt wurden und die den Nazis nahestanden oder mit ihnen sympathisierten: Agnes Miegel, Heinrich Sohnrey, Ludwig Eichholz und Paul von Hindenburg. Und dazu recherchiert. Das hätten sie ohne diesen Gedenktermin und ihren Auftrag dazu vermutlich nicht getan. &bdquo;Wie hätte ich mich damals verhalten?“ Lesen Sie auch: Straßennamen mit Nazi-Vergangenheit: Bürger in Höxter sollen mitentscheiden Das war der Anstoß dafür, sich mit dem Thema zu befassen Eine Frage, die sich sicherlich nicht nur die jungen Leute gestellt haben. Aber, sagt Eva Greipel-Werbeck, es gehe schließlich mit dem Wissen und der Kenntnis von den Nazi-Verbrechen und dem Holocaust darum, heutige Dinge, heutiges Handeln und damit auch sich selbst immer wieder zu hinterfragen. Dem stimmt Fritz Ostkämper zu. Für ihn war der 1963 beginnende Auschwitz-Prozess im Frankfurter Römer, waren die Ermittlungen des Schriftstellers und Dramatikers Peter Weiss, die zum Theaterstück &bdquo;Die Ermittlung“ 1965 führten, Anstoß dafür, sich mit der Geschichte und ihren Folgen für die Menschen zu beschäftigen. Als der 1979 nach Höxter kam, war da nichts. Noch nichts. Keine Aufarbeitung. Noch bis Mitte der 1980er-Jahre sei in Höxter dazu nichts passiert“, erinnert er sich. Besuche von Jacob Pins in Höxter Aus der sich Anfang der 1980er-Jahre formierenden Friedensbewegung, aus der Erinnerung an 50 Jahre Pogromnacht, aus der alternativen Stadtführung und dem Buch von Ernst Würzburger (gestorben im Vorjahr) habe sich die Stadt an die Aufarbeitung der schwarzen Jahre gemacht. Daraus entstanden nicht nur Ausstellungen und Gedenktafeln, Besuche von Ralph Giordano und Jacob Pins in seiner Heimatstadt. Daraus wuchs schließlich mit Pins’s Ankündigung einer Stiftung das Jacob-Pins-Forum mit seinem Bilder-Nachlass und der von Ostkämper recherchierten Lebensgeschichten der Höxteraner Juden. Heute gehört dieser Teil der Geschichte zu Höxter, ist mittendrin, wird von engagierten Menschen getragen und unterstützt. Aber noch Anfang der 1990er-Jahre erhielt Ostkämper &bdquo;einen bösen Nazi-Brief“, wie er selbst sagt. Passend zum Thema: Eine unbeirrbare Stimme für Freiheit und Demokratie aus Höxter ist verstummt 2006 findet die erste Gedenkveranstaltung statt Mit aufgeklebten SS-Runen darauf und der Anrede &bdquo;Hallo, Sie Judenfreund“. Der landete bei der Polizei. 2006, so erinnert er sich, habe dann die erste Veranstaltung zum Auschwitz-Gedenktag stattgefunden. Damals noch im Berufskolleg. Apropos Gedenken: Ist das denn auch nach 80 Jahren noch immer wichtig? &bdquo;Ja“, sagt Eva Greipel-Werbeck ohne Zögern. Gerade vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen und dem Rechtsruck der Gesellschaft. Gerade vor dem Hintergrund von zwei wichtigen Wahlen in Deutschland in diesem Jahr: &bdquo;Es ist das Allerwichtigste, über die Geschichte unseres Landes informiert zu sein – vor und nach 1945.“ Schon in der Schule viel über den NS-Staat erfahren Daraus, so betont die Höxteranerin, daraus ergäben sich schließlich die Grundlagen unseres demokratischen Staates – &bdquo;als ein humanitärer Staat, der die Menschenrechte achtet. Basis unseres Selbstverständnisses“, sagt die Frau, die selbst aus diesem Interesse Geschichte studiert hat. Weil sie schon in der Schule viel erfahren habe über den Nationalsozialismus und seine Verbrechen. Weil sie in eine Familie hineingeboren worden sei, die die Erinnerungen weitergeben wollte. &bdquo;Da sind 80 Jahre gar nicht so lange.“ Heute gehe es um Verantwortung. &bdquo;Wie wir, wie unser Leben das Land beeinflussen kann. Und das kann jeder Einzelne von uns. Wie wichtig es ist, dass man sich für eine demokratische Partei entscheidet.“ Auch lesenswert: Holocaust-Erinnerungskultur im Kreis Höxter: Gemeinsam gegen das Vergessen Wie fest verankert das Gedenken heute ist Fritz Ostkämper ergänzt, dass vor allem junge Menschen dieses Gedenken erfahren sollten. Er selbst sieht es mittlerweile in der Gesellschaft fest verankert. &bdquo;Als in Höxter wegen der Bauarbeiten vor der Landesgartenschau Stolpersteine herausgenommen werden mussten, bin ich mehrfach von Menschen angesprochen worden, dass schon wieder Stolpersteine verschwunden seien. Die wurden nachher natürlich wieder verlegt. Aber das zeigt, die Menschen nehmen das wahr, es hat für sie Bedeutung.“ Und Ostkämper betont: &bdquo;Es ist angesichts der Weltentwicklung wichtig, dass Demokraten aufstehen und zeigen: Das darf nie wieder passieren.“

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