Angestellter stiehlt 1.400 Liter Diesel bei Baufirma im Kreis Höxter

Kreis Höxter. Das Unternehmen, in dem Bernd M. (Name geändert) arbeitet, setzt viele Baumaschinen ein. Damit die Bagger und Lkw einsatzbereit sind, sollten die Kollegen sie morgens vollgetankt vorfinden. Das ist eine von Bernd M.s Aufgaben. Er beginnt seinen Dienst also damit, die Maschinen und Fahrzeuge mit Diesel zu versorgen. Das war auch schon 2022 so – allerdings machte er damals immer mal wieder seltsame Beobachtungen. &bdquo;In dem Zeitraum standen immer mal wieder Tankdeckel offen, mal bei einer Maschine, mal bei mehreren“, erinnert sich M. Jemand stahl Diesel aus den Eingeweiden der Fahrzeuge. &bdquo;Die Spritmengen, die fehlten, waren schon erheblich.“ Wenn auch nicht genau bezifferbar. Nachdem sich derlei Vorfälle häufen, werden auf dem Firmengelände Überwachungskameras installiert. Doch mal funktionieren die nicht, mal hängen sie nicht richtig, mal sind die Maschinen, die die Linsen im Fokus haben sollen, nicht vernünftig, also im toten Winkel, abgestellt. An den Tankdeckeln werden Schlösser angebracht. &bdquo;Morgens lagen die daneben, es war nichts aufgebrochen“, schildert der Zeuge dem Amtsgericht Höxter. 2 Euro für den Liter Diesel Gegen Ende des Jahres schließlich wird eine Kamera auf den Dieb angesetzt, die Bernd M. eine Nachricht aufs Handy sendet, wenn sich nach Feierabend auf dem Firmengelände etwas tut. Am späten Abend des ersten Weihnachtsfeiertags 2022 registriert sie Bewegungen, wo alles still wie der See ruhen sollte. Chef und Polizei werden informiert. Letztere schickt Beamte zum Firmengelände, das just in diesem Moment ein VW Passat verlassen will. Und an dessen Steuer: André P., damals 23 Jahre alt, ein Angestellter des Unternehmens. Zwei Jahre später sitzt der nicht mehr in seinem Passat, sondern auf der Anklagebank des Amtsgerichts Höxter. Und mit ihm drei junge Burschen, die abwechselnd Schmiere standen, wenn André P. sein Auto auf dem Firmengelände &bdquo;tankte“. Das Geld sei knapp gewesen. Und die Spritpreise waren 2022 auf einem Rekordhoch. Der Liter Diesel kostete gern 2 Euro. Verwirrung um die Größe der Kanister Das erste Mal zapfte André P. im März den Fuhrpark der Firma an. Als Komplizen hat sich der Bad Driburger Emre Ü. ausgesucht. Der ist damals 15 Jahre alt und kifft gerne und viel. Zum Leidwesen der Eltern. Sie finanzieren ihn, kaufen ihm Schuhe, Kleidung, Zigaretten, nur Bares gibt es nicht. Denn das würde, so ihre Sorge, in Joints umgesetzt. &bdquo;Ich habe André P. beim Tragen geholfen“, schildert Emre Ü. Viermal insgesamt sei er mit P. zu dessen Arbeitsstätte gefahren, um zu &bdquo;tanken“. Es seien &bdquo;große Kanister“ gewesen, die P. befüllt habe. &bdquo;Da passten vielleicht 60 Liter rein, meine grobe Einschätzung.“ &bdquo;60 Liter sind 60 Kilo“, wirft Ü.s Verteidiger ein. &bdquo;Zeigen Sie mal, wie groß der war“, fordert die Richterin den Angeklagten auf. Emre Ü. fährt die unsichtbaren Konturen eines koffergroßen Gegenstands nach. &bdquo;Das kommt schon hin“, meint die Richterin. Der Verteidiger sieht das anders und arbeitet sich von Klein nach Groß: &bdquo;Das ist ein kleiner Fünf-Liter-Kanister“, sagt er und steckt imaginären Raum mit den Händen ab: &bdquo;So viel wie eine Handtasche.“ – &bdquo;Eine kleine Handtasche.“ Die beiden anderen Komplizen des Bad Driburgers Auch Tobias F. hat André P. viermal begleitet. &bdquo;Ich bin davon ausgegangen, dass wir einfach rumfahren“, erklärt er dem Gericht, auch er war zum Tatzeitpunkt 15 bis 16 Jahre alt. &bdquo;Ich ging von einem Wir-treffen-uns-einfach aus.“ Ein bisschen Rumhängen, Quatschen. Doch so gestalteten sich die Abende nicht. &bdquo;Ich war eher so der Lauf- und Aufpassbursche“, sagt F., &bdquo;ich hab gewartet und aufgepasst, ob was kommt, und am Ende habe ich die Kanister geschleppt, zwei kleinere, die voll gefüllt waren, und zwei größere, die nicht randvoll, aber schon recht voll waren.“ Lesen Sie auch: Frust über hohe Spritpreise im Kreis Höxter &bdquo;Es waren zweimal 25 Liter und zweimal 15 Liter“, sagt Mattheo B. &bdquo;Ich arbeite oft mit solchen Kanistern, ich weiß genau, was da reingeht.“ Er ist der dritte und letzte Mitangeklagte. Sechsmal rund um seinen 17. Geburtstag im Juli 2022 fährt er mit André P. zur Firma. Macht insgesamt 14 Trips zur illegalen Tankstelle. Beim 15. Mal, am 25. Dezember, ist P. allein. Naja, zumindest so lange, bis die Polizei ihm Gesellschaft leistet. Verfahren gegen einen Angeklagten eingestellt Da alle zugeben, Sprit per Schlauch angesaugt, abgezapft, verkanistert, geschleppt und getankt zu haben, geht es für das Schöffengericht nun vor allem darum, wie das Quartett zu bestrafen ist. Für Tobias F. ist die Sache schnell geregelt. Der Höxteraner ist nicht vorbestraft, das Verfahren wird eingestellt. Mit seinen Eltern, die sich die Verhandlung angesehen hatten, fährt er womöglich nach Hause. Die Zuschauerplätze sind nun leer. Angeklagter macht Drogen-Entzug in der Türkei Emre Ü.s Anwalt versucht, ein ähnliches Ergebnis für seinen Mandanten zu erreichen, beißt bei der Staatsanwältin aber auf Granit. Im Gegensatz zu Tobias F. hat Emre Ü. nämlich schon das eine oder andere kleine Problem mit dem Gesetz gehabt. Zuletzt hatte er Kopfhörer online als angebliche Markenware angeboten, im vollen Wissen, dass das Apfelsymbol nicht echt war. Obwohl die letzte Verurteilung nicht lange zurückliegt, will der Brakeler sich verändert haben. 15.000 Euro hätten seine Eltern bezahlt, um ihn zwei Monate in einer Privatklinik in der Türkei zu entgiften. &bdquo;Ich hatte dort keinen Kontakt zur Außenwelt und es gab strenge Kontrollen“, berichtet Ü., der den Entzug vom Cannabis &bdquo;zum Glück“ durchgezogen habe. Ein Mitangeklagter zittert besonders Seit er wieder in Deutschland sei, kiffe er nur noch ab und an. &bdquo;Wenn mir am Wochenende einer was anbietet, sage ich nicht nein“, erklärt er. Süchtig sei er aber nicht, und könne jederzeit aufhören. &bdquo;Früher war das Cannabis Herr über mich, jetzt habe ich das Cannabis im Griff.“ Er bekommt 50 Sozialstunden aufgebrummt. Die Auflage, zur Suchtberatung zu gehen, hatte nämlich schon seine letzte Richterin verhängt. Mattheo B. muss zittern. Seit frühesten Jahren vom Jugendamt mehrfach in Obhut genommen, von einer Jugendhilfeeinrichtung zur anderen verschoben, mittlerweile ohne Kontakt zu seinen Eltern, die beide neue Familien gründeten, hat er nicht nur im Leben die ungünstigsten Voraussetzungen, sondern auch vor Gericht. Wegen seines Vorstrafenregisters und besonders wegen seiner Jugendvorstrafe. Läuft es für ihn schlecht, könnte die Bewährung widerrufen, oder das damalige Urteil in die neue Strafe einbezogen werden. Diebe zahlen Diesel zurück Doch Mattheo B. hat sich zusammengerissen. Seit Spätsommer 2022 hat er nichts mehr ausgefressen. Stattdessen hat er angepackt, gearbeitet, das hat er immer. Jetzt arbeitet er sogar langsam an seinen Schwächen: Briefeöffnen zum Beispiel. Auch wenn noch nicht alles perfekt läuft – da kann doch jetzt keine schlimme Strafe dazwischen kommen? Das Gericht erlöst ihn. 500 Euro soll er der Verkehrswacht spenden und eine Schuldnerberatung aufsuchen. Bleibt der Haupttäter. André P. darf nicht auf solche Milde hoffen. Allerdings hat er früh gestanden, sich bereits 2023 entschuldigt und um finanzielle Wiedergutmachung bemüht. Er erhält eine zehnmonatige Freiheitsstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt wird. Denn P.s Zentralregister ist blütenweiß. Außerdem soll er 1.000 an eine gemeinnützige Einrichtung bezahlen. Gericht und Rechtsanwälte haben berechnet, dass André P. bei seinen 15 Tankfahrten rund 1.460 Liter Diesel gestohlen haben muss. Multipliziert mit dem damaligen Einkaufspreis eines Liters macht das einen Schaden von rund 2.360 Euro, die die vier Angeklagten anteilig zurückzahlen. André P. hat die 1.460 Euro in bar dabei. Tobias F. und Emre Ü. sollen jeweils 250 Euro zahlen. Mattheo B. muss 400 Euro überweisen.

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