Tsunami vor 20 Jahren: Diese beiden Ärzte aus dem Kreis Höxter haben geholfen

Kreis Höxter. Der Driburger Kinderarzt Gerd Broer würde es jederzeit wieder tun: Alles stehen und liegen lassen, um in einer unvorstellbar großen Katastrophe den Überlebenden zu helfen – allen voran den Kindern. Unvorstellbar groß war die Tsunami-Katastrophe an Weihnachten 2004. Die Zahl von rund 230.000 Toten ist kaum greifbar. Im Einsatz kurz nach Erdbeben und Flutwelle waren auch Chirurg und Hausarzt Dr. Meroan Salloum und Kinderarzt Gerd Broer. Das miterlebte Leid und die Bilder sind auch nach 20 Jahren immer noch präsent, erzählt Broer. &bdquo;Das hatte es in diesem Ausmaß zuvor noch nie gegeben“. Die Initiative, ins Unglücksgebiet zu reisen, um zu helfen, ging vom Round Table Griechenland mit großer Unterstützung vom Round Table Höxter-Holzminden aus. Dort hatte jemand kurzfristig ein medizinisches Team zusammengestellt. Dank der weltweiten Vernetzung der Vereinigung erreichte die Anfrage auch Deutschland – drei Ärzte, darunter die beiden aus dem Kreis Höxter, waren sofort zur Hilfe bereit. Im Gepäck: viel Spendengeld aus der Region, vornehmlich vom Beverunger/Lauenförder Aktionsbündnis Asienhilfe und dem Lions-Club Höxter. Die Reisekosten haben die Ärzte damals selbst getragen. Lesen Sie auch: Nach Tsunami: Wie die Hikkaduwa-Hilfe in Warburg beim Wiederaufbau unterstützte Die Gruppe aus dem Kreis Höxter ahnte nicht, was sie erwartete Vom St.-Josef-Krankenhaus in Bad Driburg hatte Dr. Salloum zudem Instrumente, Medikamente und Infusionslösungen bekommen, damit er vor Ort wenigstens operieren konnte. Was auf sie zukommen würde, ahnte die Gruppe im Januar 2005 trotz der dramatischen Bilder aus den ersten Katastrophentagen noch nicht. Erste Station des interdisziplinären Ärzte-Teams, zu dem auch der Internist Dr. Oliver Bernas aus Göppingen gehörte, war Chennai-Madras an der Südostküste in Indien. Gemeinsam mit zwei indischen Kollegen behandelten sie Patienten der zerstörten Küstendörfer von Madras. Schnell sprach sich die Anwesenheit der Mediziner herum. 1.200 Patienten wollten Hilfe. &bdquo;Wir brauchten den Schutz und die Hilfe vom Militär, um nicht überlaufen zu werden“, erinnert sich Broer. Zwei Tage fast ohne Pause wurde gearbeitet Und trotz des Ansturms galt es, Ruhe zu bewahren. &bdquo;Es ging nur einer nach dem anderen“, sagt Broer. Zwei Tage fast ohne Pause kümmerten sie sich im Camp in Notchikuppam – Marina Beach um die Patienten. Unterstützt von einem Team von Krankenschwestern vor Ort sowie Übersetzern. Vor allem um Lungenentzündungen aufgrund eingeatmeten Salzwassers, Wundinfekte mit Abszessen, Infekte an Amputationsstümpfen, Schnittwunden, Kinder mit Dehydratation aufgrund Durchfallerkrankungen, unversorgte Knochenbrüche, Kleinkinder im Mangelschock, Prellungen und Quetschungen. Operiert wurde im &bdquo;hellen“ Schein einer Taschenlampe. Aber auch mit Typhus kamen die Menschen. Die Helfer aus dem Kreis Höxter haben viel Zerstörung gesehen &bdquo;Das hatte ich vorher noch nie gesehen“, gesteht Broer. Zwei Tage später ging es weiter in den indischen Süden nach Pondicherry, wo das Team weitere medizinische Einrichtungen, eine Bootswerft und mehrere Schulen besuchten, die von Round-Table-Freunden unterstützt wurden. &bdquo;Wir haben dabei unterwegs viel Zerstörung gesehen“, blickt Broer zurück. Was ihn am meisten berührte, aber auch verstörte: &bdquo;An den Stränden waren Stellwände mit Bildern von Leichen aufgestellt, die angeschwemmt worden waren, die aber noch niemand identifiziert hatte“, erzählt der Mediziner. Damit bekam die große Zahl der Toten plötzlich Gesichter. Es sollte noch schlimmer kommen – denn der zweite Teil der Reise führte die Mediziner nach Sri Lanka, wo die Zerstörung und das Leid ungleich größer waren. Die Küstenregion wirkte wie nach einem Atomkrieg Auf der Fahrt in den Südwesten der Insel nach Unawatuna wirkte die komplette Küstenregion &bdquo;wie nach einem Atomkrieg, Boote stehen abstrakt in der Landschaft, ein völlig zerstörter Zug dient als Notunterkunft für Hunderte Obdachlose“, schilderte Meroan Salloum seine Erinnerungen bereits vor zehn Jahren. Die Überlebenden hausten in den Trümmern. Ein medizinisches Camp war gerade aufgebaut worden, auch um die Versorgung mit Essen und Trinken sicherzustellen. An den Zug kann sich auch Gerd Broer noch heute sehr deutlich erinnern. Er war aus den Gleisen gerissen worden, zwei Waggons hatte das Meer mitgerissen. Für die Mediziner gab es unglaublich viel zu tun Allein an diesem Ort starben 3.500 Menschen. &bdquo;Alles lag noch so da“, erinnert sich Broer. Heute steht einer der Waggons im Tsunami-Museum in Sri Lanka. Auch in Unawatuna gab es für die Mediziner unglaublich viel zu tun. &bdquo;Die Menschen schrien nach medizinischer Hilfe“, schildert der Kinderarzt. Gleichwohl hätten auch viele Menschen schwere Traumata erlitten und psychosomatische Beschwerden gehabt. Gerade auch die Kinder, sagt Gerd Broer. Da helfen Medizin und Verbände nicht weiter. Dennoch überließen die Ärzte aus Höxter und Beverungen die Restbestände ihrer medizinischen Ausrüstung in diesem Camp. Auch interessant: Warum für Tsunami-Opfer die Hilfe aus Warburg endet Viele Kinder waren stark traumatisiert Es war aber weniger die Zerstörung, die den Medizinern im Gedächtnis blieb. &bdquo;Am schlimmsten in Erinnerung geblieben ist die Traurigkeit der Kinder, die teilweise stark traumatisiert waren“, berichtete Meroan Salloum vor zehn Jahren. Die Unterstützung beschränkte sich nicht nur auf die medizinische Soforthilfe. Ziel war es auch, passende Projekte für den sinnvollen und vor allem nachhaltigen Einsatz der Spendenprojekte zu finden. Durch Spenden des Beverunger/Lauenförder Aktionsbündnisses Asienhilfe und des Lions-Clubs Höxter konnten ein Stockwerk einer Gehörlosenschule in Indien und eine Schule in Sri Lanka mitfinanziert werden. &bdquo;Das war uns wichtig. Schulen deshalb, damit vor allem den Kindern relativ schnell wieder Alltag und Struktur ermöglicht werden kann“, erklärt Broer die Entscheidung. Auch die Stadt Beverungen hatte Projekte finanziert Viel Geld für diese Projekte stammte auch von der Stadt Beverungen. Danach gab es Kontakte und Verbindungen in die Region, vor allem durch die Initiative der Höxteranerin Eva Hysky, die kurz vor dem Tsunami in der Region Urlaub machte und auch ein eigenes Flut-Hilfe-Projekt initiiert hatte. Die engagierte Höxteranerin starb jedoch Ende 2005 bei einem tragischen Unfall im Alter von nur 42 Jahren. Dennoch bleiben Erfahrungen und Eindrücke. &bdquo;Die Erinnerung besteht vor allem darin, dass man sich immer wieder bewusst macht, dass es Naturkatastrophen unvorstellbaren Ausmaßes gibt, mit denen man nicht rechnet und die jederzeit kommen können“, sagt Broer. Warum Sicherheit nur trügerisch sein kann Positiv bewertet er, dass die Staatengemeinschaft aus der Erdbeben- und Tsunami-Katastrophe auch gelernt hat und ein Frühwarnsystem aufgebaut hat. Es sei allerdings nur eine vermeintliche Sicherheit – denn Erdbeben und Tsunami selbst lassen sich nicht verhindern. Passend zum Thema: Seebeben vor Nordkalifornien: Tsunami-Warnung aufgehoben

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