„Desaster“ nach Grafen-Urteil: Bad Driburg tut sich bei der Schuldfrage schwer

Bad Driburg. Es ist höchst spannend, wie unterschiedlich gestandene Politiker die Realitäten wahrnehmen und interpretieren. Ein besonderes Schauspiel bot dazu die Ratsdebatte um ein Urteil, in dem die Stadt Bad Driburg zur Zahlung von rund 950.000 Euro am Marcus Graf von Oeynhausen-Sierstorpff verurteilt wurde. Ohne, dass es eine Gegenleistung gibt. &bdquo;Das Urteil fällt vernichtend aus“, kommentierte der Grünen-Fraktionssprecher Bernd Blome, der auch von einem Desaster für die Stadt sprach und endlich eine neutrale Fehleranalyse einforderte. Das sah sein politisches Gegenüber, CDU-Fraktionschef Andreas Amstutz, völlig anders. &bdquo;Wir sind noch nicht an der Stelle, irgendwas analysieren zu können, weil am Ende des Tages muss erst abgerechnet werden“, entgegnete er. Mit der ersten Abrechnung begann Bad Driburgs Kämmerer Franz-Josef Koch dann ziemlich genau zwei Minuten und 50 Sekunden später. &bdquo;Wir sind verurteilt wurden, an den Kläger 153.781,25 Euro für die Jahre 2021, 2022 und 2023 zu zahlen.“ Die Rechnung ging noch weiter, so dass er am Ende den Stadtrat bat, sofort überplanmäßig 207.000 Euro freizugeben. Zinsen und Prozesskosten fehlen in der Rechnung noch &bdquo;Das sind aber nur die reinen Hauptkosten. Da sind noch keine Zinsen und keine Prozesskosten dabei“, ergänzte Koch. Die genaue Höhe könne er noch gar nicht sagen. Weil der Vertrag, um den es geht, auf 15 Jahre geschlossen ist, rechnen die Beteiligten damit, dass es ganz am Ende 950.000 Euro sein werden, die die Stadt an den Grafen zahlen muss. Für nichts. Lesen Sie auch: Urteil: Bad Driburg muss rund 950.000 Euro an Graf zahlen Denn ursprünglich wollte die Stadt dem Kurparkbetreiber mit der Vereinbarung die Zustimmung abkaufen, an der Wiesenquelle im Eggelandareal nach Mineralwasser bohren zu dürfen. Hintergrund: Auf vielen betreffenden Grundstücken liegt eine sogenannte Dienstbarkeit. Ein Verbot, das dortige Mineralwasser zu nutzen, weil es dem Unternehmen von Marcus Graf von Oeynhausen-Sierstorpff Konkurrenz machen würde. Bad Driburger Verwaltung prüft Grundbuch nicht Weil die Stadtverwaltung glaubte, dass auch das Wiesenquellengrundstück mit einem entsprechenden Bohrverbot belegt ist, schloss sie im März 2021 eine Vereinbarung mit dem Grafen und verpflichtete sich zur Zahlung von jährlich 50.000 Euro nebst Inflationssteigerung. Das Problem: Es gibt diese Dienstbarkeit für das Grundstück gar nicht. Geprüft hatten das weder die Stadtverwaltung, noch die mit der Kontrolle der Vertragsdetails beauftragte Anwaltskanzlei Brandi. Auch weil die Stadt nach Bekanntwerden des Fehlers noch lange zögerte, den Vertrag anzufechten, verurteilte das Landgericht die Stadt zur vollständigen Zahlung. Obwohl der Summe keine Gegenleistung gegenüber steht. Und der erste große Batzen wird auch sofort fällig, auch wenn Stadt und Anwälte die Urteilsbegründung noch prüfen. Während also die juristische Aufarbeitung noch andauert, wollten zumindest die Grünen schon mal mit der politischen Aufarbeitung beginnen und warfen der CDU sachlich aber deutlich vor, sich dieser Fehleranalyse völlig zu verweigern. Grüne machen drei Kardinal-Fehler aus Grünen-Sprecher Bernd Blome identifizierte zunächst drei Fehler. Den ersten habe der Stadtrat am Anfang selbst gemacht: &bdquo;Kein Mensch benötigt für ein Tretbecken und einen – bis heute nicht existierenden – Trinkwasserspender eine eigene Quelle. Absolut niemand. Die Mehrheit des Rates wollte aber genau das haben“, so Blome. Fehler zwei sei die mangelhafte Kontrolle der Verwaltung. &bdquo;Vor Vertragsunterzeichnung hätte geprüft werden müssen, ob überhaupt gezahlt werden muss. Ein einfacher Blick ins Grundbuch hätte hier helfen können. Das ist das tägliche Brot einer jeden Verwaltung. SPD und ÖDP haben es – ehrenamtlich nebenher – doch auch geschafft.“ Und auch den dritten Fehler kreidet er der Verwaltung an, etwas, das auch der Richter schon in der Verhandlung erwähnte. &bdquo;Der Vertrag hätte sofort, noch am gleichen Tag, angefochten werden müssen, als klar wurde, dass die Stadt nicht bezahlen muss. Nicht erst Wochen später“, so Blome. Stadt will erst Urteilsbegründung prüfen Er war aber noch nicht fertig. Die Schuld immer auf die anderen abschieben zu wollen, stehe &bdquo;weder der CDU noch dem Bürgermeister und erst recht nicht dem Beigeordneten, seines Zeichens Volljurist“, gut zu Gesicht. Die AfD forderte gar, Michael Scholle, der in Paderborn neben Bürgermeister Burkhard Deppe auf der Anklagebank saß, von seinem Posten als Beigeordneter zu entheben. Ihr wurde aber das Wort abgeschnitten. Der angesprochene Erste Beigeordneter und CDU-Bürgermeisterkandidat Michael Scholle wollte noch gar keine Bewertung des Urteils vornehmen, weil die Begründung noch geprüft werde. Er stellt nur in Aussicht, dass die Verwaltung in der November-Ratssitzung über weitere Schritte informieren werde. Lesen Sie auch: Gerichtsstreit mit Bad Driburger Graf eskaliert im Stadtrat Denn aktuell sei noch unklar, inwieweit die Anwaltskanzlei beziehungsweise deren Versicherung eine Mitschuld an der vergessenen Prüfung des Grundbuches eingesteht und ob sie einen Teil oder die kompletten Kosten übernimmt. Und diese juristische Nachbetrachtung will die CDU erst abwarten, in der Hoffnung, dass die Stadt finanziell glimpflich davon kommt. Bad Driburger müssen das Geld aufbringen Vorerst werden die Bad Driburger das Geld aus Steuern ihrer Bürger aufbringen müssen. Geld, das die Stadt eigentlich gar nicht hat und das an anderer Stelle viel dringender gebraucht wird. Während Bürgermeister Burkhard Deppe erkrankt fehlte, hörte Marcus Graf von Oeynhausen-Sierstorpff in der Ratssitzung sehr aufmerksam zu, wie über ihn gesprochen wurde. Kommentieren durfte er die Einlassungen nicht, auch als Grünen-Sprecher Bernd Blome seine &bdquo;bittere Erkenntnis“ preisgab, dass beim Geld die Freundschaft aufhöre. &bdquo;Herr von Oeynhausen ist juristisch zweifelsohne im Recht. Aber wäre hier ein Entgegenkommen nicht machbar und klüger gewesen? Schließlich profitiert er nur von Fehlern der Verwaltung und der Politik, ohne irgendeine Gegenleistung zu liefern.“

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