„Angriff auf die Demokratie“: Im Kreis Höxter werden immer mehr Wahlplakate beschädigt

Welche Wahlplakate werden an den Straßen aufgehängt (Beispiel Europawahl versus Kommunalwahl)? Fabian Lülff (CDU): Bei den Einzelwahlen (Europa-, Bund, Landtagswahlen) werden in der Regel weniger Plakate aufgehängt. Dies liegt in der Natur der Sache, dass dort neben den allgemeinen Themenplakaten dem Wähler ja auch nur ein einzelner Kandidat präsentiert wird. Bei der Kommunalwahl werden neben dem Landrat und Bürgermeistern auch immer noch Wahlkreiskandidaten für Stadt- und Kreistag beworben, hierdurch erhöht sich die Anzahl der Plakate erheblich. Im derzeitigen Wahlkampf haben wir – zusammen mit dem Bürgerentscheid – mehr als 2.500 Kleinplakate, etwa 20 Großflächen und 100 Banner im Einsatz, dazu kommen natürlich noch moderate Reserven für Zerstörungen und Beschädigungen. Julian Hördemann (SPD): Das ist größenabhängig. Als Kreisverband bestellen wir die Plakate für die SPD-Verbände in den Städten. Hiernach richtet sich die konkrete Anzahl der Plakate. Die SPD-Verbände hängen ihre Plakate ehrenamtlich auf, wir arbeiten nicht mit Dienstleistern zusammen. Im Europawahlkampf haben wir 22 Großflächenplakate aufgestellt. Die Großflächenplakate werden durch eine Firma aufgestellt und betreut. Ludger Roters (Grüne): Die Europawahl hat für uns Grüne denselben Stellenwert wie die Wahlen zum Bundestag, zum Landtag und zur Kommunalwahl. Deshalb sind wir auch bei allen Wahlen vergleichbar präsent. Der Unterschied besteht darin, dass es bei der Europawahl keine direkten Kandidatinnen und Kandidaten im Wahlkreis gibt. Somit haben wir jetzt also auch keine Plakate für solche lokalen Kandidaturen. Wie schwierig es ist, dafür Leute zu finden – auch im Kreis Höxter? Hördemann (SPD): Die Ortsvereine organisieren das meist eigenständig. Unsere Ortsvereine sind motiviert und couragiert. Selbstverständlich dämpft die allgemeine nervöse Stimmung im Umfeld von politischen Parteien das Engagement Ehrenamtlicher. Aber uns verbindet in der SPD die Einstellung, dass wir für Demokratie und freie Wahlen gerade auch in schwierigen Zeiten eintreten. Die Sozialdemokratie im Kreis Höxter ist heftigen Gegenwind seit Jahrzehnten gewohnt. Lülff (CDU): Aufgrund unserer Mitgliederstärke im ganzen Kreisgebiet können wir dank unserer fleißigen Helfer im Ehrenamt auf den Einsatz professioneller Aufsteller verzichten. Das zeigt Einsatz und spart erhebliche Kosten. Wenn die Menschen davon überzeugt sind, dass es wichtig ist, ist es auch nicht schwer Helfer zu finden. Unsere Mitgliedschaft leistet dabei eine herausragende Arbeit. Lediglich die Großflächenplakate werden, insbesondere aus Gründen der Verkehrssicherung der schweren Anlagen an den Straßen, durch professionelle Aufsteller aufgebaut und betreut. Roters (Grüne): Seit Jahren gehen wir dazu über, mehr mit Großflächenplakaten zu werben und weniger mit Laternenplakaten. Damit wollen wir an wenigen gut ausgewählten Stellen mit unseren Botschaften flächendeckend im Kreis sichtbar sein und verhindern gleichzeitig, den Wählerinnen und Wählern durch eine Dauerpräsenz auf die Nerven zu gehen. Das verringert gleichzeitig den Verbrauch an Ressourcen und ist auch vom Arbeitsaufwand her effektiver. Die Laternenplakate, die wir ergänzend verwenden, sind aus Pappe hergestellt und werden anschließend dem Altpapier zugeführt. Sie sind leichter aufzuhängen als früher die Träger mit Papierplakaten. Zudem entfällt das Kleistern. Wie oft müssen sie im Wahlkampf überkleben und wie häufig werden Plakate zerstört, beschmiert oder gestohlen? Roters (Grüne): Die Beschädigung oder Zerstörung von Plakaten hat im Rahmen der jetzigen Wahl bei uns im Vergleich zu den jüngsten Wahlen wieder zugenommen. Ich sehe da einen Zusammenhang zur jeweiligen Stimmung im Land unserer Partei gegenüber. In letzter Zeit haben die verbalen Angriffe und Anfeindungen in der öffentlichen Auseinandersetzung uns gegenüber deutlich zugenommen. Das schlägt sich nieder in einer vermehrten Aggression gegenüber unseren Plakaten. Bei den Laternenplakaten hilft, diese hoch und damit unerreichbar für Fußgänger aufzuhängen. Unsere wenigen Großflächenplakate sind demgegenüber empfindlichere Ziele. Wir melden die Beschädigungen und erstatten Anzeige. Tiefpunkt ist ein aktueller Fall in Beverungen: Dort wurde ein Großflächenplakat mit dem Inhalt einer Windel verunstaltet. Die Windel wurde gleich an Ort und Stelle liegengelassen. Lesen Sie auch: Wahlplakate in Höxter beschmiert - Staatsschutz ermittelt Hördemann (SPD): Nach ersten Beobachtungen nehmen diese Sachbeschädigungen zu. Wir sammeln gerade die Fälle in den Städten. Genaue Zahlen können wir aber nicht nennen. Wir bringen die Fälle zur Anzeige. Beschädigungen melden wir an den Staatsschutz nach Bielefeld. Vor dem Hintergrund der Angriffe auf Wahlkampfhelfende und Kandidierende ist unserer Meinung nach sofortiges Handeln erforderlich. Politische Hetze fängt bei beschmierten Wahlplakaten an und endet, wie geschehen, in politisch motivierten Angriffen. Wir verstehen das als Angriff auf unsere Demokratie, wenn Menschen beim Plakate-Aufhängen zusammengeschlagen werden. Wir nehmen den Ausbruch an Gewalt sehr ernst. Wir wollen Menschen schützen, die sich für unsere Demokratie einsetzen. Das gilt für ehrenamtlich engagierte genauso wie für hauptamtliche Politiker. Beschädigungen werden aus diesem Grund von uns unverzüglich zur Anzeige gebracht. Lülff (CDU): Die Großplakate werden extern professionell betreut und werden in der Regel dreimal überklebt, im Falle von Vandalismus so oft wie nötig. Wir verzeichnen im Kreis Höxter vereinzelt Angriffe auf unsere Plakate, die wir dem Staatsschutz natürlich zur Kenntnis bringen. Diese sind meistens kleinere Beschädigungen aus unbekanntem Motiv, in einigen Fällen ist durch Beschmieren oder Bekleben eine rechts- oder linksextreme Motivation allerdings zu vermuten. Diebstahl kommt sehr selten vor. Im Vergleich zu anderen Regionen hält sich der Vandalismus jedoch in Grenzen und beschränkt sich auf einzelne Gebiete, vermutlich fünf bis zehn Prozent der Plakate weisen nach den sechs Wochen, die sie hängen, Beschädigungen auf. Was kosten die Plakatkampagnen die Partei kreisweit und wie wird das finanziert (auch mit Blick auf 2025). Hördemann (SPD): Die SPD-Gelder beruhen zum großen Teil auf den Mitgliederbeiträgen und Spenden durch Mitglieder. Für den Europawahlkampf erhält der Kreisverband finanzielle Unterstützung von der SPD. Der Kommunalwahlkampf 2025 wird vom Kreisverband Höxter und den Ortsvereinen finanziert. Der Etat für 2025 ist noch nicht festgezurrt. Bitte sehen Sie es mir nach, wenn ich hier noch keine näheren Angaben machen kann. Lülff (CDU): Je nach Wahlkampf unterschiedlich, wegen der allgemeinen Teuerung stetig steigend. In der Regel machen die Plakatwerbungen bei uns etwa 20 Prozent der gesamten Wahlkampfkosten aus. Sämtliche Wahlkämpfe finanziert der Kreisverband der CDU durch seine eigenen Parteimittel, also durch Spenden und die Beiträge seiner Mitglieder. Roters (Grüne): Die Kosten für unsere Werbemaßnahmen tragen wir fast ausschließlich vor Ort durch den Kreisverband und den Ortsverband. Es gibt Rabatte durch die Bundespartei, außerdem haben Einzelpersonen die Möglichkeit, konkrete Werbemaßnahmen durch eine gezielte Spende zu finanzieren. Welche Bedeutung und welche Wirkung haben Wahlplakate an den Straßen nach Ansicht der Parteien überhaupt noch? Haben Social Media und Co. diese nicht längst abgelöst? Lülff (CDU): Wahlkämpfe finden schon seit langem intensiv in den sozialen Medien statt, hier kann man schnell und umfangreich informieren. Allerdings erreicht man dort nur diejenigen, die erstens die oder das spezielle sozialen Medium nutzen und zweitens in dem Medium der CDU auch folgen, zumindest wenn man keine teure Werbung schalten kann und/oder möchte. Im Wahlkampf ist es aber wichtig, alle Bürger zu erreichen, weswegen klassische Wahlkampfmittel wie Plakate, Infostände und Haustürflyer sowie Zeitungsanzeigen weiterhin von Bedeutung sein werden. Wir wollen, dass alle Menschen sehen, hören und lesen können, wen und warum sie wählen sollen. Hierzu bedarf es aller zur Verfügung stehenden Mittel. Die Schwierigkeit ist es dann, die begrenzten Ressourcen auf die einzelnen Mittel zu gewichten, Priorisierungen vorzunehmen, um mit den Geldern auszukommen. Hördemann (SPD): Wahlplakate wirken. Sie machen auf den demokratischen Wahlakt aufmerksam. Sie machen Gesichter bekannter. Hinweise, Ideen und Argumente werden über direkte Gespräche und Texte ausgetauscht. Durch Infostände sind wir vertreten und machen auf unsere politischen Ziele aufmerksam. Die direkte Kommunikation und die plakative Werbung werden über Social Media unterstützt, ergänzt, erweitert. Roters (Grüne): Plakate sind eine Werbeform unter vielen. Wir benutzen verschiedene Mittel, um für unsere Anliegen und für eine Stimmabgabe für unsere Partei zu werben. Dazu gehören auch Kinowerbung, Online-Werbung, gedruckte Anzeigen, ein Brief an die jüngsten Wählerinnen und Wähler und diverse gedruckte Informationsmaterialien sowie Werbeartikel wie Windräder oder Blumensamen. Und nicht zuletzt das direkte persönliche Gespräch. Plakate bleiben unverzichtbar, die Werbung im Internet ist vor einigen Jahren zusätzlich hinzugekommen und hat ihre eigenen Vorteile, ist aber kein Ersatz für die anderen Werbeformen.

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