"Sehr dramatisch": Höxteraner Bürgermeister in Sorge wegen Flüchtlingssituation

Höxter. Zwei Worte nur: &bdquo;Sehr dramatisch.“ Damit fasst Höxters Bürgermeister Daniel Hartmann die Flüchtlingssituation in der Kreisstadt zusammen. Und nennt als Beispiel eine Szene, die sich öfter abgespielt habe: &bdquo;Da kommt Freitagabend ein Auto auf den Hof der Stadtverwaltung gefahren. Ein Taxi aus Dortmund. Dann gehen die Türen auf, Koffer kommen raus, dann steigen die Menschen aus. Eine Familie steht im Innenhof.“ Er ist als Einziger noch da. &bdquo;Ich gehe runter, versuche eine Verständigung. Biete Getränke und den Gang zur Toilette an. Dann hole ich sie rein, biete Platz zum Hinsetzen an. Und greife zum Telefonhörer.“ Damit setzt Hartmann die Maschinerie in Gang. Sozialamt, Asylhausmeister – eine Unterkunft muss her. Angesichts der Anzahl von Geflüchteten, die der Stadt zugewiesen werden – erstmals überhaupt sind es bald mehr als 700 im Stadtgebiet – gar nicht einfach. Anders als in den Jahren 2015/2016 kam der Flüchtlingsstrom nicht auf einen Schlag, sondern langsam und stetig. 2022 im Frühjahr nach dem Beginn des Ukraine-Krieges, nun seit August und vor allem September und Oktober. Menschen auf der Flucht in einer unbekannten Stadt Zweites Beispiel von Hartmann: &bdquo;Oder sie kommen an einem Wochenende am Bahnhof an. Nur mit einer Fahrkarte bis Höxter, wissen nicht, wohin sie sich wenden können.“ Ordnungsamt und Polizei sind erste Ansprechpartner. Unterkunft – im Extremfall bis Montag zunächst die Obdachlosenunterkunft – und etwas zu essen müssen organisiert werden. Mit diesen Beispielen macht Hartmann aber auch die immer wieder und wieder kehrende Situation deutlich: Menschen auf der Flucht in einer unbekannten Stadt, die die Sprache nicht sprechen, eine andere Kultur haben – aber akut Hilfe brauchen. Und die, das betont der Höxteraner mehrfach, muss die Stadt Höxter bieten. Denn sie ist gesetzlich dazu verpflichtet. &bdquo;Eine Riesen-Herausforderung“, das weiß er selbst. Mit großem Potenzial, eine Gesellschaft zu spalten. &bdquo;Die ist bei uns noch nicht so weit fortgeschritten wie in Ballungszentren – aber ich sehe die Gefahr, dass sich die Spaltung weiter fortsetzt. Und das ist nicht gut.“ "Wir stoßen an Grenzen" Natürlich habe die Stadt gelernt aus der ersten &bdquo;Flüchtlingskrise“ 2015/2016, als viele Situationen völliges Neuland waren. Unter anderem das, dass man nicht Menschen unterschiedlicher Herkunft, Kultur oder Religion zusammen in einen engen Raum pferchen könne. &bdquo;Das verursacht zudem noch höhere Kosten: zusätzliche Kollegen, Sicherheitsdienste, mehr Polizeieinsätze.“ Deshalb: sozialverträgliche Unterbringung, vom Rat beschlossen. Heißt: mehr Platz als die 4,5 Quadratmeter pro Person. Und abhängig von den Menschen, die da kommen. &bdquo;Ich kann eine Mutter mit zwei Kindern aus der Ukraine nicht mit einem Alleinreisenden aus den Maghreb-Staaten in Nordafrika unterbringen.“ Zudem, und das betont Hartmann ausdrücklich, stehe die menschenwürdige Unterbringung als oberster Stelle. Das sei, so bedauert er, vielerorts schon nicht mehr möglich – umso mehr sei es wichtig, darauf zu achten. Auch, weil er selbst durch seine Erziehung in seiner Weltanschauung so geprägt sei: &bdquo;Wenn ich Menschen in Not helfen muss, dann darf ich nicht wegsehen.“ Zudem, und auch das macht Hartmann deutlich, komme die Zuweisung vom Land. Bei rund 95 Prozent der Aufnahmequote liegt Höxter derzeit – das wird jede Woche neu berechnet. 100 Prozent werden wohl nie erreicht, denn je mehr Geflüchtete kämen, desto stärker sinke die Quote. Doch: &bdquo;Wir stoßen an Grenzen“, sagt Hartmann. Schule in Stahle wird wieder genutzt Deshalb hatte er im August einen Hilferuf an den Kreis geschrieben und um hauptamtliche Unterstützung durch das Kommunale Integrationszentrum gebeten. Das sei aber laut Vorgabe für ein KI offenbar nicht möglich. Dennoch: Die Gefahr von Überforderung und Unzufriedenheit steige. Viele Konflikte, da ist sich der Bürgermeister sicher, ließen sich lösen, wenn man miteinander spreche. &bdquo;Auf kleinem Wege“, nennt es Hartmann. Wie Ärger von Anwohnern wegen des Lärms von Kindern auf dem nahen Spielplatz. Aber eben auch nicht alles, dessen ist er sich bewusst. Und auch dass die Situation &bdquo;Wasser auf die Mühlen der anderen politischen Schiene ist“: Deshalb sieht er die Nutzung von Turnhallen mit Blick auf den Vereinssport oder Dorfgemeinschaftshäuser mit Blick auf das soziale Miteinander – was zuletzt im Höxteraner Sozialausschuss wieder in die Diskussion gebracht wurde – als &bdquo;allerletztes Mittel“. Aber der Wohnungsmarkt sei leer, man bekomme &bdquo;vereinzelt Angebote, die wir sehr gern in Anspruch nehmen, wenn die Rahmenbedingungen passen wie ortsübliche Miete und bewohnbarer Zustand“. Da ist die alte Schule in Stahle wieder in den Fokus gerückt, die eigentlich schon abgerissen werden sollte. &bdquo;Kostengünstig und schnell“ könne man zunächst das Erdgeschoss herrichten, dann &bdquo;bedarfsgerecht mehr“. 96 zusätzliche Plätze könnten dort entstehen – sozialverträglich belegt mit 45 bis 55 Personen, schätzt Hartmann. Die Info solle über den Ortsausschuss Stahle in öffentlicher Sitzung in die Bevölkerung getragen werden. &bdquo;Den Ort mitnehmen“, das sei eine große Aufgabe. Doch wie? &bdquo;Wir können nicht von Tür zu Tür gehen“, erklärt er mit Blick auf Diskussion oder Unzufriedenheit, die ihn erreiche. Was er sich wünscht? &bdquo;Drei Dinge: mehr Unterstützung für die Ehrenamtlichen mit Manpower fürs Formale und Behördengänge, dazu mehr Sprachkurse. Um die Menschen in einen ,normalen’ Alltag zu begleiten. Eine bessere Personalausstattung innerhalb der Verwaltung – dort sind Grenzen seit langem überschritten, geben Verantwortliche ihr letztes Hemd. Und eine bessere finanzielle Ausstattung der Kommunen von Land und Bund.“

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