Diskussion

Jäger sprechen sich gegen einen Nationalpark Egge aus

Die Jägerschaften aus den Kreisen Höxter, Lippe und Paderborn meinen, ein Nationalpark werde wildbiologischen Anforderungen nicht gerecht.

Wollen keinen Nationalpark: Florian Becker, stellvertretender Vorsitzender der Kreisjägerschaft Höxter (v. l.), Schriftführerin Ina Hegemann, Schatzmeister Jörn Reimers, und Vorsitzender Achim Frohß. | © Kreisjägerschaft

06.06.2023 | 06.06.2023, 11:18

Kreis Höxter. Die Jägerschaft der Kreise Paderborn, Höxter und Lippe spricht sich gegen einen Nationalpark Egge aus. Das erklären die Verbände jetzt in einer Pressemitteilung. Mit über 5.000 Mitgliedern gehören die drei von einem möglichen Nationalpark Egge betroffenen Kreisjägerschaften zu den großen Naturnutzerverbänden der Region. Durch naturnahe Waldbewirtschaftung über Jahrzehnte seien in der Region Strukturen entstanden, die mehr Lebensraum für viele Pflanzen und Wildtiere geschaffen hätten. Das sei belegt durch Studien, etwa zur Rückkehr von Schwarzstorch, Uhu, Kolkrabe, Wildkatze, Luchs und Wolf. Artenschwund im Wald sei bei wissenschaftlicher Betrachtung der Fakten kein Argument für einen Nationalpark Egge.

Wesentlich dramatischer stellt sich das Artensterben im Offenland dar, wo Kiebitz, Lerche, Brachvogel oder Rebhuhn als heimische Leittierarten des Offenlandes nahezu vom Aussterben bedroht seien. Die Flächen der angedachten Gebietskulisse eines Nationalparks Egge seien auch aus diesen Gründen schon frühzeitig in großen Teilen unter einen hohen Schutzstatus gestellt worden, sei es als Naturschutzgebiet, Naturwaldzelle, Wildnisgebiet, FFH-Gebiet oder als Vogelschutzgebiet. Unzweifelhaft bedeute diese Unterschutzstellung auch eine Anerkennung der naturnahen Schaffung, Nutzung und Pflege dieses besonderen Naturraumes durch heimische Land- und Forstwirte und Waldbauern mit Unterstützung von Jägerinnen und Jäger aus der Region.

Faktenbasiert sei nicht belegt, inwieweit die Ausweisung eines Nationalparks „diesen ausgezeichneten Status noch verbessern kann oder diesen besser schützt als bisher“, heißt es in der Mitteilung. Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Waldflächen in der Region hätten in den letzten Jahren zu „großen Kahlflächen geführt“. Die Flächen seien teilweise wieder aufgeforstet oder durch natürlichen Aufwuchs einer zukünftigen naturnahen Waldbewirtschaftung gewidmet. „Hier leistet die Jägerschaft gemeinsam mit Forstwirten und Waldbauern seit Jahren enorme Anstrengungen, den Waldumbau durch gezielte Jagd an sogenannten Kalamitätsflächen zu unterstützen.“ Eine völlige Umnutzung desWaldes durch die Einrichtung eines Nationalparkes mache diese finanziellen Investitionen und gemeinsamen Anstrengungen komplett überflüssig, „wenn nicht sogar nutzlos“.

Furcht vor genetischer Verarmung

Im Hinblick auf die mögliche Ausbreitung der afrikanischen Schweinepest (ASP) hätten sich Jägerinnen und Jäger in den letzten Jahren bei der Schwarzwildbejagung besonders für die Reduktionder Bestände mit Erfolg eingesetzt, „um den enormen wirtschaftlichen Schaden für landwirtschaftliche Betriebe abzuwehren“. Zudem habe diese verstärkte Bejagung deutlichen Einfluss auf die Reduktion von Wildschäden an landwirtschaftlichen Kulturen. „Bei der schmalen Ausformung der angedachten Gebietskulisse, mit vielen Unterbrechungen und Zerschneidungen mit Bundes-, Landes- und Kreisstraßen sowie einer ICE-Strecke, ergeben sich extrem lange Übergänge zwischen einer Nationalparkfläche und den angrenzenden landwirtschaftlich genutzten Flächen“, heißt es weiter. Fehlende vollflächige Bejagung in einem Nationalpark, die nach den internationalen und nationalen Standards in weiten Teilen eines Nationalparkes gefordert seien, führten zwangsläufig zu erhöhtem Wildbestand „mit möglicherweise fatalen Folgen für Wildschäden auf angrenzenden Wald- und Landwirtschaftsflächen privater Eigentümer und einer Erhöhung der Schwarzwildbestände und ASP-Risiken für die heimische Landwirtschaft“, meinen die Jäger.

Eine aktuelle Studie der Universität Gießen zur genetischen Verarmung (Inzucht) des Rotwildes in NRW stelle im Ergebnis fest, dass diese Wildart im Lebensraum Senne-Teutoburger Wald-Egge „aufgrund der teilweisen räumlichen Isolation akut gefährdet ist und ohne Gegenmaßnahmen mittelfristig nicht mehr vorhanden sein wird“. Der erforderliche genetische Austausch mit den Vorkommen im Arnsberger Wald/Sauerland finde im Wesentlichen auch überdie Egge statt, also durch den geplanten Nationalpark. Bereits die Grünbrücke auf der B 64 zwischen Buke und Bad Driburg seit mit dem Fachwissen vor Jahren realisiert worden. Planungen für eine Querungshilfe (Brücke oder Tunnel) für Wild über die B1 zwischen Schlangen und Horn für das isolierte Rotwildvorkommen der Senne seien eingeleitet.

Die „zu erwartende erhebliche Ausweitung des Tourismus durch einen Nationalpark Egge“ führe zu deutlich höheren Störungseffekten für alle wildlebenden Tiere, insbesondere des Rotwildes. Wissenschaftliche Erkenntnisse aus dem Nationalpark Eifel bestätigten die Entwicklung, meinen die Jäger. Die Folge wäre ein Ausweichen des „größten Säugetieres unserer Region in störungsfreie Waldbereiche, die in der oft sehr engen Waldkulisse des geplanten Nationalparkes“ einfach nicht vorhanden seien. „Die genetische notwendige Vernetzung durch die Egge wäre erheblich gefährdet.“

Der Mensch als Störfaktor

Der Störfaktor durch zusätzlichen Tourismus auf alle großen Wildtiere im Wald werde erheblich zunehmen, sodass Ausweichflächen zur Nahrungssuche außerhalb des Nationalparks durch das Wild gesucht werden müssten, im Wesentlichen zur Nachtzeit. Die Wildschadenssituation werde auf diesen Flächen zunehmen oder auf sie verlagertund die Wildtiere wären für Besucher bei Tage zunehmend unsichtbarer. Insgesamt werde ein Nationalpark Egge in der angedachten Gebietskulisse den Wechselwirkungen zwischen Lebensraum, wildbiologischen Anforderungen und Umwelteinflüssen „nicht nur nicht gerecht, sondern stünde ihnen teilweise gar kontraproduktiv gegenüber. Daher lehnen wir einen Nationalpark ab.“