Dank Smartphone: LGS Höxter erweckt zerstörte Mittelalter-Stadt Corvey zum Leben

Höxter. &bdquo;Vor drei Jahren standen hier noch viele Industriebrachen und Ruinen“, sagt Landesgartenschau-Chefin Claudia Koch und lässt den Blick über den Archäologiepark der Landesgartenschau im Weserbogen schweifen. Darunter habe &bdquo;ein kultureller Schatz“ geschlummert, &bdquo;den kein Mensch kannte“. Mittlerweile ist der Schatz gehoben. Die Stadt Corvey, die im 13. Jahrhundert zerstört wurde. Damit die Besucherinnen und Besucher der Landesgartenschau teilhaben können an diesem kulturellen Schatz, hat sich die Landesgartenschaugesellschaft gemeinsam mit der Beverunger Firma Nusec etwas einfallen lassen. Mit modernster Technologie soll das Mittelalter im Archäologiepark lebendig werden, anschaulich, anhörbar und fast zum Greifen nah. Das Beverunger Unternehmen Nusec ist eigentlich in der Nuklear-Umwelttechnik zuhause, baut seit Jahren unter anderem das ehemalige Kernkraftwerk in Würgassen zurück. Seit einiger Zeit beschäftigt sich die Firma aber auch mit Augmented Reality (AR). Dabei erweitert Technologie etwa mittels Smartphone die wahrnehmbare Realität – zum Beispiel durch Erläuterungen oder durch Bilder. &bdquo;Wir haben der LGS gezeigt, was möglich ist“, sagt Nusec-Geschäftsführer Fernando Norpoth. &bdquo;Dann kamen die Fragen: Geht auch das, geht auch das?“ Was alles geht, zeigt das Unternehmen im Archäologiepark. Auf dem Areal werden zur LGS fünf unterschiedlich gestaltete, vier mal vier mal vier Meter große Holzkuben zu finden sein. In ihnen verbergen sich Markierungen, die die LGS-Besucher mit einer speziellen kostenfreien App scannen können. Und dann beginnt die Magie. Auf den Bildschirmen von Handy oder Tablet bauen sich Häuser auf oder breiten sich plötzlich Straßen aus. Auf den Nutzer läuft ein wieherndes Pferd zu Zum Beispiel der Hellweg. Anhand der Ausgrabungsergebnisse der Archäologen hat ein 3D-Artist von Nusec die vier bis fünf Meter breite Straße virtuell nachgebildet. Sie ist gepflastert wie das Original, das die Wissenschaftler ausgegraben haben, und gesäumt von Fachwerkhäusern. Das Highlight: Ein Pferd kommt den Besuchern auf dem Hellweg entgegen – laut wiehernd, sofern der Ton vom Gerät eingeschaltet ist. Die Stadt Corvey erstreckte sich im Mittelalter über rund 55 Hektar. 1265 wurde sie zerstört – und niemals wieder aufgebaut. &bdquo;Das ist das Besondere an diesem Ort“, sagt Stadtarchäologe Ralf Mahytka. Von den Überresten der Stadt ist heute allerdings kaum mehr etwas zu sehen – vor allem mit ungeschulten Augen. Das Ziel war also, &bdquo;die wunderbaren Ausgrabungsergebnisse, die archäologischen Befunde lebendig zu machen“. Und zwar niederschwellig, wie Claudia Koch betont. Die einzige Voraussetzung ist ein Smartdevice, entweder ein Smartphone oder ein Tablet. Marke: egal. Die dazugehörige App soll in den App-Stores kostenlos herunterladbar sein. Für Kurzentschlossene soll auf dem Gelände des Archäologieparks freies W-LAN angeboten werden, sagt LGS-Geschäftsführer Jan Sommer. Die AR-Inhalte wiederum sind Teil der App und benötigen keine Internetverbindung, um zu funktionieren. Fünf AR-Stationen gibt es im Archäologiepark An fünf Stationen auf dem Areal sollen Besucher das Smartphone zücken: Kirche, Hellweg, Brücke, Stadtbefestigung und Haus des Chirurgen. Zu erkennen am jeweiligen Holzkubus. Unweit davon sind die Grundrisse der Bauten mit Schotter und Steinen nachempfunden. So etwa beim Haus des Chirurgen. Auf dem quadratischen Grundriss baut sich dank AR ein Gebäude auf. &bdquo;Das kann man aus allen Richtungen anschauen, man kann drum herum und sogar reingehen“, erklärt Nusec-Chef Norpoth und demonstriert: Er geht ein paar Schritte und steht plötzlich mitten in einer Wohnstube. Auf dem Esstisch brennt eine Kerze, durch die geöffnete Haustür lächelt Claudia Koch hinein. Laut Norpoth stecken in den AR-Abenteuern der Landesgartenschau fünf bis sechs Monate Entwicklung. Denn es ist viel Arbeit, die 3D-Modelle und Animationen zu erschaffen. &bdquo;Man muss alle Teile einzeln definieren, die sich auch bewegen sollen“, erklärt er. Beim Pferd bedeutet das beispielsweise, anfangen beim Skelett. Vier Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Nusec waren und sind mit dem Projekt beschäftigt. &bdquo;Wir sind auf der Zielgeraden“, sagt Norpoth, &bdquo;wir optimieren jetzt“. Im Haus des Chirurgen erwartet die Besucher der Landesgartenschau außerdem ein Hörspiel im Interviewstil, das über die Funde in dem Gebäude und die mögliche Geschichte ihres früheren Besitzers informiert. &bdquo;Chirurg von der Weser, so nennt man mich heute?“, heißt es im Hörspiel: &bdquo;Ich habe Fürsten und Herzogen das Augenlicht gerettet.“ Live-Ausgrabungen bei der Landesgartenschau Damit die Landesgartenschau-Besucher nicht nur die Ergebnisse von Archäologie betrachten können, wird ein Kellerraum in unmittelbarer Nachbarschaft des Chirurgen live während der Gartenschau ausgegraben. &bdquo;Das ist echte Archäologie“, betont Mahytka. Interessenten können sich über das Veranstaltungsprogramm dafür anmelden. Es wird gegraben, gezeichnet und bestimmt, was gefunden wurde. Auch Kinder sollen die ersten Archäologieerfahrungen sammeln dürfen. In einem großen &bdquo;Sandkasten“ können die Kleinen Mauer, einen Brunnen, ein Stück Hellweg und Artefakte wie Tonscherben oder Steigbügel ausgraben. Die Nachbildungen hat Nusec hergestellt. Per App können sie gesammelt werden. Das Projekt kostet 386.500 Euro. Davon 191.600 Euro fördert die NRW-Stiftung. 78.000 Euro Planungskosten trägt die Stadt Höxter.

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