"Ich habe von meinen Großeltern nur gehört: Die waren plötzlich weg"

Höxter-Fürstenau. Ferdinand Wellings Lieblingsplatz in seinem Heimatort Fürstenau ist kaum zu übersehen. Zwischen Kirche und der Gaststätte Lindengarten gelegen, fährt und läuft jeder, der in Fürstenau unterwegs ist oder lebt, unweigerlich dran vorbei. Das ist auch Sinn der Sache, wie der Ortsausschussvorsitzende erklärt: "Dieser Ort mitten im Dorf, wo alle dreimal am Tag vorbeikommen, ist bewusst gewählt worden." Das Mahnmal, denn um das geht es, sollte nicht versteckt liegen wie beispielsweise der jüdische Friedhof oder die Stolpersteine, "über die man ja stolpert". Im übertragenen Sinne. Durch das Mahnmal sei das sehr dunkle Kapitel in der Fürstenauer Geschichte wieder präsenter geworden. 21 Fürstenauer Juden wurden zwischen 1941 und 1942 nach Riga und Theresienstadt deportiert und dort ermordet. Das Relief von Bildhauerin Sabine Hoppe zeigt Menschen, teils mit Koffer oder Wägelchen, zwischen der Fürstenauer Synagoge links und einem Tor auf der rechten Seite, das die Vernichtungslager symbolisiert. Die Menschen halten einander. In diesen Tagen ist die Botschaft des Mahnmals für Welling aktuell wie lange nicht. "Jetzt, wo wieder Krieg ist". Und sie kommt an. Immer wieder entdecke er, dass Leute stehen blieben und sich das Mahnmal anschauten, sagt Welling. Zuvor sei das Schicksal der jüdischen Fürstenauer lange nur wenig beachtet gewesen. "Ich habe von meinen Großeltern nur gehört: Die waren plötzlich weg." Dabei waren die Menschen jüdischen Glaubens zuvor ein Teil des Dorfes. "Man ist mit ihnen gut ausgekommen und hat gut zusammengearbeitet", sagt Welling. Viele Fürstenauer sind hier unterwegs Das Mahnmal liegt an der Detmolder Straße, da ist recht viel Verkehr, allerdings anderer Verkehr als zum Beispiel auf der Bödexer Straße, wo viele Lkw entlangrollen. An der Detmolder Straße sind viele Fürstenauer unterwegs. Immer wieder hebt Ferdinand Welling im Gespräch die Hand, um jemanden zu grüßen, der vorbeifährt, läuft oder in einem Fall auf einem gemächlichen Trecker an ihm vorbei tuckert. Für Welling ist es "einfach schön" in Fürstenau. Er lobt die aktiven großen Vereine wie den Spielmanns- und Fanfarenzug, der "Spitzenklasse" sei. Nicht nur bei Wettbewerben, sondern auch bei der Jugendarbeit. Und er schwärmt auch von der Dorfgemeinschaft: "Egal welches Projekt man beginnen will, man findet immer genug Leute, die mit anpacken." Zum Beispiel den Mann auf dem Trecker. Aber das Dorf steht auch vor Herausforderungen. Die Volksbank hat den Automaten abgestellt, aus Sicherheitsgründen, heißt es. Seitdem kommt der Filialbus, immer donnerstags. "Das ist eine gute Einrichtung. Die älteren Leute können Überweisungsträger abgeben und der Bus ist ein neuer Treffpunkt, aber er ist kein Ersatz." Bank, Schule, Kindergarten - das seien wichtige Einrichtungen. Fehlten sie in einem Dorf, sei es schwierig, eine Dorfgemeinschaft aufrecht zu erhalten. "Den älteren Leuten bleibt dann nur noch der Friedhof als Treffpunkt", sagt Welling mit dem Rücken zur Kirche. Bald wird dort nur noch einmal im Monat Messe gefeiert, berichtet er. Klar, es wäre möglich, Fahrgemeinschaften zu bilden, um zu Gottesdiensten in den umliegenden Dörfern zu fahren, aber wer tut das schon, wenn im Fernsehen genauso eine Messe gezeigt werde? "Was wir mit der Kirche machen, weiß ich auch noch nicht", sagt Welling seufzend. Umweltschonender als jede Menge Zweitwagen Ein Linienbus fährt vorbei. Welling schaut dem großen Fahrzeug einen Moment nach und sagt dann: "Wir brauchen Holibri." Es wäre wichtig, dass der On-Demand-Bus alle Höxteraner Ortschaften anfahre, auch Fürstenau. Denn das System Anruf-Bus sei viel komfortabler und viel praktischer als der normale ÖPNV. "Dabei haben wir hier sogar Stundentakt." Aber so ein Linienbus fahre eben nur von A nach B. "Holibri hat viele As und viele Bs." Wenn alle Orte angefahren werden sollen, dann würden weitere Fahrzeuge benötigt", das ist Welling klar. Das sei aber günstiger und umweltschonender als jede Menge Zweitwagen für kurze Wege. Welling ist in Fürstenau aufgewachsen, es ist sein Heimatdorf. Seit zehn Jahren sitzt er für die UWG im Ortsausschuss. Bei jeder Wahl habe sich die Anzahl der Sitze für die UWG verdoppelt. Nach der vergangenen Kommunalwahl wurde Welling dann Ortsausschussvorsitzender. Manchmal braucht man einen langen Atem Er habe drüber nachgedacht, ob er's machen will. Sich dann dafür entschieden. "Bevor man immer nur schimpft, lieber dort sitzen, wo man etwas bewirken kann", sagt er. Auch wenn die Gestaltungsmöglichkeiten eines Ortsausschusses eingeschränkt seien. Das hindert die Fürstenauer aber nicht daran, sich mit Problemen, Fragen und Anregungen an den UWG-Mann zu wenden. "Wenn im Dorf etwas schief läuft, wenn ein Loch in der Straße oder ein Brett kaputt ist, wird man angerufen oder bekommt Bilder über Whatsapp", schildert Welling. Anregungen würden dagegen eher im persönlichen Gespräch fallen gelassen. Etwa, dass ein Kolumbarium auf dem Friedhof doch eine gute Idee sei. "Viele Dinge bekommt man relativ einfach erledigt", sagt Welling. Er wendet sich dann an die zuständigen Köpfe in der Stadtverwaltung. Manchmal wird's aber auch schwieriger. "Da muss man einen langen Atem haben." Wie bei der Landesstraße 946. Dort wünschen sich die Bürger ein Fahrverbot für Lkw. Aber den hat er ja.

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