32 Straftaten? Junger Frau steht Zeugenmarathon im Höxteraner Gericht bevor

Höxter. Domenika S. (alle Namen geändert) steht an Verhandlungstag zwei vor dem Amtsgericht Höxter ein kleiner Zeugenmarathon bevor. Neun Personen, die ihre Begegnungen mit der 21-Jährigen schildern sollen, sind auf dem öffentlichen Aushang vor dem Gerichtssaal aufgeführt. Die meisten sind auch erschienen. Dazu noch weitere Interessierte. Die Angeklagte hatte es bisher nicht leicht im Leben. Wie berichtet, schilderte der forensische Psychiater Michael Hintersdorf die Geschichte eines kosovarischen Flüchtlingsmädchens, das mit sieben Jahren in Deutschland und dort dann in einem Kinderheim landete. Domenika S. wurde wohl mit einem Hirnschaden, vergleichbar mit Trisomie 21, geboren. Domenika S. zeige "deutliche kognitive und intellektuelle Defizite", erklärte der Gutachter. Ihr Entwicklungsstand sei in Teilen der eines Kindes. Gleichzeitig habe sie Bedürfnisse, etwa nach einem Handy oder schönem Schmuck. Weil diese Bedürfnisse nicht befriedigt würden, entstehe laut Hintersdorf eine "Bedürfnisspannung". Die wiederum zu "Eigentumsdelikten" führe. Der Angeklagten werden insgesamt 32 Taten im Zeitraum von 2021 bis heute vorgeworfen. In den meisten Fällen soll Domenika S. geöffnete Auto- oder Haustüren ausgenutzt haben, um Portemonnaies, Bargeld und Handys einzustecken. Etwa Anfang August des vergangenen Jahres. Zeugin Monika P. berichtet: "Ich war an meinem Dienstort, wo ich ein Einzelbüro habe." Sie sei zur Toilette gegangen und als sie zurück in ihr Büro kam, "stand dort die Angeklagte mit meiner Handtasche". Monika P. sei "perplex und überrascht" gewesen. Erst nach einigen Augenblicken sei ihr klar geworden, dass es sich bei der jungen Frau hinter dem Schreibtisch nicht um eine Klientin gehandelt habe. "Ich habe sie gefragt, warum sie meine Tasche hat - sie hat nicht geantwortet." Ein Kollege ruft die Polizei. "Es hat nichts gefehlt, ich kam genau in dem Moment, als sie gehen wollte, da habe ich echt Glück gehabt", berichtet Monika P. Denn just an dem Tag habe sie Geld am Automaten abgehoben. Von zwei gestohlenen wertvollen Perlenketten fehlt jede Spur Martin H. hatte dieses Glück nicht. Im September 2021 ist er mit seiner Frau und seiner Mutter bei den Nachbarn auf Kaffee und Kuchen eingeladen. "Als wir zurückkamen, wunderte sich meine Mutter, dass bei ihrem Nachttisch die Schublade aufgezogen war." Der Radiowecker der Mutter habe auch nicht mehr im Schlafzimmer, sondern auf der Treppe gestanden. "Da sind wir durchs Haus und haben festgestellt, dass einige Schubladen offen waren und einige Gegenstände fehlten. Wie Schmuck." Konkret: zwei wertvolle Perlenketten seiner Frau. Außerdem fehlten ein Rucksack, Bargeld und ausländische Münzen. Die Hintertür des Hauses sei eigentlich immer geöffnet, erklärt Martin H. auf Nachfrage. Zum Hintereingang könne die Angeklagte über die Einfahrt gelangt sein. "So eindeutig erkennbar, dass man da rum kommt, ist das nicht. Aber bei meinem Bruder nebenan hat sie das auch schon gemacht." Martin H.s Frau sei ein paar Tage später zur Polizei gegangen, um dort einen Verdacht zu äußern, schildert der Zeuge. Auf der Wache habe sie dann erstaunt ihren gestohlenen Rucksack entdeckt - der sei vorher von einer Betreuungskraft aus einer Höxteraner Einrichtung dort abgegeben worden. Die Frau hatte den Rucksack laut Polizeiakte bei einer Bewohnerin, der Angeklagten, entdeckt. In der Tasche war unter anderem das entwendete ausländische Geld gefunden worden. Von den Perlenhalsketten aber fehlt jede Spur. Hinter verschlossenen Türen wird weiter verhandelt Im Anschluss an die Vernehmung Martin H.s wird Domenika S. unruhig. Mehrfach ruft sie, sie wolle nach Hause. Richterin Nora Rüter ruft die nächste Zeugin, Beate B., auf. Die kommt aber kaum zu mehr, als ihren Namen zu nennen. Wann immer Richterin oder Zeugin zu reden beginnen, ruft Domenika S.: "Bla, bla, bla, bla, bla". Richterin, Staatsanwältin, Verteidiger und die gesetzliche Betreuerin versuchen, auf die Angeklagte einzuwirken, sie zu beruhigen. Doch Domenika S. bleibt dabei: "Ich will nach Hause." Die Verhandlung wird unterbrochen. Nach 25 Minuten erklärt Richterin Nora Rüter, dass die Öffentlichkeit, also Presse und Prozesszuschauer, ausgeschlossen werden. Hinter verschlossenen Türen geht's dann weiter. Mit Beate B. im Zeugenstand.

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