Großes Praxissterben im Kreis Höxter befürchtet

Kreis Höxter. Übervolle Praxen, lange Wartezeiten für Termine und wer einen Hausarzt sucht, muss damit rechnen, abgewiesen zu werden. Und das alles bei einer immer älter werdenden Bevölkerung. &bdquo;Das sind Entwicklungen, die sich in den nächsten Jahren noch verstärken werden, aber wir tun alles, um dem entgegenzuwirken“, sagt Ansgar von der Osten, Geschäftsbereichsleiter der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe aus Dortmund. Der Gesundheitsexperte der KVWL hat jetzt im Gesundheitsausschuss des Kreises zur Situation der Gesundheitsversorgung im Kreis Höxter referiert. Die Anzahl der Praxen im Kreis sei alles andere als alarmierend, sondern sogar recht gut. In Brakel oder Beverungen gibt es sogar eine statistische Überversorgung. Die Problematik zeigt sich aber, wenn man in die Altersstruktur hineinschaut. In Westfalen-Lippe sind 40 Prozent der praktizierenden Mediziner über 60 Jahre alt und die Hälfte davon sogar über 65 Jahre. Von den 84 Hausärzten im Kreis Höxter sind 46 Prozent über 60 Jahre alt. Neun Praxisinhaber sind sogar bereits über 70 Jahre alt. &bdquo;Die Altersbegrenzung ist ja aufgehoben worden und gerade auch im Kreis Höxter praktizieren viele ältere Hausärzte noch weiter, was sehr löblich ist, aber nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass in den nächsten Jahren eine große Welle von Praxisschließungen droht“, sagte von der Osten. Zwar ist im letzten Wintersemester an der Uni Bielefeld die neue medizinische Fakultät eröffnet worden, die genau den Zweck verfolgt, die medizinische Versorgung im ländlichen Raum OWL zu verbessern, doch bis die Lücke gefüllt werden kann, dauert es noch. &bdquo;Frühestens in zehn Jahren werden wir die positiven Auswirkungen spüren können, bis dahin müssen wir versuchen, die Zeit irgendwie zu überbrücken,“, erklärte von der Osten. 60 Erstsemester haben im letzten Jahr das Studium aufgenommen. In fünf Jahren sollen es 300 schon Studienanfänger sein. Restriktive Politik führte zu einem Ärztemangel Dass es überhaupt zu dieser schwierigen Situation des Ärztemangels gekommen ist, sei eine Auswirkung der Politik der 90er Jahre unter dem damaligen Gesundheitsminister Horst Seehofer (CSU). Der hatte Anfang der 90er Jahre den Begriff der Ärzteschwemme geprägt. Eine entsprechende restriktive Politik habe dazu geführt, dass wir jetzt einen Ärztemangel hätten. Damals war die so genannte Bedarfsplanung eingeführt worden – ein Regelwerk, das festlegt, wo ein Haus- oder Facharzt eine Kassenpraxis betreiben darf. Für die Bedarfsplanung gibt ein Bundesgremium den Rahmen vor, der dann wiederum auf Landesebene von den Kassen und den regionalen Kassenärztlichen Vereinigungen in bundesweit 395 Planungsbezirken konkret für 14 Arztgruppen vom Anästhesisten bis zum Urologen umgesetzt wird. &bdquo;Die Bedarfsplanung ist kein schlechtes Instrument, aber sie muss die Verhältnisse richtig abbilden“, sagte von der Osten. Ein Beispiel: Der errechnete Hausarztbedarf liegt bei 1607 Einwohnern für einen Allgemeinmediziner. &bdquo;In Ballungszentren genügt auch ein Verhältnis von einem Hausarzt auf 2.000 Bewohnern, weil die Entfernung zum nächsten und übernächste Arzt nicht so groß ist“, sagte von der Osten. Weil aber auch dort eine höhere Dichte eingefordert wurde, hat das dazu geführt, dass im Ruhrgebiet 79 Praxen neu aufgemacht hätten, während im ländlichen Raum die Zahl um 73 zurückgegangen sei. Immer mehr Menschen im ländlichen Raum können keinen Hausarzt mehr angeben, einfach weil sie keinen Arzt finden, der sie noch als Hausarzt aufnimmt. »Das ist alles sehr ernüchternd, was wir heute hier gehört haben« Was bedeutet das eigentlich? &bdquo;Wenn man akut erkrankt ist, muss die allgemeinmedizinische Praxis den Patienten behandeln, auch wenn man dort nicht den Hausarztstatus hat“, stellte von der Osten klar. Noch dramatischer stelle sich die Situation bei den Kinderarzt-Facharztpraxen dar. Hier gäbe es kreisweit einen Bedarf von 2 bis drei Praxen. Ähnlich sehe der Bedarf bei Nervenärzten aus. Es sei aber keineswegs so, dass die KVWL dem einfach tatenlos zusehen würde. &bdquo;Wir investieren viel Geld in die Verbesserung der Strukturen“, sagte der Experte. Gerade in kleinen Ortschaften bedeutet die Schließung eine Praxis eine herbe Verschlechterung der medizinischen Versorgung. So habe sich beispielsweise der Bürgermeister der Stadt Marienmünster an die KVWL gewandt. &bdquo;Das war genau richtig, denn in diesem Fall fördern wir die Zulassung aus unserem Strukturfonds mit 60.000 Euro“, erklärte von der Osten. Aber Geld hilft nicht, wenn es keine Mediziner gibt. Im Kreis Höxter gibt es aktuell sieben Weiterbildungsassistenten, die von der KVWL mit 5.000 Euro im Monat gefördert werden. Hier handelt es sich um Assistenzärzte, die in niedergelassenen Praxen tätig werden sollen, denen es aber aktuell noch an der notwendigen Qualifikation fehlt. Aber auch das administrative Praxispersonal wird immer knapper. Die Zukunft gehöre darum der Gemeinschaftspraxis, wo sich mehrere Ärzte das Personal teilen und sich gegenseitig vertreten. &bdquo;Das ist alles sehr ernüchternd, was wir heute gehört haben, aber es war wichtig, sich hier ein klares Bild zu machen, damit wir seitens der Politik den Prozess konstruktiv begleiten können“, sagte der Ausschussvorsitzende Marcel Franzmann.

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