Kein Führerschein? Streit zweier Nachbarn endet in Höxter vor Gericht

Höxter. Einer von beiden lügt, das ist am Ende des ersten Verhandlungstages vor dem Amtsgericht Höxter klar. Entweder ist es der Angeklagte: "Ich bin eine Milliarde Prozent sicher, dass ich nicht gefahren bin." Oder der einzige Zeuge: "Halb Höxter weiß, dass er ohne Führerschein fährt." Klar ist außerdem, dass Gojko M. (alle Namen geändert) und Olaf F. ein Hühnchen miteinander zu rupfen haben. Sie kennen sich gut. 15 Jahre lang waren sie Nachbarn. Dem 62 Jahre alte Olaf F. platzt an einem Montagmorgen im März der Kragen. Er sei mit dem Auto auf der Albaxer Straße unterwegs gewesen, weil er seinen Sohn von der Arbeit abgeholt habe. Ein Wagen habe von einer Tankstelle aus auf die Albaxer Straße einbiegen wollen, habe aber einige Autos vorbei lassen müssen. Als Olaf F. an der Tankstelle vorbeifährt, soll der Fahrer des wartenden Wagens so getan haben, als führe er los. Der 62-Jährige habe erschrocken ausweichen müssen. Ein paar Meter weiter steuert er den Parkplatz einer Bäckerei an, erzählt F., und ruft die Polizei. In dem wartenden Wagen will Olaf F. den ehemaligen Nachbarn Gojko M. erkannt haben. Nachdem er, wie er berichtet, schon einige unschöne Fahrmanöver von M. mitbekommen habe - "geschnitten hat er mich mal und provoziert, dass ich abbremsen musste" - meldet er M. der Polizei, denn M., das weiß Olaf F., hat derzeit gar keinen Führerschein. Der Angeklagte, Gojko M., erzählt eine ganz andere Version, vor allem eine gänzlich PS-lose. Der damals noch arbeitssuchende 27-Jährige will beim Jobcenter gewesen sein - zu Fuß. "Das sind zehn oder 15 Minuten, wenn ich trödel", sagt er. Er habe einen Termin mit seiner Sachbearbeiterin gehabt, bei dem es unter anderem auch darum gegangen sein soll, wie er seinen Führerschein zurückbekommen kann. Als das Gespräch vorüber gewesen sei, habe er entgangene Anrufe seiner Freundin auf dem Telefon gesehen. Er habe zurückgerufen und von seiner Partnerin gehört: "Du sollst Auto gefahren sein, die Polizei sucht dich." Der Angeklagte ist einschlägig vorbestraft Gojko M. und seine Freundin sind auf ein Auto angewiesen. Deshalb haben ihre Eltern dem Paar einen Opel zur Verfügung gestellt. Grund ist, dass eines der gemeinsamen vier Kinder krank sei und regelmäßig zur Behandlung nach Hannover müsse. Er fahre aber nicht, versichert M. Er habe schon einmal wegen Fahrens ohne Führerschein Ärger bekommen und "keiner beißt zweimal in den sauren Apfel". "Ach", entgegnet Richterin Christina Brüning lakonisch, "wir haben hier auch Leute, die ins Gefängnis gehen." Der Bauhelfer hat aber auch eine Theorie, warum Olaf F. ihn belasten könnte. Eine "Retourkutsche" sei das. Als sie noch Nachbarn gewesen sein, habe Gojko M. mit F.s Sohn verabredet, dass er Altholz auf einem Stück Garten der F.s lagern dürfe. 20 Euro habe er dem Sohn bezahlt, schildert M. Er habe es aber nicht geschafft, den Unrat bis zum abgesprochenen Zeitpunkt zu beseitigen. Auch diesbezüglich habe er F. Junior informiert, der Vater aber "fing an, rumzuschreien", sagt M.: "Ich schätze, deswegen sind wir heute hier." Olaf F. hingegen beteuert, dass die Holzgeschichte eine "ganz andere Sache" sei. Und erledigt. "Ich habe alles entsorgt und bezahlt." Das Gericht will bei allen möglichen Retourkutschen aber auch eine bloße Verwechslung ausschließen und deshalb wissen, wer noch Zugang zu dem Auto hatte. Der Vater der Freundin, dem der Wagen eigentlich gehört, natürlich, aber der ist deutlich älter und sieht dem Angeklagten auch nicht ähnlich. Aber vielleicht der ältere Bruder? Der sei auch ab und an mit dem Opel unterwegs, wie M. schildert. Olaf F. hingegen bleibt dabei, er habe M. gesehen. "Der Bruder ist korpulenter, auch im Gesicht, und hat viel mehr Haare." Am Mittwoch, 10. August, geht's weiter Dann befragt Gojko M. seinen ehemaligen Nachbarn. Er ist ohne Verteidiger bei Gericht erschienen und hat das Recht, Zeugen zu befragen. Er stört sich daran, dass F. an besagtem Montagmorgen seinen Sohn von der Arbeit abgeholt haben will. "Er hatte früher Feierabend", sagt F. "An einem Montag um 10.27 Uhr?", hakt der Staatsanwalt nach. "Er war krank." - "Was hatte er denn?" - "Vielleicht Magen-Darm, ich weiß es nicht mehr. Aber was spielt das denn für eine Rolle? Die Polizei hat ihn doch angehalten", wehrt sich der Zeuge. "Hat sie eben nicht", hält der Staatsanwalt entgegen. Aufklärung soll nun das Jobcenter bringen. War der Bauhelfer bei einem Termin mit seiner Sachbearbeiterin, als Olaf F. ihn im Auto gesehen haben will? Bis zur Fortsetzung am Mittwoch,10. August, soll sich die Einrichtung äußern. Bis dahin wolle Gojko M. aber über Olaf F. auspacken, der sei nämlich immer betrunken, wenn er die Nichte mit dem Auto vom Kindergarten abhole. "Dann sollten Sie vielleicht mal die Polizei rufen", rät der Staatsanwalt.

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