Wie ein ukrainischer Arzt aus Höxter seine Heimat unterstützt

Höxter. Am Telefon wirkt Vladyslav Rudyi-Trypolskyi gefasst. Ruhig und sachlich erzählt der gebürtige Ukrainer über den Krieg in seinem Heimatland. Darüber, dass er mit seinen Kollegen in Höxter Hilfslieferungen für das Kriegsgebiet organisiert. Darüber, dass er zusammen mit Bekannten den Geflüchteten hier im Kreis Höxter hilft. Dennoch, der Krieg in seinem Heimatland geht an ihm nicht spurlos vorbei. Der 36-Jährige erzählt, dass er Bekannte in Odessa, Kiew oder Charkiw habe. Die Infrastruktur sei schwer getroffen. "Es wird immer gesagt, es geht um militärische Objekte - aber das stimmt nicht." Bisweilen habe der Anästhesist, der als Assistenzarzt am St.-Ansgar-Krankenhaus in Höxter arbeitet, tagelang keinen Kontakt zu seinen Bekannten. "Egal, ob man telefoniert oder per Whatsapp schreibt: Es kommt keine Antwort zurück. Das ist schon richtig stressig."Trypolskyi kommt aus Czernowitz, einer Stadt mit 242.000 Einwohnern im Westen der Ukraine in der Nähe der rumänischen Grenze. 2014 kam er mit seiner Frau nach Höxter. Seitdem arbeiten die beiden am St. Ansgar. Die beiden sind damit zwei von etwa 25 Ärzten mit ukrainischen Wurzeln, die im Kreis Höxter arbeiten. Und die nun, angesichts des Krieges in ihrem Land Hilfe organisieren."Doch", sagt Trypolskyi, "Hoffnung, dass der Krieg schnell beendet wird, habe ich. Aber ich denke, dass es nicht möglich ist." Dafür gebe es von russischer Seite zu viele Ambitionen. Dafür seien bereits zu viele russische Soldaten und Kriegsgerät in der Ukraine. Die Kräfteverhältnisse seien ungleich. "Das ist an Ressourcen nicht vergleichbar." Putin sei dabei, Soldaten aus anderen Ländern anzuwerben, etwa aus Syrien. "Das ist doch verrückt." Der ukrainische Mediziner rechnet damit, "dass das ein dauerhafter Konflikt sein wird.""In den ersten zwei Tagen waren die Menschen richtig geschockt" Das sei am Anfang noch anders gewesen. Der Ausbruch des Krieges sei unerwartet gekommen. "Ich schätze, in den ersten zwei Tagen waren die Menschen richtig schockiert. Das hat keiner erwartet, dass man in der jetzigen Zeit einen richtigen Krieg beginnt ohne nachvollziehbaren Grund."Gleichzeitig sei der Kampfgeist der Ukrainer geweckt. "Die ukrainische Bevölkerung kämpft um ihre Zukunft." Die Ukraine habe seit längerem entschieden, dass die Entwicklung des Landes mit Europa zu tun hat. Es gehe um demokratische Standards und darum, Mitglied der europäischen Familie zu sein. Die Motivation sei sehr hoch, das eigene Land zu verteidigen. "Wir haben nichts anderes. Das ist unsere Heimat." Beim Anblick der Bilder im Fernsehen ist Trypolskyi schockiert. "Das sind Orte, die man persönlich kennt." Vor kurzem sei das Leben noch normal und friedlich gelaufen. "Wenn man das nun alles zerstört sieht, dann macht man sich schon darüber Gedanken, wie hoch man die friedlichen Zeiten schätzen muss. Jederzeit kann etwas passieren." Fühlt sich seit Jahren mit Deutschland verbunden Momentan würden sich Frauen und Kinder in Sicherheit bringen, während die Männer in den Kampf ziehen. Ob er sich auch überlegt habe, um in der Ukraine zu kämpfen? "Auf jeden Fall. Diese Gedanken habe ich jeden Tag." Seit Jahren fühle er sich aber auch Deutschland verbunden. Und er hat das Gefühl, dass er hier deutlich mehr helfen könne.Auf dem Messengerdienst Telegram habe sich eine große Gruppe gegründet. Mehr als 1.000 Exil-Ukrainer, überwiegend Mediziner, organisieren von Deutschland aus Hilfe. Zum einen gehe es um medizinische Ausrüstung, Medikamente, Ausrüstung oder Verbandsmittel."Die Lager sind zerstört." Deshalb fehle es überall in den Krankenhäusern an Nachschub, sagt der Assistenzarzt aus dem St.-Ansgar-Krankenhaus. Zum anderen sind die Ukrainer in Deutschland aktiv geworden, als die ersten Flüchtlinge in die EU kamen.Mittlerweile hätten bereits viele von ihnen Geflüchtete aufgenommen - auch Trypolskyi und seine Frau beherbergen gerade zwei Menschen aus der Ukraine. Die Ukrainer im Kreis Höxter helfen bei Behördengängen, übersetzen wichtige Dokumente und kümmern sich um medizinische Angelegenheiten.Unterstützung erfahren Trypolskyi und seine Kollegen von vielen Seiten. Ob der Kreis Höxter, der Rotary Club, Einzelpersonen - die Hilfe ist mannigfaltig und rührt den Anästhesisten. "Ich hatte Tränen in den Augen." Und auch sein Arbeitgeber, die Katholische Hospitalvereinigung Weser-Egge (KHWE) hilft tatkräftig mit - sowohl finanziell als auch mit medizinischen Sachspenden. So spendete die KHWE beispielsweise gut 20 Umzugskartons mit medizinischem Bedarf aus dem Vorrat der Krankenhäuser. Zudem werden onkologisch erkrankte Geflüchtete in der Strahlentherapie behandelt. Außerdem werden Zimmer für Geflüchtete im Wohnheim bereit gestellt. "Sollten schnell Sprachkenntnisse erwerben" Die Hilfsgüter, die der 36-Jährige mit seinen Kollegen organisiert, werden indes nach Hannover gebracht und von dort in die Ukraine transportiert - nach Lwiw, deutsch Lemberg. Eine Stadt in der Westukraine, die mittlerweile fast jeden Tag in den Nachrichten ist und die seit Kurzem ebenfalls unter Beschuss steht.Aus Lwiw wird das Material dann weiter verteilt. Seit 2014 unterstützt der Arzt diese Arbeit, seit der Bürgerkrieg im Donbass begonnen hat - ein Krieg, der sich seit drei Wochen auf die gesamte Ukraine ausgeweitet hat und auch die Menschen im Kreis Höxter bewegt. Und eben weil der Krieg solche Ausmaße angenommen hat und ein rasches Ende nicht in Sicht ist, raten die Exil-Ukrainer den Geflüchteten aus ihrem Heimatland, möglichst alles dafür zu tun, sich schnell zu integrieren. "Sie sollten schnell Sprachkenntnisse erwerben. Die Kinder sollten in den Kindergarten oder in die Schule gehen." Trypolskyi und seine Kollegen schwören die Menschen auf einen langen Krieg ein. "Für uns", sagt der Mediziner, "ist das schon wie ein Marathon und wir bereiten uns dafür vor."

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