Grundschüler in der Pandemie: "Die Belastungen sind kaum noch zu ertragen"

Herr Gockeln, das Thema Corona beschäftigt die Grundschulen mittlerweile seit rund zwei Jahren. Wie würden Sie die jetzige Phase aus Sicht der Grundschulen in das Gesamtgeschehen der Pandemie einordnen? Für die Grundschulkinder und ihre Familien sind die Auswirkungen der Pandemie besonders belastend. Diese Belastungen sind auch kaum noch zu ertragen. Das gilt auch für die engagierten Schulleitungen und Lehrkräfte. Ich bin froh, dass an unseren Grundschulen im Kreis Höxter derzeit überwiegend Präsenzunterricht möglich ist. Das ist für die Kinder in diesem Alter sehr wichtig. Auch bin ich zuversichtlich, dass wir hoffentlich schon bald Schritt für Schritt zu mehr Normalität zurückkehren werden.Wie würden Sie den derzeitigen Schulbetrieb unter den besonderen Erschwernissen der Pandemie bewerten? Mit Blick auf die immer wieder neuen Herausforderungen und wechselnden Rahmenbedingungen leisten die Schulen herausragende Arbeit.Wie beurteilen Sie das Infektionsgeschehen an den Grundschulen im Kreis Höxter derzeit? Das Infektionsgeschehen an den Grundschulen entspricht dem allgemeinen Infektionsgeschehen im Kreis Höxter. Dort, wo die Inzidenz hoch ist, sehen wir auch höhere Infektionszahlen an den Grundschulen.Wie viele Infektionen gibt es am Grundschulen? Wie viele Grundschulklassen oder Schulen sind wegen einer Vielzahl von Infektionen derzeit geschlossen?Das Infektionsgeschehen ist weiterhin sehr dynamisch. Deshalb sind Zahlen immer nur sehr kurze Momentaufnahmen. Erfreulicherweise ist keine unserer Grundschulen im Kreis Höxter geschlossen. Allerdings ist eine Reihe von Klassen im Distanzunterricht. Dafür gibt es verschiedene Gründe: eine unklare Infektionslage mit vielen infizierten Kindern, der Ausfall von Lehrkräften, die in Quarantäne oder erkrankt sind oder deren Kinder erkrankt oder quarantänisiert sind. Nach aktuellem Meldestand sind nur neun der insgesamt 234 Klassen an allen Grundschulen im Kreis Höxter im Distanzunterricht. Zudem fehlen in jeder Schule erkrankte oder in Quarantäne befindlicher Kinder, in deren Klassen findet aber Präsenzunterricht statt. Letzteres gab es in früheren Jahren in der kalten Jahreszeit immer schon. Bedingt durch Erkältungen oder Grippe fehlten dann auch zwei bis drei Kinder pro Klasse. Inwiefern ist unter den herrschenden Bedingungen ein für die Kinder gewinnbringender Unterricht möglich? Ich bin sehr froh, dass wir den Präsenzunterricht, der gerade für die Kinder in diesem Alter so wichtig ist, zu einem so enorm hohen Anteil aufrecht erhalten können. Ich bin aktuell jede Woche in den Schulen aufgrund dienstlicher Beurteilungen unterwegs. Ich habe in allen Fällen guten, für die Kinder gewinnbringenden Unterricht gesehen.Nach Angaben des Landeszentrums für Gesundheit sind die Sieben-Tages-Inzidenzen bei Kindern im Grundschulalter nach den Weihnachtsferien sprunghaft gestiegen und auch höher als die anderer Alterskohorten. Womit sind also die steigenden Inzidenzen zu erklären? Diese Frage kann Ihnen ein Epidemiologe viel besser erklären als der Schulrat. Experten hatten allerdings vorausgesagt, dass nach Weihnachten die Infektionszahlen deutlich ansteigen würden, weil zum Weihnachtsfest traditionell viele Menschen zusammenkommen. Zudem haben wir in den Schulen ein komplettes Monitoring, das heißt, die in Schule befindlichen Kinder und Erwachsenen werden zwei bis drei Mal pro Woche getestet. Damit werden natürlich nahezu alle Infektionen erkannt. Hätten wir genauso umfangreiche Testungen in der Gesamtbevölkerung, wären nach meiner Auffassung die Inzidenzen vergleichbar hoch.Wo stecken sich nach Ihren Erkenntnissen die meisten Grundschulkinder im Kreis Höxter an? Liegt auf den ersten Blick, der Schluss nicht nah, dass sich die Kinder derzeit vor allem im schulischen Kontext anstecken? Nein, der Schluss liegt wie gerade beschrieben nicht nahe. Die Grundschulen sind insofern ein sicherer Ort, weil wir in Nordrhein-Westfalen nach wie vor mit den PCR-Pooltests ein sehr valides Testinstrument haben. Nach unseren Erkenntnissen erfolgten bisher fast alle Ansteckungen im häuslichen Umfeld der Kinder. Zudem werden an den Schulen strenge Hygienekonzepte umgesetzt, um Ansteckungsrisiken einzudämmen.Weil die Corona-Testlabore überfordert sind, hat das Land NRW kürzlich das Testverfahren an Grundschulen angepasst. War ein PCR-Pool-Test positiv, haben die Labore bislang sofort die mitgeschickten Rückstellproben der einzelnen Schüler analysiert. Noch vor Schulbeginn stand fest, welche Kinder infiziert sind und zuhause bleiben müssen. Das neue Verfahren sieht vor, dass sich alle Kinder einer Klasse bei positivem Pool-Test vor Unterrichtsbeginn schnelltesten - entweder in einem Testzentrum oder in der Schule. Welche Erfahrungen mit dem neuen Test-Regime haben Ihnen die Grundschulen bisher zurückgespiegelt? In den weiterführenden Schulen wird das System der Testungen mit Antigen-Schnelltests schon seit längerem praktiziert. Drei mal pro Woche werden dort alle Schüler getestet. Das hat sich dort bewährt. In den Grundschulen werden nur die Kinder eines positiven Pools zusätzlich getestet. Dadurch sind davon deutlich weniger Kinder betroffenen. Zudem gehen die Schulen mit großer Sorgfalt und guten Hygienekonzepten bei der Testung vor. Im Rahmen des Möglichen und angesichts der gesamten Infektionslage schätze ich das Ansteckungsrisiko in den Grundschulen als geringer ein als zum Beispiel im häuslichen Umfeld der Kinder. Bei fast allen Infektionen, die bei den Tests in Grundschulen nachgewiesen wurden, hatten sich die Kindern im familiären Bereich angesteckt. Kinder einer per Pool-Test positiv getesteten Klasse können sich entweder vor Unterrichtsbeginn in Testzentren testen lassen oder per Schnelltest in der Schule. Mit anderen Worten kommen auch einige der noch unentdeckt infizierten Kinder zunächst wieder in die Schule. Für wie problematisch halten Sie das? Mit PCR-Pooltests lassen sich Infektionen sehr viel genauer und früher ermitteln, zum Teil so früh, dass die Infektion mit einem Antigen-Schnelltests noch nicht nachweisbar wäre. Die Schulen und auch die Eltern gehen mit unklaren Infektionslagen sehr verantwortungsvoll um, weil sie den Schutz der Kinder immer im Auge haben. Weil Antigen-Schnelltests weniger zuverlässig sind als PCR-Tests gab es schon mit Beginn des neuen Testverfahrens die Befürchtung, dass sich infizierte Kinder in einer positiv getesteten Klasse über die Schnelltests nicht finden lassen. Welche Erfahrungen gibt es damit an den Grundschulen im Kreis Höxter?Unklare Infektionslagen gibt es in unseren Schulen - aber nur in relativ geringer Anzahl. Diese verunsichern natürlich Kinder und Eltern. Die Schulen gehen damit flexibel, aber immer so sicher wie möglich und sehr verantwortungsvoll um. An den Schulen im Sekundarbereich hatten wir diese Situation, weil dort keine PCR-Lollitests sondern nur Antigen-Schnelltests verwendet wurden. Ich halte die PCR-Lollitests für einen Vorteil, weil damit Infektionen schneller und genauer erkannt werden.Das Virus macht natürlich vor dem Lehrpersonal nicht halt. Deswegen erlaubt das Land NRW Schulen einen flexiblen Wechsel in den Distanzunterricht, falls es wegen des Infektionsgeschehens zu personellen Engpässen kommt.Es war natürlich zu erwarten, dass auch schulisches Personal ausfällt, weil es sich selbst infiziert hat oder weil eigene Kinder infiziert oder in Quarantäne sind. Wir haben im Kreis Höxter bereits vor drei Wochen einen Plan B für die Grundschulen vereinbart, der uns gut geholfen hat, mit solchen Situationen umzugehen.Wie bewerten Sie das Infektionsgeschehen in den Kollegien der Grundschulen derzeit?Ich bin bei der Bewertung des Infektionsgeschehens aktuell sehr optimistisch. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Grundschule Bad Driburg. Die Stadt Bad Driburg hatte in den vergangenen Wochen die kreisweit höchste Inzidenz. Dies zeigte sich auch in den Tests in der Schule. In dieser Zeit waren täglich zehn bis zwölf, vereinzelt sogar noch mehr Pooltests positiv. Die Folge war, dass eine ganze Reihe von Klassen dort in den Distanzunterricht gehen musste. In dieser Woche bemerken wir eine erfreulich positive Entwicklung. Nur noch einzelne oder gar keine Pooltests sind dort noch positiv. Am 11. Februar waren beispielsweise alle Tests negativ. Auf Grund dieser Entwicklung bin ich sehr zuversichtlich, dass wir kurzfristig diese gute Entwicklung im ganzen Kreis haben werden. Deshalb halte die Pooltestungen mittelfristig für nicht mehr erforderlich. Dies würde den Infektionsschutz und die Sicherheit an den Schulen nicht beeinträchtigen, aber für alle Beteiligten an den Schulen einen großen Schritt zurück in die Normalität bedeuten.Mit welchem Gefühl blicken Sie auf die kommenden Wochen? Erfreulicherweise sind die Infektionen mit der Omikron-Variante bei fast allen Kindern bisher eher milde verlaufen. Ich bin optimistisch, dass wir uns schon bald wieder auf mehr Normalität in der Schule hin bewegen. Das freut mich ganz besonders für die Kinder. Die Belastungen durch Corona waren und sind für die Kinder, die Eltern und die Schulen sehr sehr hoch und erfordern täglich einen großen Aufwand und viel Kraft. Diese Belastungen sind an den Grundschulen bisher von allen Beteiligten wirklich bravourös bewältigt worden. Das ist dem außerordentlichen Engagement und dem großen Verantwortungsgefühl der Schulleitungen, der Lehrkräfte, aller sonstigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und insbesondere auch der Eltern zu verdanken. Dafür möchte ich allen Beteiligten ganz herzlich Danke sagen.

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