Laubbläser zwischen Frust und Frevel

Kreis Höxter. Kaum kündet ein dezentes Orange in den Baumkronen vom bevorstehenden Winterschlaf der Natur, juckt es dem einen oder anderen schon in den Fingern, schielt mancher schon vorfreudig Richtung Gartenschuppen. Bricht dann das erste Blatt vom Ast, hört man es plötzlich: Wie eine Rotte laut schreiender Ungeheuer jaulen die Laubbläser und Laubsauger auf. Heulen wie die Wölfe zur gemeinsamen Jagd vom ersten bis zum letzten Blatt. Und ganz beiläufig zerreißen sie das Nervenkostüm des einen oder anderen Nachbarn. Kommt der Herbst, kommt das Laub, kommen die Laubbläser. So ist es schon seit Längerem. Doch geht es nach Harald Gläser, sollte es so nicht bleiben. Zumindest nicht in dem Ausmaß. Denn gegen den motorisierten Kampf gegen ersterbendes Blattgrün führt der Vorsitzende des Naturschutzbundes NABU im Kreis Höxter einige Argumente ins Feld. »Das ist der Tod für alle – vom Wurm bis zur Maus« Zunächst, sagt er, sei der Einsatz von Laubbläsern vor allem da tolerierbar, &bdquo;wo kein belebter Untergrund ist." Auf Gehwegen oder in Garageneinfahrten zum Beispiel. Denn wichtig ist ihm: &bdquo;Man darf nicht weltfremd sein". Das Thema Verkehrssicherung habe Vorrang. Wenn aber an solchen Stellen gepustet wird – dann sollte das Laub an zentraler Stelle zusammengeblasen oder an einen Ort gebracht werden, wo es verrotten kann. So sei auch den Kleintieren, die vom Luftstrom der Geräte mitgerissen wurden, ein Überleben gesichert. Was aus seiner Sicht gar nicht geht: Laub häckseln, sei es per Laubsauger mit integrierter Schredderfunktion oder separatem Häckselgerät. Denn neben den alten Blättern würden so auch Kleinstlebewesen geschreddert. &bdquo;Das ist der Tod für alle", sagt Gläser. Vom Wurm bis zur Maus. Überhaupt hinterfragt der Kreisvorsitzende des NABU den Sinn des Laubblasens. &bdquo;Ich selber hebe bei mir im Garten kein einziges Blatt auf." Manches nehme der Wind mit, anderes hole sich zum Beispiel der Wurm. In der Folge sei vom Laub nach einem halben Jahr nichts mehr zu sehen. In seine Bestandteile zersetzt, dient es als natürlicher Dünger für Boden und Beete. Deren Fruchtbarkeit lasse sich so erhalten. &bdquo;Das ist das Natürlichste der Welt", sagt Gläser. Die Blätter komplett zu beseitigen, gleicht aus seiner Sicht hingegen einem Eigentor. Denn anstatt die Nährstoffe der verrottenden Blätter und damit den natürlichen Kreislauf zu nutzen, kaufen viele Gartenbesitzer Kunstdünger. &bdquo;Das ist doch schizophren", sagt Gläser. Zumal dank übermäßiger künstlicher Düngung der Rasen ungemein sprieße – und die Menschen im Sommer dann gut beschäftige. Droht der Rasen unter einer dicken Laubschicht zu vergehen, müsse das Laub natürlich weggeräumt werden. Doch auch hier gelte: Nicht vollends vernichten, sondern zum Beispiel auf den Kompost tun oder in einzelnen Haufen im Garten liegen lassen. &bdquo;Jedes Kind weiß, dass sich unter Laubhaufen Igel verstecken. Die brauchen den Unterschlupf." Gleiches gilt laut NABU für die Larven vieler Schmetterlinge. Auch Regenwürmer, Spinnen, Käfer, Molche, Raupen und Falter nutzen das Laub als Schutz. Ein weiteres Problem, sagt Gläser, seien natürlich die Schadstoffe, die Geräte mit Verbrennungsmotor in die Luft pusten. Wie das Umweltbundesamt bemerkt, ist das nicht alles. &bdquo;Auch am Boden und im Laub befindliche Mikroben, Pilze, Unrat und Tierkot werden durch Gartengeräte wie Laubsauger und -bläser fein in der Luft verteilt. Besonders für die Benutzer, aber auch für Umstehende ist dies gesundheitlich bedenklich", urteilt die Behörde. Die in jedem Fall bessere, auch, weil emissionslose, Alternative zur motorisierten Laubbeseitigung: Ein Rechen oder eine Harke. Dass ältere Menschen, die große Grundstücke zu pflegen haben, das per Hand nicht schaffen – dafür hat Gläser Verständnis. Bei anderen sei Bequemlichkeit oft der Grund. Und die Verführung durch die Werbung der Hersteller. Gläsers Wunsch ist es, dass die Verpackungen der Geräte zumindest mit dem Hinweis versehen werden, dass sie eine Gefahr für Tiere sein können. Bei Motorsensen zum Beispiel gebe es diese Warnung schon. Vertretbar ist die Nutzung von Laubbläsern laut Gläser und auch laut Umweltbundesamt, wenn es um große Flächen geht. Doch auch professionelle Gartenpfleger bemühen sich um den Ausgleich zwischen Effizienz und Naturschutz. Renate Müller zum Beispiel. Sie ist Inhaberin des Gartenlandschaftsbaubetriebs Terra Flora in Willebadessen-Niesen. Für die Pflege von Kundengärten nutzen sie und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zwar Laubbläser – &bdquo;weil es effektiver ist". Sauger benutzen sie jedoch nicht. &bdquo;Die saugen alles mit ein, auch Tiere." Ihre Kunden versuche sie dafür zu sensibilisieren, dass einige Tiere Laub als Winterschutz brauchen. Und eine weitere Botschaft ist ihr wichtig: &bdquo;Laub ist kein Dreck." Ein Garten sei eben ein Garten und kein Badezimmer. &bdquo;Man sollte da nicht die gleichen Sauberkeitsansprüche anlegen."

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