Lügde: "Wir als Gesellschaft, wir als Kreis Höxter haben versagt"

Höxter. Für Höxters Landrat Michael Stickeln ist die jüngste Medienberichterstattung über mögliche Bezüge der Lügder Missbrauchsfälle in den Kreis Höxter ein Ärgernis: &bdquo;Der Kreis Höxter besteht in der Wahrnehmung nur noch aus Bosseborn und Lüdge", schimpfte er im Jugendhilfeausschuss. Man habe gar den Eindruck, Lügde liege im Kreis Höxter. Gleichzeitig trat er dem Eindruck entgegen, der Kreis Höxter liefere dem Untersuchungsausschuss im Landtag angeforderte Unterlagen nur schleppend: &bdquo;Wir stellen Unterlagen so zeitnah wie irgend möglich zur Verfügung". 1.900 Seiten aus neun Fallakten wurden bereits nach Düsseldorf gebracht. Derzeit laufe die sehr zeitaufwendige Pseudonymisierung von 3.000 weiteren Seiten in vier Akten. Das Thema sei für ihn Chefsache, er kümmere sich persönlich darum, unterstrich Stickeln gleich zu Beginn der Sitzung. An den Mitarbeitern im Jugendamt gehe das Ganze nicht folgenlos vorbei: &bdquo;Die Mitarbeiter sind mittlerweile sehr angstbeladen", betont der Landrat. "Es ist wirklich hochgradig belastend" Inzwischen seien zwölf Mitarbeiter beim Untersuchungsausschuss vernommen worden, berichtete Inga Ribbentrupp, Abteilungsleiterin Allgemeine Soziale Dienste beim Kreis Höxter. &bdquo;Es ist wirklich hochgradig belastend, dort über Stunden vernommen zu werden." Das Arbeitsklima im Amt habe massiv gelitten. Inzwischen habe sie schon viele Mitarbeiter verloren. &bdquo;Ich habe mittlerweile schon sechs Stellen ausschreiben müssen, fünf weitere werden folgen", so Ribbentrupp weiter. Es sei jedoch schwierig, in diesem Bereich qualifiziertes Personal zu gewinnen. &bdquo;Soziale Berufe werden an den Pranger gestellt, Frauen und Männer wollen diese Aufgaben nicht mehr ausüben", stellte auch Gisela Müller von der CDU fest. Sie schoss hart gegen die SPD: &bdquo;Wird hier auf dem Rücken missbrauchter Kinder und engagierter Mitarbeiter eine ganz miese Politik gemacht", fragte sie. Hintergrund: Die SPD hatte im Vorfeld kritisiert, der Jugendhilfeausschuss werde bei diesem wichtigen Thema übergangen und die Sondersitzung eingefordert. Die Sozialdemokraten wiesen den Vorwurf entschieden zurück: Die SPD wolle keineswegs auf Kosten geschändeter Kinder Wahlkampf machen, betonte Frank Oppermann. Parteikollegin Nora Wieners stimmte versöhnliche Töne an: Es sei unglaublich, wie stark motiviert die Mitarbeiter des Jugendamtes trotz des ganzen Chaos um den Untersuchungsausschuss seien. &bdquo;Ich bin froh, dass ich nicht in deren Haut stecke", sagte sie. Die SPD sei auch nicht gegen das geplante externe Gutachten zur Arbeit des Jugendamtes. Man habe nur den Eindruck gewinnen können, dass der Auftrag dafür bereits vergeben wurde, ohne die politischen Gremien zu beteiligen. "Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit" Dies sei mitnichten der Fall, erklärte Landrat Michael Stickeln. Er will vorab den Rat des Landesjugendamtes einholen. &bdquo;Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit", sagte Stickeln weiter. In dieser wichtigen Angelegenheit dürfe es keine politische Effekthascherei oder Schnellschüsse geben. Schlagzeilen hatte es auch um die Aussagegenehmigung für einen Mitarbeiter des Jugendamtes gegeben. Stickeln hatte wie berichtet darum gebeten, die betroffene Person aus gesundheitlichen Gründen schriftlich zu befragen. Dieses hatte der Untersuchungsausschuss jedoch abgelehnt. Inzwischen werde ein amtsärztliches Attest gefordert, welches man beim Gesundheitsamt des Kreises Paderborn einholen will. FDP-Ausschussmitglied Britta Köhler berichtete eindrücklich von ihren Besuchen beim Untersuchungsausschuss in Düsseldorf. Der Auftritt von Abteilungsleiterin Inga Ribbentrup habe sie begeistert. &bdquo;Sie stand stundenlang Rede und Antwort und sagte, dass sie die Fehler der Vergangenheit aufklären will." Hingegen seien die Auftritte anderer Mitarbeiter erschreckend gewesen. &bdquo;Ich dachte, wir sitzen hier wie bei den drei Affen: Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen. Keiner wollte was wissen", sagte Köhler. Sie sei Laie, habe jedoch den Eindruck, dass offenbar jeder im Jugendamt die Verantwortung für das betroffene Kind auf den anderen geschoben habe. &bdquo;Keiner hat es geschafft, sich zu entschuldigen. Keiner hat gesagt, es tut uns leid, was diesen Kindern hier passiert ist", so Britta Köhler weiter. Manchmal müsse man es eben klar formulieren: &bdquo;Wir als Gesellschaft, wir als Kreis Höxter haben versagt."

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