So steht es im Lockdown um den Einzelhandel im Kreis Höxter

Kreis Höxter. Kommt mit der nächsten Corona-Welle auch die große Insolvenz-Welle? Gibt es bald nur noch leere Innenstädte? Seit Beginn des ersten Lockdowns im März des vergangenen Jahres sind die wirtschaftlichen Folgen eines der am heißesten diskutierten Themen in Deutschland. Doch wie groß der wirtschaftliche Schaden tatsächlich ist und wie viele Geschäfte aufgrund der Pandemie bereits schließen mussten, lässt sich bisher kaum ermitteln. Insolvenzen Von Beginn der Pandemie bis zum derzeitigen Datum hat im Kreis Höxter kein Unternehmen Insolvenz angemeldet. Das ergab eine Recherche für diesen Zeitraum im Justizportal für Bund und Länder. Dort sind sämtliche laufenden Insolvenzverfahren im Internet einsehbar. Erst sechs Monate nach Aufhebung oder Beendigung des Verfahrens werden sie gelöscht. Für die einzelnen Gemeinden im Kreis finden sich dort seit Mitte März 2020 nur eine Reihe von Privatinsolvenzen. Das Fehlen von größeren Insolvenzen ist allerdings nicht unbedingt eine gute Nachricht. &bdquo;Mit den Corona-Maßnahmen wurde die Insolvenzantragspflicht ausgesetzt", sagt Jörg Deibert, Pressesprecher der Industrie- und Handelskammer (IHK) Ostwestfalen zu Bielefeld. Normalerweise müssen Unternehmen, die zahlungsunfähig werden, innerhalb von drei Wochen einen Insolvenzantrag stellen. Die Aussetzung der Pflicht gilt momentan bis Ende Januar, soll aber bis Ende April verlängert werden. &bdquo;Damit will die Bundesregierung den Unternehmen zumindest die Möglichkeit geben, die Insolvenz noch abzuwenden", sagt Deibert. Da das aber vermutlich nicht bei allen Betrieben möglich sein wird, werden kommende Insolvenzen auf diese Weise womöglich erst ab Mitte Mai bekannt werden. &bdquo;Durch die Aussetzung ist es wie Kaffeesatzlesen, die weitere Entwicklung abzuschätzen", sagt Deibert. &bdquo;Genau diese Unsicherheit bemängeln wir. Dass für Einzelhandel und Gastronomie die Planung fehlt." Was eine Auswertung zusätzlich erschwert: Wenn ein Unternehmen wegen der Corona-Situation sein Geschäft aufgibt, bevor es akut von Insolvenz bedroht wird, wird das im Justizportal nicht erfasst. Befürchtungen Auch die zuständigen Verbände erfassen nicht, welche Unternehmen und Händler von Insolvenz bedroht oder insolvent sind. Weder die IHK noch der ansässige Handelsverband Hochstift Paderborn führen entsprechende Listen. Der Handelsverband Deutschland befragt jedoch regelmäßig seine Mitglieder landesweit zur aktuellen Situation. Laut der aktuellen Umfrage unter 1.500 Händlern gehen 60 Prozent von Unternehmern in Innenstädten davon aus, ohne weitere staatliche Hilfe vor dem Aus zu stehen. &bdquo;Wenn die Hilfen nicht fließen, leiden die Innenstädte", sagt Kai Buhrke, Geschäftsführer für den Handelsverband im Hochstift Paderborn. Besonders Textilhändler seien in großer Not, da sie nicht mit Riesen des Onlinehandels wie Amazon konkurrieren könnten. Die bisher umfangreichste Liste mit Geschäftsschließungen in der Pandemiezeit findet sich im Archiv der Neuen Westfälischen. Die folgenden Fälle stammen von dort so wie aus Anfragen in den entsprechenden Gemeinden – bei der Hälfte von ihnen spielte Corona allerdings eine direkte Rolle. Hier eine Auswahl. Bad Driburg Das Fachgeschäft ABC-Schuhe musste im Spätsommer schließen. Die Gründe dafür sind unbekannt. Im Hellwegzentrum schlossen gegen Ende des Jahres ein angestammtes Schuhgeschäft, sowie Handelsgeschäft für Haushaltswaren, so Heinz-Jörg Wiegand, bei der Stadt zuständig für Wirtschaftsförderung. Für das Schuhgeschäft habe ein Nachfolger gefehlt. Auch beim zweiten Laden sei das Ende altersbedingt gewesen. Beverungen Im Dezember schloss das Schreibwarengeschäft Kübler in Beverungen nach 122 Jahren. Laut Inhaber Ferdinand Kübler habe es für einen kleinen Einzelhandel keinen interessierten Nachfolger gegeben. Brakel Anfang Mai hatte Aslan Ünal das Gasthaus Tegetmeier aufgegeben. Ein Grund dafür war laut Ünal die durch Corona erschwerte wirtschaftliche Lage. Im Juni schloss die Bäckerei Engel ihre Filiale am Hanekamp zugunsten ihrer anderen Standorte in der Stadt. Laut Geschäftsführer Bernhard Engel habe die Corona-Krise bestehende Probleme – wie eine schwierige Entwicklung in der Innenstadt – verstärkt. In beiden Fällen fanden sich an den Standorten wenige Monate später bereits wieder neue Betreiber. Im November musste schließlich auch die ebenfalls von Aslan Ünal geführte Wunderbar schließen. Laut Vermieter Henning von Ledermann-Wartberg ein Opfer der wirtschaftlichen Situation nach dem zweiten Corona-Lockdown. Zwar handelt es sich nicht um einen Einzelhandel, aber auch die Notfallpraxis im St.-Vincenz-Hospital in Brakel schloss zumindest teilweise coronabedingt. Denn sie lohnte sich für den Betreiber, die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen Lippe (KVWL), schon vor der Krise nicht – aufgrund geringer Frequentierung. Laut KVWL-Bezirksstellenleiter Ulrich Polenz sei es während der Pandemie zudem nicht wünschenswert gewesen, die zusätzlichen ambulanten Patienten der Praxis ins Krankenhaus zu bringen. Höxter Im Dezember schloss auch die Filiale der Damenbekleidungs-Kette Bonita. Laut einer Unternehmenssprecherin seien die Umsätze dort während der Pandemie eingebrochen. Das wirtschaftlich angeschlagene Unternehmen habe sich deswegen von dieser und anderen unprofitablen Filialen trennen müssen. Ebenfalls im Dezember schloss die Wemmels Apotheke. Damit endete ihre Geschichte nach 325 Jahren. Laut Inhaber Eginhard Weyl wurde kein Nachfolger gefunden. Marienmünster Der Vördener Getränkeshop schloss Ende September seine Türen. &bdquo;Aus wirtschaftlichen Gründen", sagt Elmar Meyer vom Hauptamt der Stadt. Ein Zusammenhang mit Corona sei aus seiner Sicht aber nicht erkennbar. Steinheim In der Emmerstadt schloss zum Jahresende unter anderem der Bastel- und Geschenkeladen Muck-Mucks. Nicht Corona-bedingt – Inhaberin Ingrid Mertens freut sich auf den Ruhestand und wollte eigentlich schon Mitte des Jahres aufhören. Doch der Frühjahrslockdown stoppte den Ausverkauf. Ende April schloss zudem der Tee-Laden am Markt. Der genau Grund ist Ralf Kleine von der Wirtschaftsförderung Steinheim nicht bekannt. Ende Juni ging dann eine Ära zu Ende: Nach 209 Jahren schloss die Engelapotheke gegenüber dem Rathaus sowie der ebenfalls von Klaus und Elisabeth Myschik betriebene Reform-Laden. Das Ehepaar ist nach 45 Jahren in den verdienten Ruhestand gegangen. Einen Nachfolger gab es nicht, weil die gesetzlichen Vorgaben bei einem Wechsel zu hohe Hürden gewesen wären. Zudem gibt es in Steinheim noch mehrere weitere Apotheken in unmittelbarer Nähe. Ebenfalls im Juni und ebenfalls aus Altersgründen schloss das Hotel am Markt, sagt Kleine von der Wirtschaftsförderung der Stadt. Warburg Zum Jahresende hat das Spezialhaus für Haus- und Küchengeräte Robert Kettschau an der unteren Hauptstraße die Pforten geschlossen. Ein traditionsreicher Familienbetrieb, der seit 95 Jahren im Warburger Einzelhandel ein Geschäft mit Haushaltswaren, Porzellan- und Glaswaren für die Kunden geführt hatte. Seit einem halben Jahrhundert stand ihnen Waltraud Kettschau beratend zur Seite. &bdquo;Aus Altersgründen", sagt die Inhaberin, habe sie das Geschäft geschlossen. Bislang stehe die Nachfolgefrage noch offen.

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