Höxter. Das dritte Via Nova-Kunstfest auf Schloss Corvey wird in diesem Jahr vom 4. September bis 4. Oktober zum Thema „Wild. Wald. Welt" stattfinden. An drei Wochenenden sind Schauspieler, Autoren, Musiker und Wissenschaftler zu Gast, unter ihnen Klaus Maria Brandauer, Angela Winkler, Johanna Wokalek, Durs Grünbein, Wolfgang Welsch, Albrecht Mayer und Franui.
„In der besonderen Atmosphäre des Schlosses erwartet die Zuschauer ein reichhaltiges Programm mit inszenierten Lesungen, Konzerten, Gesprächen, Puppenspiel, Tanzaufführung, Exkursionen und einer Ausstellung", erklärt die künstlerische Leiterin Brigitte Labs-Ehlert.
Für das Kunstfest wird jährlich ein Thema gewählt, das unmittelbar mit der besonderen UNESCO-Welterbestätte Schloss Corvey verbunden ist. Labs-Ehlert möchte mit der zunächst auf fünf Jahre konzipierten Serie von Kunstfesten die lang gehüteten Schätze der Bibliothek von Kloster Corvey heben und für die Gegenwart lesbar machen. Dem diesjährigen Motto „Wild. Wald. Welt" liegen die „Annalen" des Tacitus zugrunde, vervielfältigt im Corveyer Skriptorium. Für die italienischen Humanisten wurde diese Handschrift so wertvoll, dass man sie entwendete und nach Rom brachte, wo sie in den Besitz von Giovanni de Medici, dem späteren Papst Leo X, gelangte. In seinen „Annalen" berichtet der Geschichtsschreiber vom Niedergang des römischen Principats und Untergang der römischen Legionen im endlosen Waldmassiv des Teutoburger Waldes. Für Tacitus besaßen die Germanen im dichten Baumgrün einen Verbündeten, dieser Gedanke mündete später in eine fatale politische Ideengeschichte der Deutschen.
Wald und Wildnis, Natur und Kultur
Das Kunstfest eröffnet einen vielstimmigen Assoziationsraum zu Wald und Wildnis, Natur und Kultur und verbindet historische Epochen und unterschiedliche Kulturen mit Kunst und Literatur und deckt verborgene ideengeschichtliche Beziehungen auf. „Mit unserer menschlichen Entwicklung wandelte sich auch unser Bild vom Wald", so Brigitte Labs-Ehlert. Er war im Mittelalter Schutzraum für Ausgestoßene und Verfolgte, mythenbeladene Wildnis bei den Brüdern Grimm, war Sehnsuchtsort der Romantik und wurde im Dritten Reich für Propaganda instrumentalisiert. Heute wird er zum Erinnerungsort an eine archaische Welt stilisiert, in der Jäger und Bauer, noch eng mit der Natur verbunden, alte Jagdrituale pflegten und der Zauber der Landschaft an viele Kindheitserfahrungen geknüpft ist.
„Wir meinen jedoch nicht nur diese verschwindenden Erinnerungsräume, wenn wir vom sterbenden Wald sprechen. Vor allem beunruhigen uns die immer deutlicher werdenden realen ökologischen Schäden, ein Ergebnis wachstums- und gewinnorientierter Lebensweise", betont Brigitte Labs-Ehlert. Immer wieder entzünde sich am Wald die Frage, wo die Grenze zwischen Wildnis und Zivilisation verläuft oder ob nicht doch Mensch, Natur und Welt eins sind. „Das Wilde und die Wildnis könnten bedeuten, umzudenken, sich zu verwandeln, zuschauen und staunen zu lernen, Dynamik im Denken zuzulassen", ist sich Brigitte Labs-Ehlert sicher.
Programm an drei Wochenenden
Literarische, musikalische und philosophische Erkundungen führen an drei Wochenenden durch heimische Wald- und somit Geisteslandschaften, weiter über Wälder in Litauen, Griechenland und Russland bis hin zu den entfernten Baumlandschaften Amerikas und Afrikas. „Denn in einer vernetzten und globalisierten Welt lässt sich kaum noch etwas einzeln betrachten und verstehen", erinnert Labs-Ehlert. Texte der Antike treffen auf Klassiker der Weltliteratur aus dem frühen Mittelalter, auf Erzählungen von Literaturnobelpreisträgern und prägende Gedichte und Romane der Gegenwart.
Gespräche zwischen Philosophen und Biologen werden Grundfragen menschlicher Existenz, denen wir uns aktuell stellen müssen, erörtern. Die Musik bildet eine große Klammer mit Schwerpunkt Romantik und mit Ausflügen zu Alter Musik, unkonventionellen traditionellen Gesängen und Improvisationen. „Zum ersten Mal tritt eine Ballettkompanie mit Waldstücken auf", freut sich die Künstlerische Leiterin. Eine vielgestaltige Ausstellung zu Wald, Wild und Welt ist während des gesamten Kunstfestes ebenfalls zu sehen.
INFORMATION
Das Programm
Freitag, 4. September
17 Uhr Lesungen & Ausstellungseröffnung; Dominique Horwitz: Friede den teutonischen Urwäldern; Durs´ 17 Uhr Lesungen & Ausstellungseröffnung; Dominique Horwitz: Friede den teutonischen Urwäldern; Grünbein: Germanischer Komplex Gedichte und Szenen
20 Uhr: Konzert, AndrèSchuen, Bariton & Daniel Heide, Klavier
Samstag, 5. September
10.30 Uhr Exkursion ´ 16 Uhr Lesung, Vortrag und Gespräch, Konzert; Hanns Zischler: Henry D. Thoreau, Lob der Wildnis; Hansjörg Küster und Jürgen Goldstein: Mythos deutscher Wald; Mari Kalkun, Gesang´ 20 Uhr Konzert und Puppenspiel: Musicbanda´ 20 Uhr Konzert und Puppenspiel: Franui und Nikolaus Habjan
Sonntag, 6. September
11 Uhr Lesung mit Musik; Christian Berkel: Ivan Turgenev, Aufzeichnungen eines Jägers; Jean Rondeau, Cembalo
Freitag, 18. September
20 Uhr Lesung mit Musik; Matthias Brandt:Czes?awMi?osz, Das Tal der Issa; Simone Rubino, Perkussion
Samstag, 19. Sept.
9.30 Uhr Exkursion´ 16 Uhr Lesung, Gespräch, Konzert; Sebastian Rudolph: Gary Snyder, Lektionen der Wildnis; Daniela Danz und Tanja Busse: Wildniß, Gedichte; Nynke, Gedichte; Laverman, Gesang & SytzePruiksma, Piano
20 Uhr Lesung mit Musik; Johanna Wokalek: Hélène Grimaud, Das Lied der Natur; Axel Milberg: Sjøn, Der Schattenfuchs; Fabian Müller, Klavier
Sonntag, 20. Sept.
11 Uhr Neu gelesen; Klaus Maria Brandauer: William Faulkner, Der Bär
Freitag, 2. Oktober
20 Uhr Tanzaufführung; Bayerisches Junior Ballett
Samstag, 3. Oktober
10.30 Uhr Exkursion, Lesung und Konzert; St. Michaelskapelle Ovenhausen; Zora delBuono: Das Leben der Mächtigen; Zsófia: Das Leben der Mächtigen; Boros, Gitarre´ 16 Uhr Vortrag und Gespräch, Lesung, Konzert; Wolfgang Welsch und Andreas Weber: Natur ist ein Mißverständnis; Tadeusz Dabrowski und Renate Schmidgall: Die Bäume spielen Wald; Viviane Chassot, Akkordeon und Martin Mallaun, Zither´ 20 Uhr Lesung mit Musik; Corinna Kirchhoff und Angela Winkler: Béroul, Tristan und Isolde; Anja Lechner, Cello und François Couturier, Klavier
Sonntag, 4. Oktober
11 Uhr Lesung mit Musik; Jens Harzer und Marina Galic: Der wilde Forst; Albrecht Mayer, Oboe
Karten und ausführliches Programm unter www.schloss-corvey.de
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