Mit diesen Problemen kämpfen die Freiwilligen Feuerwehren im Kreis Höxter

Kreis Höxter. Wenn es auf dem Land brennt, flitzt der Landwirt aus dem Stall zum Feuerwehrgerätehaus, wechselt Stiefel- und Stallmontur gegen seine Feuerwehrausrüstung und düst mit weiteren Kameraden zum Einsatzort. Noch vor nicht allzu langer Zeit war damit die Arbeitsweise der Freiwilligen Feuerwehr im Kreis Höxter treffend beschrieben. Doch wie Kreisbrandmeister Rudolf Lüke feststellt, sei es in den letzten Jahren zunehmend schwierig geworden, im Fall der Fälle in den einzelnen Dörfern eine schlagfertige Truppe zusammenzustellen. Und das bei einer erneut hohen Anzahl von 2.132 Feuerwehreinsätzen im zurückliegenden Jahr und Extrem-Ereignissen wie der Schlammkatastrophe von Erkeln im Oktober oder dem Großbrand in einem Beverunger Entsorgungsunternehmen im Juni. Hemmschwelle für Alarmierungen gesunken In vielen Dörfern gebe es nur noch wenige Landwirte oder andere Menschen, die vor Ort tätig seien und damit schnell zur Verfügung stünden. "Schwierig ist die Lage vor allem in Schläferdörfern, wenn die Feuerwehr-Mitglieder nur nachts zum Schlafen nach Hause kommen, beruflich aber weit weg vom Wohnort tätig sind", so Lüke. Auch während größerer Festlichkeiten wie Silvester oder Karneval sei die Verfügbarkeit der Kameraden ein Problem. Erschwerend komme hinzu, dass bei vielen Menschen die Hemmschwelle für die Alarmierung der Feuerwehr gesunken sei. Häufig werde die Feuerwehr hinzugerufen, obwohl das Problem mit einem Schlauch, einem Eimer Wasser oder selbst dem Inhalt einer Wasserflasche hätte gelöst werden können. "Die Mentalität, mal eben selbst ein Problem zu lösen, ist mittlerweile selten anzutreffen", meint der Kreisbrandmeister, auch wenn die Wahl der Notrufnummer 112 im Zweifel immer richtig sei. Um mit Blick auf die Tagverfügbarkeit Rat zu schaffen, drehen Lüke und seine Kollegen an verschiedenen Stellschrauben. Einen Lösungsansatz sieht er im Konzept der Doppelmitgliedschaft. Demnach könne jemand Mitglied in zwei Wehren werden - in seinem Heimatort sowie am Ort seiner Arbeit. Nachwuchs für die Feuerwehr gewinnen Darüber hinaus soll eine Anpassung der Alarmierungsstrategie sicherstellen, dass sich schnell eine ausreichend große Truppe findet. "Wenn wir sonst nur eine Löschgruppe alarmiert hätten, sind es jetzt unter Umständen zwei", so Lüke. Manchmal komme es dann jedoch vor, dass sich am Einsatzort mehr Kräfte einfänden, als tatsächlich gebraucht würden. Dafür werden sie von ihren Arbeitgebern freigestellt. Die stünden Lükes Wahrnehmung nach vor allem bei größeren Einsätzen voll hinter dem ehrenamtlichen Engagement ihrer Mitarbeiter. Und als Drittes versuche man, gegen das Nachwuchsproblem vorzugehen. Das ergebe sich nicht nur aus dem demografischen Wandel, sondern hänge auch damit zusammen, dass die Freiwilligen Feuerwehren oft nicht von Zuwanderungen profitierten. Um schon die Kleinsten für die Feuerwehr zu begeistern, seien in mehreren Dörfern und Städten im Kreisgebiet neben Jugendfeuerwehren auch Kinderfeuerwehren gegründet worden. So in Herstelle, wo 2017 die kreisweite erste Kinderfeuerwehr ins Leben gerufen wurde. Oder in Stahle. Weitere Kinderfeuerwehren seien in Warburg und Bad Driburg geplant oder bestünden bereits. "Aufgabe des Leiters ist es, bei Bedarf weitere Einsatzkräfte anzufordern" In spätestens zwei Jahren könnten auch die 325 aktiven Einsatzkräfte der Brakeler Feuerwehr weitere Unterstützung bekommen. Denn dann könnte es auch in Brakel eine Kinderfeuerwehr geben. Bis Unterstützung nachwächst, befindet aber auch Sven Heinemann, Leiter der Brakeler Feuerwehr: "Die Tagesverfügbarkeit ist kein einfaches Spiel." Doch sei es noch nie vorgekommen, dass während eines Einsatzes nicht genügend Personal zur Verfügung stand. "Aufgabe des Leiters ist es, rechtzeitig nachzusteuern und bei Bedarf weitere Einsatzkräfte anzufordern." Um tagsüber genügend Feuerwehrleute zur Verfügung zu haben, sei in der Stadt Beverungen eine Tagalarmgruppe aus 15 bis 20 Einsatzkräften gegründet worden, die für die Arbeit in den Stadtbereich einpendelten, berichtet Stefan Nostitz, Leiter der Beverunger Feuerwehr. Die hatte in den vergangenen Jahren immer mehr zu tun. So sei mit Blick auf die letzten Jahre ein "gravierender Anstieg" der Einsatzzahlen festzustellen. Habe die Häufigkeit 2016 und 2017 mit 80 bzw. 75 Einsätzen noch im Normalbereich gelegen, sei die Feuerwehr 2018 zu 115 Einsätzen und 2019 zu 152 ausgerückt. "So wenig wie möglich, so viel wie nötig" "Wir hatten viele Unwettereinsätze, mussten aber auch oft wegen Ölspuren ausrücken", erklärt sich Nostitz den Anstieg. Eine genau Analyse der Gründe für die Zunahme sei in Arbeit. Doch war 2019 nicht nur in der Statistik "sehr extrem". Der Großbrand eines Entsorgungsunternehmens im Beverunger Gewerbegebiet, drei direkt aufeinanderfolgende Brände im Stadtgebiet mit Personengefährdung und ein Hausbrand in Herstelle, bei dem im Juli eine Frau ums Leben kam, zählt Nostitz zu den besonderen Vorkommnissen. Ziel bei jedem Einsatz sei die bedarfsgerechte Alarmierung. Wie viel Personal für welche Art von Zwischenfall gebraucht wird, sei in der Alarm- und Ausrückordnung festgelegt. "So wenig wie möglich, so viel wie nötig" laute die Logik, nach der die rund 350 Beverunger Kräfte von ihren Arbeitsstellen abberufen würden. An Richtwerten orientiert, lege dann der Einsatzleiter fest, wie viel Ruhezeit einem Feuerwehrmann nach einem Einsatz zusteht. Bei einem zweistündigen Nachteinsatz verschiebe sich der Arbeitsbeginn zum Beispiel von sieben auf neun Uhr. Bei seelisch und körperlich besonders anspruchsvollen Einsätzen noch länger. "Doch als Freiwillige Feuerwehr sind wir nicht nur auf die Unterstützung der Arbeitgeber angewiesen, sondern auch auf den Rückhalt bei den Familien unserer Einsatzkräfte", unterstreicht der Feuerwehrleiter.

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