Wird die ganze Windkraft-Planung im Kreis Höxter jetzt ad absurdum geführt?

Brakel. Eine gebundene Ausgabe des Baugesetzbuches und eine blassrote Kladde in der Hand, schreitet Rechtsanwalt Thomas Tyczewski von der Münsteraner Kanzlei Wolter-Hoppenberg durch den Sitzungssaal Alte Waage. Er ist Rechtsbeistand der Stadt Brakel und zu dieser Ratssitzung eingeladen, um zu erklären, warum acht Windräder auf einer Fläche genehmigt wurden, die die Stadt als Windgebiet ausgeschlossen hat, und - noch viel interessanter - wie sich aktuell vier weitere Windenergieanlagen in einem Genehmigungsverfahren beim Kreis Höxter befinden können, obwohl sie auf einer Fläche gebaut werden sollen, die weder von der Stadt noch vom Regionalrat ausgewiesen wurde. Und warum das Auswirkungen weit über die Stadt Brakel hinaus haben könnte. Im Westen von Brakel soll ein Windpark entstehen, der Windpark Brakel-West. Auf einer Fläche allerdings, die von der Stadt Brakel nie als Potenzialfläche für Windräder gedacht war. Im Gegenteil. &bdquo;Wir haben sie ganz bewusst ausgenommen“, betont Bürgermeister Hermann Temme und wird emotional, &bdquo;weil wir sonst umzingelt wären, das ist dann nicht mehr meine Heimat, das muss ich ganz ehrlich sagen“. Das Gefühl, von weißen Riesen bedroht zu werden, erhitzt die Gemüter. Hintergrund ist hier, dass die Stadt Brakel 2024 einen Flächennutzungsplan aufgestellt und darin Areale im Stadtgebiet gekennzeichnet hat, in denen Windräder gebaut werden dürfen. Hermann Temme zufolge traf dies auf 15 Prozent der Flächen zu. Allerdings habe der Regionalrat in Detmold, wie Rechtsanwalt Tyczewski erläutert, ein eigenes Konzept erstellt, das wiederum den städtischen Plan &bdquo;abgelöst“ habe: &bdquo;Das hat zu Brakel-West geführt.“ Lesen Sie auch: Stadt Brakel klagt gegen Genehmigungen von acht Windanlagen Stadt Brakel klagt gegen die Genehmigung von acht Windrädern Ein Windpark, in dem sich künftig zwölf Windräder drehen könnten. Das Dutzend darf hier aber nicht als Dutzend verstanden werden. Denn nur acht der zwölf Anlagen sollen auf der durch den Regionalplan ausgewiesenen Fläche gebaut werden. Die restlichen vier sind auf Grund und Boden geplant, der in keinem aktuell gültigen Plan Windradfläche ist. Der Einfachheit halber aber zuerst zu den Acht: Aufgrund des gültigen Regionalplanes musste der Kreis Höxter die Bauanträge genehmigen. Wenig überraschend war die Stadt Brakel nicht angetan. &bdquo;Da haben alle politischen Interventionen nicht weitergeführt“, sagt Temme, &bdquo;und da muss man manchmal versuchen, die politische Notbremse zu ziehen“. Heißt klagen. &bdquo;Diese Klage richtet sich zwar formal gegen den Kreis Höxter als Genehmigungsbehörde, in der Sache allerdings gegen die erste Änderung des Regionalplans OWL“, heißt es in der Verwaltungsvorlage der Stadt - fast schon entschuldigend. Brakel will beim Kampf um die Windkraft das Beste rauszuholen Die Klage sei fristgerecht beim Gericht eingegangen, berichtet Tyczewski und erläutert auf Nachfrage von Dirk Simon (CDU) auch, wie das finanzielle Risiko aussieht. Verlöre die Stadt Brakel vor Gericht, hätte sie Gerichts- und Anwaltskosten zu zahlen. Mögliche Schadensersatzforderungen könnten aber nicht an die Stadt gerichtet werden. Auch interessant: Bürgerinitiative sammelt Unterschriften: Widerstand gegen Windpark Brakel-West &bdquo;Wenn wir unterliegen“, wendet sich Simon dann ganz pragmatisch an Alexander Möhring, dem Geschäftsführer von WNE (Westfälisch-Niedersäschische Energie), einer Tochter der Westfalen-Weser, &bdquo;dann erwarte ich trotzdem, dass wir ein Beteiligungsmodell aushandeln.“ Möhring, der den Brakelern, wie er sagt, schon bei der Höhe der geplanten Anlagen entgegengekommen sei, sicherte zu, eine etwaige &bdquo;sportlich zu nehmen“. 175 statt wie zuerst angedacht 200 Meter sollen die Anlagen in die Höhe ragen. Projektierer können auf eigene Gefahr bauen Was aber, wenn die Stadt gewänne? Die Klage hat, wie Hermann Temme erklärt, keine aufschiebende Wirkung. Das heißt: Die genehmigten Windräder können auf eigene Gefahr der Projektierer gebaut werden. Stehen sie schon, wenn ein Gericht urteilen sollte, dass sie nicht genehmigungsfähig waren, müssten sie im &bdquo;worst case“ zurückgebaut werden, sagt Tyczewski. Mehr zum Thema: Neue Flächen für Windräder: Den Kreis Höxter trifft es am härtesten Darüber hinaus bestünde noch die Möglichkeit, gleich den ganzen Regionalplan zu beklagen. Das hatte übrigens auch ein Bürgerantrag gefordert. Mit diesem Rechtsmittel gebe es keine Erfahrung und so auch keine stichhaltige Erfolgsprognose, sondern wie im Paragrafendschungel so häufig, unterschiedliche Einschätzungen. Und deswegen rät Tyczewski auch, abzuwarten. Ein Jahr hat die Stadt Zeit, um gegen den Plan als solchen vorzugehen, also bis April 2026. Projektierer muss sich in Brakel kritische Nachfragen gefallen lassen Und nun zu den vier anderen Windrädern, die sich im Genehmigungsverfahren beim Kreis Höxter befinden, aber noch nicht genehmigt sind. Allerdings scheint es aus Projektierersicht ganz gut auszusehen. &bdquo;Die sind eine ganz andere Dimension“, sagt der Anwalt. Und noch tiefer blicken lässt, dass &bdquo;das hat uns auch überrascht“ von Projektierer Möhring. Denn das Windmühlenquartett soll außerhalb der im Regionalplan vorgesehenen Areale aufgestellt werden. Wie kann das sein? Alexander Möhring erklärt auf kritische Nachfrage von Ratsmitglied Stefan Heilemann (Liste Zukunft), dass die WNE als Projektiererin schon wesentlich früher auf allen Flächen, die passend erschienen, geplant habe. Darunter auch auf dem Fleckchen Land, auf dem die vier Windräder gebaut werden könnten. Was steht im Erneuerbare-Energien-Gesetz des Bundes? &bdquo;Standorte, die Sie nicht wollen und die nicht im Regionalplan sind, da hat man immer gesagt, die können nicht gebaut werden“, fasst Tyczewski noch einmal zusammen. Möglicherweise aber lasse Paragraf 2 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes ein Schlupfloch. Dort heißt es: &bdquo;Die Errichtung und der Betrieb von Anlagen sowie den dazugehörigen Nebenanlagen liegen im überragenden öffentlichen Interesse und dienen der öffentlichen Gesundheit und Sicherheit. Bis die Stromerzeugung im Bundesgebiet nahezu treibhausgasneutral ist, sollen die erneuerbaren Energien als vorrangiger Belang in die jeweils durchzuführenden Schutzgüterabwägungen eingebracht werden.“ Das klingt nach Einzelfallentscheidungen. Mitunter nach zahlreichen Einzelfallentscheidungen. Das könnte sie auch interessieren: Eine Anlage im Kreis Höxter, die bundesweit für stabile Stromversorgung sorgen soll – Wie geht das? Ließe das &bdquo;überragende öffentliche Interesse“ derartige Ausnahmen zu, wäre der Regionalplan &bdquo;eigentlich ad absurdum geführt“, sagt Tyczewski. Mit Spannung wird deshalb die Entscheidung des Kreises erwartet. Die WNE hat jedoch, wie Alexander Möhring erklärt, bereits Verträge mit den Landbesitzern geschlossen. &bdquo;Wenn die Windräder genehmigt werden, dann sind wir gegenüber den Eigentümern verpflichtet und dann werden wir auch bauen.“ Eine Aussage, die in Brakel Alarmglocken schrillen lässt. &bdquo;Wenn das Schule macht“, meint Hermann Temme, &bdquo;dann ist nicht nur Brakel betroffen“.

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