Cannabiskonsum erlaubt, Sahnetorten verboten: Regulierungswahn nervt Landwirte im Kreis Höxter

Kreis Höxter/Brakel. Das Podium war etwas kleiner als geplant – der AfD-Kandidat hatte krankheitsbedingt abgesagt. Und so stiegen vier Bundestagskandidaten, Katrin Freiberger (SPD), Anne Rehrmann (Grüne), Dennis Niedermark (FDP) und Christian Haase (CDU), in die Themenvielfalt der Landwirtschaft ein. So hatte es Moderator Patrick Liste, Chefredakteur des &bdquo;Landwirtschaftlichen Wochenblattes“, vorbereitet: Drei Themenblöcke zu den Bereichen Pflanzenbau, Tierhaltung und Energieerzeugung. Je zwei Fragen für alle Vier, dann Runde frei für Fragen des Publikums. Ganz besonders spannend war dabei ein Kurzformat, bei dem sich die Kandidaten schnell entscheiden mussten und das bei den rund 300 Zuhörerinnen und Zuhörern des Kreisbauerntages in der Stadthalle Brakel ebenfalls spontane, zum Teil überraschte Reaktionen hervorrief. Lesen Sie dazu auch: Landwirte im Kreis Höxter: &bdquo;Das A und O für uns ist, dass wir Gewinn generieren“ Rückblick auf das, was vorher passierte: Sieben junge Landwirtinnen und Landwirte aus dem Kreis Höxter standen als junge Gesichter ihres Berufsstandes im Fokus von Ehrungen (siehe Info-Box). Und der Vorsitzende des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes Höxter sowie des Bezirksverbandes, Antonius Tillmann, fand ebenso ernste Worte wie humorvoll-ironische Bilder für das, was derzeit in der Landwirtschaft passiert und was die Akteure mächtig aufregt. Zudem gab es von ihm so kurz vor der Bundestagswahl ein leidenschaftliches Plädoyer für die Grundwerte der Demokratie. Vermeintlich Schuldige werden von Populisten an Pranger gestellt Schon seit dem Mittelalter suche man Menschengruppen, um sie als vermeintlich Schuldige an den Pranger zu stellen. Auch heute noch. &bdquo;Migration beziehungsweise Migranten werden gerade von Populisten als Hauptproblem dargestellt“, sagte er. Taten von Magdeburg oder Aschaffenburg befeuerten die Debatte. Es gebe keine Rechtfertigung für diese Gewalttaten. Und man habe nur begrenzte Möglichkeiten, Menschen aufzunehmen. Dennoch mahnte er: &bdquo;Aber was macht diese Debatte mit den Menschen mit Migrationshintergrund, die als Ärzte, Krankenpfleger tagtäglich Menschenleben retten und erhalten? Und die vielen anderen, die in Berufen arbeiten, die keiner von uns Alteingesessenen machen will.“ Er nannte Beispiele von Beschimpfungen einer Krankenschwester oder eines Heilerziehungspflegers. &bdquo;Hass und Hetze in den Sozialen Medien wirken“, betonte er. Es gebe dort &bdquo;keine Schranken, keinen Anstand oder Respekt.“ Sie brächten die Menschen nicht zueinander, sondern gegeneinander auf: &bdquo;Ein heißer Kopf denkt nicht rational.“ Menschen wie Elon Musk müssten gestoppt werden, forderte er ganz klar. Was wir tun könnten? &bdquo;Das Miteinander fördern, miteinander reden, unter schiedliche Meinungen vor allem auch aushalten, nicht sofort den Schuldigen suchen, sondern erst einmal nachdenken. Denken und sich nicht einbilden, dass es einfache Lösungen in einer komplexen Welt gibt.“ Hofnachfolger scheuen vor Risikofaktoren Nach dem klaren Statement für die Werte der Gesellschaft ging Tillmann auf die Sorgen der Landwirte ein: Fehlende Investitionen – &bdquo;gerade unsere Hofnachfolger scheuen sich vor exorbitant hohen Planungs- und Baukosten“ -, Tierseuchen, auf die man in Deutschland zu spät mit der Zulassung von Impfungen reagiert habe, und die nicht nur das Leiden der Tiere, sondern auch der Bauern verursachten. Das passt zum Thema: Maul- und Klauenseuche: Landwirt aus dem Kreis Höxter erklärt Virus-Verbreitung Und der Dauerbrenner: Bürokratie. &bdquo;Investitionen müssen gefördert werden, nicht ausgebremst.“ Dazu fehle das Vertrauen in Menschen: Alles müsse geregelt und dokumentiert werden, keiner traue sich mehr Entscheidungen zu. Einfaches Beispiel: Sahnetorten auf Dorffesten. &bdquo;Wenn jemand nach einem Dorffest schlecht zurecht ist, liegt das in der Regel am Konsum von Alkohol oder zu viel Essen“, sagte er unter großem Beifall. &bdquo;Wir erlauben den Konsum von Cannabis, aber nicht von Sahnetorten auf Dorffesten. Wegen möglicher Mängel in der Kühlkette.“ Höxters Landwirtechef appelliert an die Politik Kopfschütteln: &bdquo;Unsere Mitbürger können sehen, riechen, schmecken. Lassen Sie unsere Mitbürger doch selbst entscheiden“, forderte er mehr gesunden Menschenverstand. Zumal diese bei Urlauben in ferne Gefilde es als selbstverständlich hinnähmen, “dass mal eine Innenrevision stattfindet“. Also auch Reisen verbieten? Auch interessant: Riesenstromtrasse im Kreis Höxter - lokale Landwirte in Sorge &bdquo;Wir müssen weg von einem 200-prozentigen Sicherheitsdenken zu risikoorientierten Gesetzen und Verordnungen.“ Und sollten – auch und vor allem als Politiker – den Mut haben, &bdquo;den Menschen wieder Selbstverantwortung zuzutrauen“, schloss der Vorsitzende unter großem Applaus. Sein Appell an die Akteure: &bdquo;Streitet nicht, sondern macht konstruktive Politik.“ Die Grußworte aus dieser überbrachte Landrat Michael Stickeln mit &bdquo;Landwirtschaft bedeutet Beständigkeit“ und dem Verweis auf die &bdquo;Tugenden Leistung, Solidarität, Nachhaltigkeit und Bescheidenheit“, die man auch in Zukunft benötige. Die stellvertretende Bürgermeisterin aus Brakel, Ulla Grewe, betonte, die Landwirtschaft sei &bdquo;ein Rückgrat dieser Region“, ohne die sie sich nicht weiterentwickeln könne, und verdiene Wertschätzung in Form von angemessenen Preisen. Bleibt noch die Antwort auf die Frage nach dem Format, das Ohs und Ahs im Publikum verursachte: Daumen rauf und Daumen runter der vier Kandidaten auf Fragen des Moderators, beispielsweise zum Einsatz neu entwickelter Sorten in der Landwirtschaft, die klimaresistenter sind – vier Mal Daumen rauf.

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