Diskussion zur Europawahl in Brakel: Das Thema Zuwanderung spaltet

Brakel/Kreis Höxter. Die Jugend rückt nach rechts? Zumindest anhand der Wortmeldungen der Schülerinnen und Schüler bei der Podiumsdiskussion zur Europawahl, die die Bürgerbewegung Pulse of Europe in Brakel organisiert hatte, lässt sich eher ein gegenteiliger Trend ablesen. CDU-Europakandidatin Verena Mertens wurde ob der Neuausrichtung der Flüchtlingspolitik ihrer Partei regelrecht ins Kreuzverhör genommen. Es war wie eine Schreckensnachricht, die durch die Medien geisterte: Laut der Studie &bdquo;Jugend in Deutschland 2024“ erkennen Forscher bei der jungen Generation in Deutschland einen &bdquo;deutlichen Rechtsruck“. Die Schülerinnen und Schüler der Brede, des Gymnasiums St. Xaver sowie der Gesamtschule Brakel scheinen gefeit zu sein gegen rechte Tendenzen. In der von Puls of Europe organisierten Podiumsdiskussion mit den Europawahl-Kandidaten Verena Mertens (CDU), Ingo Stucke (SPD), Dave Pador-Sundermeyer (Bündnis 90/Die Grünen), Micha Kaspers (FDP) und Ludwig Degmayr (Freie Wähler) in der Stadthalle Brakel wurde die CDU-Kandidatin aus Paderborn ob des schärferen Kurses ihrer Partei in der Asylpolitik von den Schülerinnen und Schülern in die Mangel genommen. Rainer Pauli, Sprecher von Pulse of Europe in Brakel, hatte zuvor kurz skizziert, worum es ihm und seinen Mitstreitern geht: &bdquo;Europa darf nicht scheitern. Es ist wichtig, europafreundliche Parteien zu wählen, damit sie Europa reformieren und verbessern“, gab er die Marschrichtung vor. Und erklärte damit indirekt wohl auch, warum die Bürgerinitiative bei den Diskutanten so etwas wie eine Vorauswahl getroffen hatte - von 40 Parteien, die zur Wahl antreten, sind fünf vertreten. Welche Themen bewegen die Schüler? Moderator Tobias Fenneker von &bdquo;Radio Hochstift“ führte durch den Abend und lenkte den Blick dabei immer wieder auf die Schülerinnen und Schüler. Vier waren vorn auf der Bühne vertreten und wurden in die Debatte eingebunden. Für die Zuschauer bot sich die Gelegenheit, die teils aus verschiedenen Ecken Nordrhein-Westfalens angereisten Kandidaten überhaupt mal kennenzulernen. Für Grünenkandidat Dave Pador-Sundermeyer aus Porta-Westfalica ist das Hauptthema seiner Kandidatur &bdquo;der Kampf gegen Rechtspopulismus in Europa“. Die EU habe so viel erreicht, dass sie als Institution &bdquo;auf jeden Fall geschützt“ werden müsse. Micha Kaspers aus Bielefeld tritt für die FDP an. In seinen Augen steht die FDP &bdquo;wie keine andere Partei für Freiheit“, in seinen Augen ist denn auch die EU &bdquo;das größte Freiheitsprojekt der Welt“. Auch für Degmayr von den Freien Wählern sei das Migrationsthema &bdquo;ein großes Thema“, einen Akzent setzte er mit dem Thema Cybersicherheit, Europol könne da hilfreich sein, die Zusammenarbeit mit Interpol könne jedoch besser werden. Anders als bei den übrigen Kandidaten ist für Verena Mertens (CDU), Paderborner Chefin der Kriminalpolizei, mit Listenplatz vier ein Einzug ins Europäische Parlament durchaus realistisch. &bdquo;Oh ja, das könnte klappen“, kommentierte sie ihre Chancen. Hauptthema ist für sie die innere Sicherheit, mit der sie sich, berufsbedingt, auskennt. Den Rechtspopulismus will auch sie bekämpfen, &bdquo;die kritisieren nur, bieten aber keine Lösungen an“. Kaspers glaubt, dass die junge Generation deshalb nach rechts tendiert, weil Coronakrise und der anschließende Ukraine-Krieg verunsichert haben. Viele Jugendliche wünschten sich mehr Orientierung. Er wolle, auch durch Bürokratieabbau, den Leuten wieder &bdquo;mehr Spaß an Europa machen“. Ingo Stucke (SPD), Pfarrer in Bielefeld-Brackwede, will sich an den harten Themen abarbeiten: &bdquo;In welchem Europa wollen wir leben?“ Dazu zählt in seinen Augen etwa der Umbau der Wirtschaft angesichts des Klimawandels oder aber der Umgang mit den Bedrohungen aus Russland oder Bedrohungen von rechts. Schülerin Gina Fleischauer war die erste Schülerin, die die Neuausrichtung der Flüchtlingspolitik der Union kritisierte. Die CDU wolle Grenzkontrollen verstärken, &bdquo;das widerspricht doch den Wert der Freiheit, der auf Plakaten steht“. Mertens wehrte die Attacke ab: &bdquo;Grenzkontrollen und Freiheit widersprechen sich nicht“, Freiheit in der EU gebe es nur, wenn es Sicherheit gebe. Das Asylrecht sei ein Recht, zu dem sie stehe. Man müsse ber verhindern, dass Menschen aus wirtschaftlichen Gründen in die EU kämen: &bdquo;Die, die Schutz brauchen, sollen zu uns kommen, die anderen sollen zurückgewiesen werden. Kritik am CDU-Grundsatzprogramm Pador-Sundermeyer kritisiert, dass im neuen CDU-Grundsatzprogramm steht, dass zur Sicherung der EU-Außengrenzen auch &bdquo;der bauliche und technische Grenzschutz“ gehört, &bdquo;wo immer es nötig ist“. Sein Vorwurf: &bdquo;Individuelles Leid wird ignoriert“, glaubt er, gerade durch den Klimawandel würden &bdquo;viele Teile der Welt unbewohnbar“. Dieser Fluchtursache müsse im Asylrecht Rechnung getragen werden. Stuke stellte klar, mit baulichen Maßnahmen seien nicht Lager gemeint, sondern Zäune und Mauern - &bdquo;wir sind aber froh, dass wir die Mauern überwunden haben“. Ein junger Teilnehmer aus dem Publikum meldete sich mit einem drastischen Vorwurf zu Wort: Die CDU mache sich des &bdquo;größten Massensterbens der Nachkriegsgeschichte“ schuldig, warf er Mertens vor. Da sprang sogar Stucke seiner Gegnerin zur Seite, &bdquo;ich muss sie in Schutz nehmen“: Er betonte, passender Adressat des Vorwurfs, Verursacher eines Massensterbens zu sein, sei Putin mit seinem Angriffskrieg in der Ukraine. Mertens blieb in der Defensive: Das Sterben am Mittelmeer sei &bdquo;die größte Tragödie unserer Zeit“. Sie erinnerte daran, dass nur ein Teil der Asylanträge positiv beschieden wird. Nur wer Menschen, die keine Aussicht auf Asyl haben, abweise, könne verhindern, &bdquo;dass Schlepper Geschäfte machen“. Eine Schülerin bekannte schließlich, dass sie es für falsch hält, dass Menschen kein Recht auf Asyl erhalten, wenn sie aus wirtschaftlichen Gründen kommen. Flucht aus bitterer Armut ist in ihren Augen schon ein Asylgrund. Mertens darauf: &bdquo;Wir überfordern uns, wenn wir immer mehr und mehr aufnehmen. Wir können sie nicht mehr integrieren.“ Dass es im Grundgesetz tatsächlich heißt &bdquo;Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“ wurde während der Debatte nicht angesprochen.

Meistgelesen