Online-Petition gegen Einschulung mit fünf Jahren verlängert

Brakel/Kreis Höxter. Laut geltender Rechtslage werden in NRW alle Kinder, die bis zum 30. September ihr sechstes Lebensjahr vollenden, zum 1. August des gleichen Jahres schulpflichtig. Heißt, August- und September-Geborene werden mit fünf Jahren eingeschult. Zu früh, finden einige Eltern und haben daher eine Online-Petition gestartet (nw.de berichtete). Eigentlich sollten die Unterschriften bereits abgegeben sein, doch die drei Mütter sagen: "Wir machen weiter". Worum geht es? Bis 1997 kamen alle nach den Sommerferien in die erste Klasse, die bis zum 30. Juni sechs Jahre alt wurden. Das war bundesweit geregelt. Auch die Eltern hatten mehr Mitspracherecht, ob ein Kind vorzeitig eingeschult oder zurückgestellt wurde. Dann beschloss die Kultusministerkonferenz eine zeitliche Ausdehnung der Stichtagsregelung und mehr Flexibilität bei den Ländern hinsichtlich der Schulpflicht. Für Nordrhein-Westfalen bedeutete das, dass als Stichtag bis 2006 weiterhin der 30. Juni galt. In den Folgejahren wurde dieser Stichtag immer wieder verschoben. Mittlerweile liegt er beim 30. September - was für viele Kinder die Einschulung mit fünf Jahren bedeutet. Eine Zurückstellung ist nur noch "aus erheblichen gesundheitlichen Gründen" möglich. Entwicklungsunterschiede treten stärker zu Tage je jünger die Kinder sind, die Unterschiede in Fähigkeiten und Fertigkeiten zwischen einem fünf- und sechsjährigen Kind sind in der Regel größer als die zwischen Sechs- und Siebenjährigen Kindern, informieren die drei Mütter in ihrer Petition. Jüngeren Kindern fehle es oftmals noch an sozial-emotionaler Reife, alters- und damit entwicklungsbedingt. In der Folge können sie bestimmten schulischen Anforderungen nicht gerecht werden. Die Kritik Das wurde bereits in der Vergangenheit von verschiedenen Seiten kritisiert. Bereits 2019 sammelte eine Eltern-Initiative rund 40.000 Unterschriften, die dem Landtag übergeben wurden. Im Herbst 2020 verbuchte eine andere Initiative mehr als 10.000 Unterschriften. Ein Jahr später brachten die Grünen einen entsprechenden Antrag im Landtag ein – bislang blieb alles erfolglos. Daher hat die Brakelerin Bea Lindow gemeinsam mit Nina Meseke aus Steinhagen und Dörte Scheffner aus Ahaus eine Online-Petition gestartet. Die Frauen wollen erreichen, dass der Stichtag für die Einschulung schrittweise auf den 30. Juni des Einschulungsjahres zurückverlegt wird. Gleichzeitig soll der sogenannte aktuelle Einschulungskorridor auf den Geburtszeitraum vom 1. Juli bis 30. September des Einschulungsjahres verschoben werden. Geht es nach den Initiatorinnen, sollen Eltern, deren Kinder in diesen Monaten geboren wurden, individuell entscheiden, ob das Kind in diesem oder im darauffolgenden Jahr eingeschult wird. "Wir haben schon jetzt viel Zuspruch erhalten und stehen in Kontakt mit mehreren Politikern", sagt Bea Lindow, "wir sind zuversichtlich, dass das Thema auf jeden Fall noch einmal im Landtag diskutiert wird." Bisher sind mehr als 7.000 Unterschriften eingegangen. Das Ziel sind 10.000. Daher ist die Frist bis zum 31. Oktober verlängert worden. "Wir hoffen, damit auch die Reichweite der zuletzt gewonnenen Unterstützerinnen und Unterstützer nutzen zu können", schreibt Nina Meseke in der Petitionsbeschreibung. Eventuell soll die Frist noch einmal verlängert werden. Hilfe aus der Wirtschaft? "Die Unterschriften sollen auf jeden Fall eingereicht werden, aber der neue Landtag musste sich auch erst finden und dann kam die Sommerpause. Es muss der richtige Zeitpunkt sein und so lange suchen wir weitere Unterstützer", so die Brakeler Mutter. Unterstützung erhoffen sich die drei Frauen auch aus der Wirtschaft. Die werde als einer der Hauptgründe von den Politikern genannt, warum der Stichtag verlegt wurde. Doch die frühe Einschulung bedeutet, dass einige Schüler mit 15 eine Ausbildung anfangen. "Nicht jede Arbeit ist aufgrund des Jugendarbeitsschutzgesetz dann für alle möglich", sagt Bea Lindow. Interessant wären daher Erfahrungen aus der Praxis: "Uns würde interessieren, wer 15-Jährige einstellen würde." Die Mütter glauben nicht, dass der Wirtschaft mit dem Stichtag Ende September geholfen ist. Auch Kommentare unter der Petition aus der Lehrerschaft und von Erziehern zeigen, wie wichtig es sei, noch einmal über das Thema zu sprechen. "Eine Lehrerin schrieb, dass sie in ihrer Klasse elf Schüler hätte, die fünf oder gerade erst sechs Jahre alt geworden sind, die können nicht mal lange still sitzen, sie ist aber als Lehrerin allein und kann sich nicht um alle gleichzeitig kümmern, die zusätzlichen Bedarf haben", berichtet Lindow. Hinzu käme der zusätzliche Druck auf die Eltern, die sich zu Hause mit den Kindern hinsetzen müssen, um Gelerntes nachzuarbeiten, weil die Jüngeren sonst den Anschluss verlieren. "Es ist für alle eine Belastung." Auch die negativen Erfahrungen. "Auch wenn Kinder in der Grundschule nicht offiziell 'Sitzen bleiben' können, sondern das Schuljahr in Absprache mit den Eltern wiederholt wird, die Erfahrung, plötzlich in in einer anderen Klasse ohne seine Freunde zu sein, muss es trotzdem machen", so die Brakelerin. Zusätzliche Belastung? Sie würde sich wünschen, dass die Eltern mehr mit einbezogen werden und der Weg vereinfacht werden würde. "Ein Kind eher einzuschulen ist auch einfacher, warum geht das nicht auch bei einer Rückstellung so leicht, sondern ist mit einem enormen Aufwand und einer zusätzlichen Belastung für das Kind verbunden?", fragt sie. Sie will weiter dafür kämpfen, dass über die Situation nachgedacht wird. "Es wird Zeit, dass die Politiker zugunsten der Kinder entscheiden", so Bea Lindow. Mehr zur Petition und die Möglichkeit zur Unterzeichnung: openpetition.de/!stichtagsaenderung

Meistgelesen