1225. Ortsjubiläum: Was ein Elefant mit Herstelle zu tun hat

Herstelle. Als Karl der Große die Sachsen bekehrte, dachte er nicht an Pfarrverbünde, die die Seelsorge übernehmen würden. Er ging von einer garantierten globalen Versorgung religiöser Bedürfnisse durch den Strom seiner Missionare aus. Es ließ allerdings auch kein Pardon bei der Christianisierung der unterworfenen Länder gelten. Er, der 23-jährig 771 an die Macht gekommen war und über halb Europa herrschte, fand in der Kirche treue Verbündete, das heißt, er inthronisierte die ihm genehmen Vasallen höchsteigenmächtig und machte sie zu Bischöfen und Äbten. Der Heimat gewidmet Bevor er 799 in Paderborn den in Rom in politische Enge getriebenen Papst Leo III. empfing und ihm wieder zu Amt und Würden verhalf, ruhte er sich im Winter 797/98 an der Weser aus. Der Weserbogen zwischen Herstelle und Beverungen erinnerte ihn spiegel-gleich an seine fränkische Heimat Heristal, dem Herstal im heutigen Belgien. Den Hügel, auf dem Karl seine Residenz aufschlug, nannte er Heristallum Saxonicum – Herstelle im Sachsenland. Fünf Jahre dauerte der Kriegszug gegen die Sachsen nun schon und ein Ende war nicht abzusehen. Das Jahr 782 brachte das Fass zum Überlaufen: Die Franken rächten eine ihnen zugefügte schwere Niederlage durch das &bdquo;Blutbad von Verden“, von dem sich die christliche Geschichtsschreibung später so stillschweigend verabschieden wollte wie Herodes von dem ihm angelasteten Kindermord zu Bethlehem. Sachsenführer Widukind machte sich aus dem Staub, doch 785 ließ er sich in der Pfalz zu Attigny taufen – mit Karl dem Großen als Paten. Legende zu Würgassen Bis 802 zogen sich die Eroberungskriege und Christianisierungsversuche hin. Die Legende will wissen, dass Karl der Große in Heristal auf einer mit einem germanischen Opferstein geschmückten Felsnase gestanden und seine Mannen am jenseitigen Weserufer mit dem Ruf &bdquo;Würgt sie in den Gassen!“ angefeuert habe. Der Beverunger Ortsteilname Würgassen soll an das böse Ereignis erinnern. 796, ein Jahr bevor der Monarch auf den Hersteller Klosterberg kam, hatten die Bischöfe auf der Synode in Bayern betont, dass die Bekehrung der Heiden nicht Menschen-, sondern Gotteswerk sei. Allerdings müsse sich Karl von den Massentaufen verabschieden, solange die unterjochten Völker nicht wüssten, warum sie ihre Köpfe unter die Gießkanne mit dem Taufwasser beugen sollten, denn es fehle eine ernsthafte und sinnvolle Unterweisung der Katechumenen. Wer lieber fernblieb Diesem Rat schloss sich auch Alkuin an, der größte Gelehrte seiner Zeit und Leiter der Aachener Hofschule. Alkuin, Sohn einer Adelsfamilie aus Britannien, war eine schillernde Persönlichkeit und verdienstvoll in vielen Bereichen, doch mit den Zwangstaufen des Königs mochte er sich nicht anfreunden. Auch die Umsiedlungspolitik und die Zehntleistung der Sachsen, die keine Steuern kannten, lehnte er ab. Daher schlug er die Einladung des Herrschers nach Herstelle aus. Karl liebte offene Kritik keineswegs, und so ernannte er Alkuin, der zwar Diakon, aber kein Priester war, kurzerhand zum Abt von Saint-Martin in Tours. Das Pulverfass, auf dem der Frankenkönig an der Weser saß, (auch wenn das Pulver noch nicht erfunden war), ließ den Gedanken, Herstelle zum Bischofssitz zu machen, erst einmal ruhen. Später gab Karl Paderborn den Vorzug, doch sorgte er dafür, dass seine Wahlheimat immer ein kleines hervorstechendes Initial im Geschichtsbuch des Bistums blieb. Weitgereiste Gäste In Herstelle empfing der große Karl zahlreiche Delegationen, darunter auch eine Gesandtschaft Harun-al-Raschids, des fünften Kalifen der Abbasiden, der aus dem heutigen Teheran stammte. Der Zauber aus &bdquo;Tausend und eine Nacht“, der plötzlich durch das Wesertal wehte, wird den nüchtern kalkulierenden fränkischen Monarchen nicht aus der Fassung gebracht haben, auch wenn er als Gastgeschenk einen indischen Elefanten namens Abul Abbas – Vater von Abbas – erhielt. Der Koloss, an das raue Klima des Nordens nicht gewöhnt, tat als Kriegselefant gegen den dänischen König Göttrik seine Dienste, doch starb er an den Folgen einer Lungenentzündung, die er sich beim Überqueren des Rheins zugezogen hatte. Harun al-Raschid soll ein brutaler Gewaltherrscher gewesen sein, dem der geregelte islamische Lebenswandel fremd blieb. Seine Biografie ist durchzogen von Mord und Totschlag, doch bei Karl muss der Zeitgenosse einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen haben. Es kam zu Gold- und Waffenhandel. Zugleich vereinbarten sie, dass Karl bedeutende Muslime in Europa akzeptierte, Harun el-Raschid dagegen Christen in seinem Reich tolerierte. Der Frankenkönig kannte das muselmanische Spanien. Er hatte dem Emir von Saragossa in einer kriegerischen Auseinandersetzung mit dem Emir Ab dar-Rahmann I. von Cordoba beigestanden und dadurch die Aufmerksamkeit des Kalifen der Abassiden erregt. Karl der Große soll auch eine Delegation des Königs Alfons II. von Asturien in seiner Winterresidenz Herstelle empfangen haben. Denn er war sich mit dem nordspanischen Herrscher einig, dass der übermächtige Einfluss der Mauren in Nordspanien zurückgedrängt werden müsse. Alfons war im Kampf gegen sie bei Lugo erfolgreich gewesen und hatte den Wallfahrtsort zu Ehren des heiligen Jakobus – Santiago de Compostela – wieder befreit. Was immer wir Karl dem Großen auch unterstellen, neben dem Hofstaat und seinen Beratern weilten auch seine Söhne bei ihm: Pippin, der sich sonst in Italien aufhielt und Ludwig, der aus Spanien gekommen war und als &bdquo;der Fromme“ später noch eine bedeutsame Rolle in Verbindung mit Corvey spielen sollte.

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