Mögliche Erdfälle - wie sicher ist der Untergrund des Atommüll-Lagers?

Würgassen. Könnte es Hohlräume unter dem geplanten Atommüll-Bereitstellungslager in Würgassen geben, die beim Einsturz das Gebäude ins Wanken bringen könnten? Könnte sich die Erde unter dem bundesweit wichtigsten Umschlagplatz für schwach- und mittelradioaktive Abfälle auftun? Dr. Claus Schubert aus Trendelburg hält diese Gefahr für real. Er ist Sachverständiger für die Begutachtung von Baugrund, kennt sich mit also auf dem Gebiet gut aus. Schubert bezieht sich auf mehrere Bohrungen von 1967 bis 1970, die seinerzeit vor dem Bau des Kernkraftwerkes durchgeführt wurden. Er hat sich bei der Bundesgesellschaft für Rohstoffe die offiziellen Profile angeschaut. Anstatt ordentlich geschichtetem Buntsandstein mit ein bisschen Ton oder Schluff dazwischen fand er bei einer Bohrung wenige Kilometer nordöstlich von Würgassen dies vor: &bdquo;Eine Füllung, die auf einen Erdfall hindeutet, wo also Material in den Trichter hineingerutscht ist." In der Gegend kann es zu Subrosionen kommen Das sei der Beweis, dass es in der Gegend öfter mal zu sogenannten Subrosionen kommen kann. Also quasi zu unterirdischen Erosionen durch Ausspülung von Salzen oder Gips, bei denen sich an der Erdoberfläche plötzlich ein Loch auftut. Dass man solche Erdfälle direkt in Wesernähe bisher nicht gefunden hat, wundert Schubert nicht. &bdquo;In der Flussaue werden solche Senken durch ständige Hochwasser immer wieder mit Flusssedimenten gefüllt und geglättet." Noch alarmierender ist der Befund einer Bohrung unmittelbar unter dem einstigen Atomkraftwerk: &bdquo;Dort gab es über mehrere Meter Mächtigkeit einen Kernverlust", sagt der Fachmann. Mit anderen Worten: Bei der Bohrung traf man zwischendrin auf mehrere Meter Luft. &bdquo;Wir haben hier bekanntermaßen Gipsgestein, das ausgewaschen werden kann, dadurch könnten solche Hohlräume entstehen", erklärt Schubert. "Heute würde man das anders interpretieren" Damals habe man aus den Ergebnissen keine Rückschlüsse gezogen. &bdquo;Man hat das damals nicht als Hohlraum bewertet und gedacht, das ist nicht so schlimm. Heute würde man das anders interpretieren", meint der Sachverständige. Und heute gibt es über teure Bohrungen hinaus viel bessere, modernere Methoden, um solche Schwachstellen im Baugrund aufzuspüren – Geoelektrik und Geoseismik zum Beispiel. &bdquo;Bei einer Bohrung ist es immer Glücksache, ob man den Hohlraum trifft", erläutert Schubert mit einer Black Box, die er gerne Studenten präsentiert: &bdquo;Der Tischtennisball ist der Hohlraum, den kann man aber leicht verfehlen, wenn man mit den Schaschlik-Spieß in den Karton sticht." Um eventuelle Hohlräume zu orten, müssten mehrere geotechnische Verfahren kombiniert werden, fordert der Experte. Und genau das hätten die Gutachter der Bundesgesellschaft für Zwischenlagerung als Bauherrin für das sogenannte Atommüll-Logistikzentrum in Würgassen versäumt. Stattdessen hätten sie sich einfach auf die Tiefenbohrungen aus der Zeit vor dem Kraftwerksbau verlassen. Insgesamt hätten die Gutachter &bdquo;nur an der Oberfläche gekratzt", fasst Schubert seine Kritik zusammen. "Die haben auf jeden Fall nicht tief genug gebohrt" &bdquo;Die haben auf jeden Fall nicht tief genug gebohrt, weil sie von einem handelsüblichen Logistikzentrum ausgehen – als ob man darin Gummibärchen und keinen radioaktiven Sondermüll lagern wollte." Tatsächlich handele es sich beim Bereitstellungslager aber um ein Bauwerk der geotechnischen Kategorie drei. Wenn die Gutachter der BGZ von mehrere hundert Meter dicken Bundsteinschichten unter dem Kraftwerksgelände sprächen, so basiere das nur auf Annahmen und sei nicht bewiesen. Das Büro habe anfangs nicht einmal auf die Erdfall-Risikokarten der Bundesländer geschaut. Es gebe noch mehr Möglichkeiten, um Erdfallrisiken abzuklären. Zum Beispiel sogenannte Schummerungsbilder, bei denen das Gelände wie in einem Schattenrelief hervorgehoben wird und so Vertiefungen sichtbar werden. Schubert verweist auf einen Fall bei Brilon, dort wollte ein Landwirt auf seinem Feld eine Windkraftanlage aufstellen. Schubert untersuchte den Baugrund, fand Hinweise auf Erdfälle und riet dem Bauern von dem Vorhaben ab. &bdquo;Der wollte nicht hören, bis er kurze Zeit später auf seinem Acker tatsächlich ein Loch hatte." Doch was bedeuten die Bohrungsbefunde aus der Zeit vor dem Kraftwerksbau? Jedenfalls, dass der Baugrund möglicherweise nicht sicher ist, meint Claus Schubert. Man könne auch nicht ausschließen, ob Erdfälle ursächlich für die Haarrisse im Stahlmantel des Reaktorkerns gewesen sein könnten, die damals zur Abschaltung des Reaktors führten, &bdquo;Da gab es vermutlich Setzungen. Die können viele Ursachen haben: Zu schwache Fundamente, Torflinsen im Untergrund, Grundwasserschwankungen und eben auch Erdfälle", erklärte Claus Schubert. Für ihn ist allein die Tatsache, dass man wenige Kilometer entfernt im Kurort Bad Karlshafen hochprozentige Sole aus der Erde fördert, ein Hinweis auf Subrosionsrisiken: &bdquo;Wenn die das Salzwasser aus über 1000 Meter Tiefe aus der Erde pumpen, dann muss das ja irgendwo anders fehlen."

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