Faktencheck zum Atommüll-Logistikzentrum Würgassen

Würgassen. Die Bundesgesellschaft für Zwischenlagerung hat zum geplanten Atommüll-Logistikzentrum in Würgassen einen Faktencheck veröffentlicht. Im Folgenden sind die gegensätzlichen Positionen zu einigen wichtigen Kritikpunkten nachzulesen. Für die Lagergegner antwortet Dirk Wilhelm aus Drenke. Wohnbebauung zu nah? BGZ: Die Entsorgungskommission hat dafür keinen Mindestabstand vorgesehen. Wir haben dieses Kriterium zusätzlich aufgenommen, um dicht besiedelte Wohngebiete auszuschließen. Einzelne Häuser sind gesondert zu betrachten. Wir stellen sicher, dass am Außenzaun die Strahlung keine Belastung für Anwohner mehr darstellt. Dirk Wilhelm: Die Entsorgungskommission hat bereits 2013 bei Lagern für schwach- und mittelradioaktiven Müll einen Abstand von 350 Metern empfohlen. Das ergibt sich aus einer Untersuchung zur Strahlenexposition bei Betriebsstörungen. Tieffluzone BGZ: Das LoK (Logistikzentrum Konrad) liegt nach Angaben des Bundesverteidigungsministeriums außerhalb der Tiefflugzone. Es ist deswegen nicht notwendig, die Anlage gegen Flugzeugabstürze speziell zu sichern. Wilhelm: Der Standort Würgassen liegt nur wenige hundert Meter außerhalb der Tieflugzone. Bei Geschwindigkeiten der Kampfjets von 400 bis 700 Metern pro Sekunde ist das nur ein Wimpernschlag entfernt. Die Flugzeugabstürze in Drenke und Neuhaus im Solling zeigen die Gefahr deutlich auf. Straßenanbindung BGZ: Das Lkw-Aufkommen auf den Bundesstraßen der Region liegt nach Angaben des NRW-Verkehrsministeriums bei etwa 500 pro Tag. Für das LoK kommen höchstens 20 Lkw pro Tag hinzu. Das sind maximal vier Prozent mehr. Wilhelm: Die nächsten Autobahnen sind zwischen 38 und 60 Kilometer entfernt. Die Atommüll-Transporte würden durch enge Ortsdurchfahrten rollen, teilweise mit Bahnübergängen und – unterführungen, zum Beispiel in Ottbergen. Bahnanbindung BGZ: Die Strecke Ottbergen-Göttingen ist als güterverkehrstauglich gelistet, es gibt mit der Weserbrücke Meinbrexen nur eine Langsamfahrstelle. Für das LoK fallen weniger als zehn Zugfahrten pro Tag an. Dafür reicht die vorhandene eingleisige Bahnstrecke aus. Die von den Gegnern angeführte Sanierungssumme von 500 Millionen Euro müsste erbracht werden, um die Strecke für hochfrequenten Güterverkehr zu ertüchtigen. Davon kann aber keine Rede sein. Wilhelm: Die genannte Summe ist nötig, um die Strecke für den regelmäßigen Güterverkehr zu ertüchtigen. Die Strecke würde durch die Atommüll-Transporte wesentlich stärker belastet als aktuell durch Personenzüge und den sporadischen Güterverkehr. Nicht umsonst fordert die Entsorgungskommission eine Schwerlasttauglichkeit und eine Zweigleisigkeit der Bahnstrecke. Standortauswahl BGZ: Wir haben im Auftrag des Bundesumweltministeriums einen geeigneten Standort gesucht. Es ging nie um den bestmöglichen Standort. Unmittelbar nach Standortfestlegung wurden Politik und Bevölkerung informiert – viel früher als bei vergleichbaren Projekten in der Industrie üblich. Hier erfolgt die Information in der Regel erst im Genehmigungsverfahren. Würgassen verfügt als einziger Standort über einen direkten Gleisanschluss, der reaktiviert werden könnte. Wilhelm: Der Standort Würgassen verstößt gleich mehrfach gegen die Vorgaben der Entsorgungskommission und ist wegen der schlechten überregionalen Verkehrsanbindung ungeeignet. Sprach die BGZ anfangs noch vom bestgeeignetsten Standort, relativiert sie das inzwischen. Es darf aber keine Kompromisse geben. Das Kriterium der zeitnahen Verfügbarkeit darf keinesfalls die Standortnachteile überwiegen. Das LoK ist so groß. Soll es ein Endlager werden? BGZ: Das LoK ist so groß geplant, dass es genügend Raum für das Lagern und Rangieren der Behälter bietet. Dass die Behälter auch in den bestehenden Zwischenlagern vorsortiert werden könnten, geht nicht. Für das Umstapeln ist dort kein Platz. Das LoK in Würgassen wird 60.000 Kubikmeter fassen. Es sorgt für eine schnelle Anlieferung in Salzgitter und führt zur Zeitersparnis. Selbst bei einer unterstellten Vollbelegung passt weniger als ein Fünftel des in Deutschland liegenden schwach- und mittelradioaktiven Atommülls hinein. Das LoK ist überflüssig, sobald das Endlager Konrad gefüllt ist. Wilhelm: Die Zeitersparnis ist bisher nie belastbar belegt worden. Die BGE als Betreiberin des Endlagers spricht von &bdquo;wenigen Jahren", das zentrale Bereitstellungslager (ZBL) sei zudem nicht notwendig für den Betrieb von Konrad. Die geplante Hallengröße in Würgassen entspricht der Menge von sechs Einlagerungsjahren im Einschichtbetrieb. Würgassen soll so groß werden, um den in Deutschland vorhandenen Atommüll zentral ablegen und Zwischenlager räumen zu können. In Deutschland liegt etwa doppelt so viel Atommüll, wie Konrad aufnehmen kann. Wir fürchten deswegen eher ein ewiges Zwischenlager in Würgassen. Ist die horrende Investition erst getätigt, wird auch die andere Hälfte das ZBL durchlaufen. Macht moderne Logistik das LoK überflüssig? BGZ: Selbstverständlich wird die BGZ für den Bestand und den Abruf der Gebinde sowie für die logistische Planung EDV-Tools einsetzen. Wesentlicher Bestandteil des Prozesses ist aber der Umgang mit den Abfall-Gebinden selbst. Wilhelm: Die Logistik hat sich enorm weiterentwickelt. Deswegen erscheint eine dezentrale Belieferung von Konrad möglich, wie sie 2002 vorgesehen war. Für die chargengerechte Anordnung der Atommüllgebinde in den Zwischenlagern hätte man sieben Jahre Zeit. In einigen Zwischenlagern wird der gesamte Inhalt ohnehin ständig umgepackt, geöffnet und wieder eingelagert, um die Container auf Beschädigungen zu kontrollieren. Verursacht das Lok mehr Atommüll-Transporte? BGZ: Fakt ist, dass sich die Anzahl der Transporte nicht erhöht. Beim Transport direkt aus den Zwischenlagern nach Konrad wäre nur eine geringe Bündelung auf einer Zugfahrt möglich. Beim Transport zum LoK können die Gebinde mit maximalen Zuglängen nach Würgassen gefahren werden. Auch der Pendelverkehr nach Salzgitter soll mit vollen Zügen (sechs bis sieben Waggons) erfolgen. Wilhelm: Mangels Logistikgutachten gibt es für die Verringerung der Transporte keinen Beweis. Die Gebinde legen aber durch den Umweg über Würgassen eine längere Wegstrecke zurück, dadurch steigt die Unfallgefahr. Ein Gebinde aus Brunsbüttel legt zum Beispiel 200 Kilometer mehr zurück, als wenn es direkt nach Salzgitter gebracht würde. Naherholungsgebiet am Axelsee BGZ: Die seinerzeit angekündigte &bdquo;Grüne Wiese" beschreibt nicht den Rückbau zur unberührten Natur, sondern nur das Verschwinden des Atomkraftwerks. Das Gelände ist immer noch als Industriegebiet ausgewiesen. Das Naherholungsgebiet existierte bereits während des Kraftwerksbetriebs. Es fährt auch nicht wie behauptet, alle 23 Minuten ein Zug zum LoK, sondern höchstens alle eineinhalb Stunden. Wilhelm: Für die Menschen in der Region war dieses Versprechen der &bdquo;Grünen Wiese" gesetzt. Niemand ist mehr von einer weiteren dem Atomrecht unterliegenden Nutzung des Standorts ausgegangen, eher von einer konventionell gewerblichen Nutzung. Das Logistikzentrum verursacht viel mehr belastenden Verkehr als das Kernkraftwerk. Entwertet das LoK Immobilien und schadet es dem Tourismus? BGZ: An allen Zwischenlager-Standorten steigen die Immobilienpreise genauso wie im übrigen Bundesgebiet. Das hat eine Studie erbracht. Für eine Beeinträchtigung des Tourismus gibt es keine Belege. Am Zwischenlager Ahaus haben sich die Besucher- und Übernachtungszahlen sogar positiv entwickelt. Wilhelm: Die meisten Lager sind ruhende Lasten, kaum bekannt, für Außenstehende wie Touristen nicht existent. Würgassen wäre dagegen eine zentrale Drehscheibe für Atommüll aus ganz Deutschland, durch die Transporte viel stärker wahrnehmbar. Dem Weserbergland droht ein Imageverlust. Das Vorhaben steht konträr zum touristischen Ausbau der Region mit Weltkulturerbe Corvey, Hafenbecken Bad Karlshafen, Skywalk und Weserradweg.

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