Wie sieht der weitere Genehmigungsweg aus? Welche Behörde/Behörden sind involviert, welche gibt das endgültige Okay auf welcher gesetzlichen Grundlage?
Ewold Seeba: Wir stehen derzeit noch am Beginn aller konkreten Planungen für den Standort Würgassen. Die BGZ hat in den vergangenen Monaten zunächst 28 Standorte auf ihre Eignung für ein Logistikzentrum für schwach- und mittelradioaktive Abfälle geprüft. Von diesen erwiesen sich neun als grundsätzlich geeignet.
Entscheidend für uns waren dabei die Empfehlungen der Entsorgungskommission (ESK) und eigene Kriterien. Würgassen erfüllt diese am besten. Für die Genehmigungen nach Strahlenschutzrecht und nach Baurecht sind die Bezirksregierung Detmold und die örtliche Baubehörde zuständig. Natürlich wird es im Rahmen des Genehmigungsverfahrens auch eine Umweltverträglichkeitsprüfung sowie eine Beteiligung der Öffentlichkeit geben.
Was fällt unter die Bezeichnung schwach- und mittelradioaktive Abfälle? Man spricht von Handschuhen und Schutzanzügen – was noch?
Seeba: Schwach- und mittelradioaktive Abfälle fallen vor allem beim Betrieb und dem Rückbau von Atomkraftwerken sowie in Industrie, Forschung und Medizin an. Im Gegensatz zu hochradioaktiven Abfällen entwickeln sie nur wenig oder gar keine Wärme. Im Detail handelt es sich beispielsweise um Betriebsabfälle wie Verbrauchsmaterialien, zu denen auch die genannten Handschuhe und Schutzanzüge gehören, insbesondere aber um Bauschutt sowie ferner um Maschinen- und Anlagenteile oder auch Filter.
Ich will betonen, dass wir im Logistikzentrum nicht offen mit Atommüll hantieren. Ins Logistikzentrum kommen ausschließlich radioaktive Abfälle, die bereits fachgerecht in sichere Behälter verpackt sind. Und zwar so, dass diese Behälter direkt im Endlager Konrad unter Tage gebracht werden können.
"Deadline ist 2027"
Gibt es von Ihrer Seite her einen Zeitplan, wann was entschieden und fertig sein muss?
Seeba: Unsere Deadline ist, wenn Sie so wollen, die Inbetriebnahme des Endlagers Konrad im Jahr 2027. Bis dahin muss auch das Logistikzentrum arbeitsfähig sein. Denn wir wollen ja den zügigen Einlagerungsbetrieb im Endlager Konrad ermöglichen. Die detaillierte Bauplanung für Würgassen wird jetzt erarbeitet. Am Anfang steht zum Beispiel ein Bodengutachten.
Wie gehen Sie mit Verzögerungen um, beispielsweise durch Klagen und Bürgerproteste?
Seeba: Gestatten Sie mir eine persönliche Bemerkung: Ich habe Ende der 1970er-Jahre selber gegen die Atomkraft-Nutzung protestiert. Der Atomausstieg als gesamtgesellschaftlicher Konsens ist für mich daher auch persönlich ganz wichtig.
Das ist für mich gelebte Demokratie, das ist Rechtsstaat. Und zu diesem gehören andere Meinungen ebenso wie Klagen. Ich habe bereits am vergangenen Freitag erklärt, dass wir uns selbstverständlich mit Kritik auseinandersetzen werden und das Gespräch mit allen suchen.
"Fertigstellung ist weit fortgeschritten"
Was passiert mit Würgassen, wenn Konrad nicht wie geplant in Betrieb genommen werden kann?
Seeba: Ich sehe keinen Grund, warum das Endlager Konrad nicht im Jahr 2027 in Betrieb gehen wird. Seit 2002 liegt die Genehmigung für Errichtung und Betrieb des Endlagers vor. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat im Jahr 2006 alle Klagen dagegen abgewiesen und keine Revisionen zugelassen. Dieses Urteil ist im Jahr 2007 vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt worden. Dass die Fertigstellung weit fortgeschritten ist und gut vorankommt, kann man sich auf der Internetseite unserer Schwesterngesellschaft BGE gut anschauen.
Gibt es eine zeitliche Begrenzung/Vereinbarung, was die Genehmigungen für den Betrieb von Konrad betrifft?
Seeba: Der Betrieb des Logistikzentrums ist an die Einlagerungszeit im Endlager Konrad geknüpft. Das Logistikzentrum wird solange und nur solange benötigt, bis die Einlagerung in Konrad abgeschlossen ist. Wir rechnen mit einem Zeitraum von etwa 30 Jahren. Danach kann das Logistikzentrum anderweitig genutzt oder auch vollständig abgerissen werden.
"Wir müssen mit den radioaktiven Hinterlassenschaften sicher umgehen"
Wieso gibt es das Zwischenlager nicht direkt am Endlager? Platzprobleme können das nicht sein, wenn man das Gelände betrachtet.
Seeba: Der Planfeststellungsbeschluss für das Endlager Konrad in Salzgitter sieht kein Logistikzentrum vor und es ist auf dem Gelände tatsächlich auch kein Platz dafür. Es macht aus meiner Sicht aber auch keinen Sinn mehr, darüber zu diskutieren, warum das so ist. Wir müssen nach vorne schauen. Der Atomausstieg ist gesellschaftlicher Konsens. Die BGZ versteht sich als Teil jenes Räderwerks, welches den Atomausstieg realisieren soll.
Klar ist, wir müssen mit all den angefallenen radioaktiven Hinterlassenschaften sicher umgehen und diese so schnell wie es geht sicher in ein unterirdisches Endlager bringen. Das sind Aufgaben auch unserer Generation. Ein Baustein des Atomausstiegs ist das geplante Logistikzentrum. Dessen Bau ist auch im Entsorgungsübergangsgesetz aus dem Jahr 2017 verankert und wurde im aktuellen Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD nochmals bekräftigt.
Auf welchem Weg gelangt der Atommüll aus den anderen AKWs nach Würgassen?
Seeba: Das Gros der Transporte nach Würgassen wird über die Schiene erfolgen, Lkw-Transporte ins Logistikzentrum lassen sich leider nach derzeitigem Planungsstand nicht ganz vermeiden. Der Abtransport ins Endlager soll aber ausschließlich über die Schiene erfolgen. Wir gehen derzeit von weniger als zehn Zugfahrten und weniger als 20 Lkw-Transporten insgesamt pro Tag aus – die entsprechenden Leerfahrten sind darin eingerechnet.
"Bahnstrecke reicht für reibungslosen Transport aus"
Die Bahnlinie nach Würgassen ist nur eingleisig – statt wie empfohlen zweigleisig und wird von Personenzügen befahren. Wie lässt sich die Anlieferung nach Konrad über die Schiene unter diesen Bedingungen realisieren? Gab es schon Gespräche mit der Bahn?
Seeba: Die von Ihnen angesprochene Empfehlung der ESK zielt auf eine ausreichende Verfügbarkeit der Bahnstrecke, damit der Transport zum Endlager Konrad möglichst komplett über die Schiene erfolgen kann.
Nach unseren Planungen aus öffentlich zugänglichen Informationen reicht die Kapazität der Bahnstrecke für einen reibungslosen Transport aus: Dort verkehren stündlich gerade zwei Personenzüge. Aber lassen Sie es mich noch einmal sagen: Wir stehen ganz am Anfang unserer Planungen und haben zuallererst die Öffentlichkeit über das Vorhaben informiert. Gespräche mit Dienstleistern wie etwa der Bahn müssen daher noch geführt werden.
Es leuchtet nicht ein, wieso insgesamt weniger Züge mit Atommüll unterwegs sein sollen, wenn ein Logistikzentrum dazwischen geschaltet ist. Wie erklären Sie dies?
Seeba: Insgesamt erhöht ein zwischengeschaltetes Logistikzentrum tatsächlich – so paradox es klingen mag – nicht die Anzahl der Transporte. Das liegt in diesem Fall vor allem daran, dass sowohl für den Transport zum Logistikzentrum, als auch für den Abtransport zum Endlager Konrad längere Züge mit sechs bis sieben Waggons eingesetzt werden können. Bei einem direkten Transport von den 35 dezentralen Zwischenlagern mit schwach- und mittelradioaktiven Abfällen sind aufgrund der dort vorhandenen Lagersysteme in der Regel nur Zuglängen von ein bis drei Waggons möglich.
"Nach Möglichkeit nur Schienentransporte"
Welchen Anteil hat dann der Transport über Straßen? Welche Straßen sind dafür vorgesehen?
Seeba: Ich hatte ja schon darauf hingewiesen, dass wir nach Möglichkeit nur Schienentransporte nutzen wollen. Lkw-Transporte lassen sich aber nicht ganz vermeiden, weil etwa nicht alle dezentrale Zwischenlager über einen Gleisanschluss verfügen. Wir prüfen derzeit, ob eine Umladung auf die Schiene am nächsten Verladebahnhof sinnvoll und möglich ist.
Mir ist natürlich in den vergangenen Tagen nicht verborgen geblieben, dass es viel Kritik am Zustand der Verkehrsinfrastruktur hier vor Ort gibt. Auch unser Gesellschafter, das Bundesumweltministerium, wird sich daher innerhalb der Bundesregierung dafür einsetzen, den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur vor Ort zum Beispiel durch den Bau einer seit langem geplanten Ortsumfahrung zu beschleunigen.
Welche Sicherheit gibt es auf dem Transportweg – egal ob auf Schiene oder auf Straße (Ausbildung Feuerwehr/Aufstockung Polizei wegen Protesten/Aktivisten)? Nicht viele Wege führen nach Würgassen – diese kann man schnell blockieren.
Seeba: Der Transport von radioaktiven Stoffen ist Alltag in Deutschland, rund eine halbe Million Transporte unterschiedlicher Größe finden pro Jahr statt. Diese Transporte und deren Sicherheit sind gesetzlich mit klaren Sicherheitsauflagen geregelt und werden selbstverständlich auch von uns streng kontrolliert und überwacht. Die Transportstudie für das Endlager Konrad aus dem Jahr 2009 hat diese Frage bereits aufgegriffen und bestätigt, dass die Transportmengen zum Endlager kein zusätzliches radiologisches Risiko für die Bevölkerung, das Transportpersonal und die Umwelt darstellen.
"Selbstverständlich eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchführen"
Wie soll der Hochwasserschutz im Überschwemmungsgebiet der Weser gewährleistet werden?
Seeba: Dass ein Hochwasserschutz des Gebietes möglich ist, wurde bereits beim Bau und in der Betriebszeit des Atomkraftwerks nachgewiesen. Wir werden selbstverständlich ebenfalls hierzu aktuelle Prüfungen vornehmen und alle notwendigen Maßnahmen treffen, die eine Überflutung des Logistikzentrums selbst bei einem extremen Hochwasser ausschließen. Dies werden wir auch im Genehmigungsverfahren nachweisen.
Wie gehen Sie mit dem FFH-Gebiet südlich der B 83 hinsichtlich des Genehmigungsverfahrens um? Rechnen Sie dort mit Problemen?
Seeba: Das Gelände, auf dem wir das Logistikzentrum planen, befindet sich auf der Fläche des ehemaligen Atomkraftwerks Würgassen sowie auf angrenzenden Flächen, die in der Regionalplanung als Gewerbe- und Industriegebiet ausgewiesen sind. Wir rechnen daher nicht mit Problemen. Aber selbstverständlich werden wir eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchführen.
Wie könnte die Kommune finanziell profitieren, Stichwort Ansiedlungsvertrag?
Seeba: Es steht außer Frage, dass Würgassen mit dem Bau des Logistikzentrums auch eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung übernimmt und Lasten im Zusammenhang mit dem Atomausstieg für die Allgemeinheit schultert. Die Forderung nach einem Lastenausgleich ist daher für mich absolut nachvollziehbar, dies kann in einem Ansiedlungsvertrag geregelt werden.
"Wir erwirtschaften keine Gewinne"
Welche Gewerbesteuereinnahmen können generiert werden, wenn die Entsorgung doch Sache des Bundes und nicht der Kraftwerksbetreiber ist?
Seeba: Die BGZ ist kein klassischer Gewerbebetrieb, in dem etwas produziert und verkauft wird. Wir sind ein Unternehmen des Bundes und haben die Aufgabe, nukleare Abfälle so lange sicher zu lagern, bis sie in ein Endlager kommen können. Wir erwirtschaften insofern auch keine Gewinne. Gewerbesteuereinnahmen sind daher von uns leider nicht zu erwarten. Auch aus diesem Grund ist die Forderung nach einem Ansiedlungsvertrag völlig folgerichtig und berechtigt.
Werden die genannten 100 Arbeitsplätze tatsächlich vor Ort in Würgassen entstehen oder auch anderswo? Welche Ausbildung müssen die Mitarbeiter mitbringen?
Seeba: Die Arbeitsplätze werden definitiv beim Betrieb des Logistikzentrums in Würgassen benötigt. Unabhängig davon sucht die BGZ bereits jetzt Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an ihren Zwischenlagerstandorten und bildet auch das benötigte Fachpersonal aus. Gesucht wird ein breites Spektrum von Qualifikationen – von Mechatronikern über Strahlenschützern bis hin zu Logistikfachleuten, IT-Spezialisten und Ingenieuren sowie Mitarbeitern für Überwachung und Unterhaltung der Anlage.
"Nur schwach- und mittelradioaktive Abfälle"
Können Sie definitiv ausschließen, in Würgassen jemals hochradioaktiven Müll zu transportieren und zwischenzulagern?
Seeba: Ja, das kann ich definitiv ausschließen. Wir werden auch nur eine Umgangsgenehmigung für schwach- und mittelradioaktive Abfälle nach dem Strahlenschutzgesetz beantragen. Damit ist eine Zwischenlagerung von hochradioaktiven Abfällen rechtlich ausgeschlossen.
Es besteht dafür auch kein Bedarf, da das Atomkraftwerk Würgassen seit 1996 kernbrennstofffrei ist. Es werden weder neue noch gebrauchte Brennelemente dort gelagert. Alle bestrahlten Brennelemente, die bereits an deutschen Atomkraftwerken angefallen sind oder noch bis Ende 2022 anfallen, verbleiben in den Zwischenlagern am jeweiligen Standort oder in den zentralen Zwischenlagern in Gorleben und Ahaus, bis in Deutschland ein Endlager für hochradioaktive Abfälle gefunden ist und in Betrieb geht.