Porträt

Klangzauber zwischen Gitarre und Moog

Seit 1971 begeistert die Manfred Mann’s Earth Band alte und neue Fans weltweit. Aber was ist das Geheimnis dieses lang anhaltenden Erfolges? Ein Bandporträt – empfohlen zur Vorbereitung auf das Konzert am 25. September in Bielefeld.

Unermüdlich auf Tour: Manfred Mann (rechts) mit seiner aktuellen Earth Band (von links) Mick Rogers, Robert Hart, Steve Kinch und John Lingwood. | © PR

13.09.2025 | 13.09.2025, 07:15

Bielefeld. Wenn Mick Rogers heute über die Manfred Mann’s Earth Band spricht, klingt auch nach 50 Jahren immer noch Begeisterung mit. Seit der Gründung 1971 ist der Gitarrist – mit kurzer Unterbrechung – Teil der Formation und nennt die Musik der Band „eine Mischung aus Rock, Jazz und Blues mit einem suchendem Geist – wir haben Songs immer in neue Sphären geschoben“.

Alte Songs mit anderem Sound

Und tatsächlich bedienen sich Manfred Mann und seine Earth Band von Beginn an immer wieder gern am kreativen Output anderer Künstler. Sie deshalb als einfache Cover-Band zu bezeichnen, die Stücke „nur nach spielen“ wird ihrem musikalischen Lebenswerk nicht gerecht. „Wir haben die Songs nie einfach gecovert, sondern in eine ganz eigene Soundwelt überführt“, beschreibt Rogers den künstlerischen Ansatz der Band. Und in der Tat gelingt es der Earth Band mit ihrem musikalischen Master Mind Manfred Mann seit fünf Dekaden qualitativ gut arrangiertes Songmaterial anderer Künstler in Top-Ten-Hits zu transformieren. Dieser Anspruch, aus Bekanntem etwas Eigenes zu formen, ist bis heute das Markenzeichen der Band.

Blinded by the Light

Der internationale Durchbruch kommt Mitte der 1970er-Jahre mit Bruce Springsteens „Blinded by the Light“. Für Rogers ist das der Moment, in dem ihm klar wird, dass die Band ihren ganz eigenen Sound gefunden hat. Durch das Re-Arrangement der Stücke katapultieren Manfred und seine Erd-Mannen seither ein Stück nach dem anderen als verlässliche Top-Ten-Hits in die Charts. Ob „Captain Bobby Stout“ im Original von „The Jerry Hahn Brotherhood”, “Stronger than me” von “Melissa Etheridge” oder “Davy’s on the road again” von “John Simm”. Durch die speziellen Arrangements – Rogers’ virtuoses Gitarrenspiel, Manns legendäre Syntheziser-Moog-Soli und die oft epische Länge – werden die Stücke neu entwickelt und lancieren schnell zum unverwechselbaren Markenzeichen der Band. Kritiker bemängeln indes, dass Eigenkompositionen der Band eher zu den schwächeren Stücken auf ihren Alben gehören.

Alte und neue Fans

So verlässlich wie die fünf Musiker über die Jahre Hits generieren, so sehr wandelt sich das Publikum, dass zu den vielen Liveauftritten noch immer die Säle füllt. „Jüngere Hörer entdecken die Band heute oft über Streamingdienste,“ führt Rogers aus, „während die älteren Fans vor allem die großen Klassiker hören wollen“. Auf der Bühne lösen Manfred Mann und seine Earth Band diesen Spagat, indem sie Welthits wie „Mighty Quinn“ oder „For You“ ins Programm nehmen, daneben aber auch Platz für ausgedehnte Soli und spontane Improvisationen lassen. „Wir spielen die Klassiker, aber jede Nacht erkunden wir neue Wege“, erklärt Rogers.

Besondere Klangarchitektur

Im Zentrum dieser musikalischen Expeditionen steht die besondere Klangarchitektur: die Verbindung von Rogers’ erdiger Gitarre und Manfred Manns legendärem Mini-Moog. Als analoger Synthesizer, Anfang der 1970er Jahre vom US-Hersteller Moog Music entwickelt, gilt der Moog als einer der wichtigsten und einflussreichsten Synthesizer seiner Zeit, der die musikalischen Kompositionen vieler Bands in den 1970er und 1980er Jahren beeinflusst (Kraftwerk, Gary Numan, Harold Faltermeyer).

Emotional und vibrierend

Schon früh entwickelt Mann einen unverwechselbaren Stil auf dem Instrument, das er wie einen Lead-Gesang einsetzt. Nicht umsonst verleiht man ihm in Musikerkreisen den Namen „The Wizard of Moog“. Seine Improvisationen, inspiriert von der Jazz-Musik, die zu seinen Wurzeln gehört, verleihen den Songs eine warme sphärische Färbung, die weit über eine bloße Synthesizer-Begleitung hinaus geht. „Manfreds Soli geben oft die emotionale Richtung eines Songs vor“, beschreibt Rogers den vibrierenden Klang, der körperlich spürbar wird, „ich habe dann mit der Gitarre geantwortet, fast wie eine dritte Stimme. Live ist das ein Duett zwischen Moog und Gitarre“.

Visuelle Vielseitigkeit

Auch visuell setzt die Band immer wieder Akzente. Das Album Watch (1978) ziert eine ikonische Figur im gelben Anzug, die mit ausgebreiteten Armen auf einer Startbahn dem Horizont entgegenläuft. Gestaltet wird das weltbekannte Cover nicht von einer Agentur, sondern von dem Kunststudenten und Fan Michael Sanz, der sich nach einem Konzert in Schweden ein selbst gemaltes Bild von Mann signieren lassen will. Dieser zeigt sich so beeindruckt von der Kreativität des jungen Studenten, dass er ihn beauftragt das Cover für „Watch“ zu gestalten. Seither sind unzählige Fans beim Hören des Albums träumerisch in das Motiv versunken, das für sie bis heute den Aufbruchswillen und die Weite verkörpert, die auch in der Musik der Manfred Mann’s Earth Band spürbar ist.

Etwas viel Größeres

Besonders visionär ist die Aktion zum Album „The Good Earth“ (1974): Jeder Käufer, der sich bis zum 31. Dezember 1974 bei der Plattenfirma der Band registrieren lässt, erhält einen Quadratfuß Land in Wales, inklusive Urkunde und der Versicherung, dass dieses Fleckchen Erde niemals bebaut werden darf. Die Idee ist mehr als ein PR-Gag. Sie versteht sich als ökologisches Statement einer Zeit, in der Umweltfragen gerade erst beginnen, eine Rolle zu spielen. Mick Rogers dazu: „Wir kümmern uns um die Erde, nicht nur um Musik. Dieses Album und die Aktion ist mehr als ein Gimmick – es ist etwas viel Größeres.“

Mighty Quinn

Wie bei jeder anständigen Rockband gehören Mythen zur Bandgeschichte der Manfred Mann’s Earth Band. Eine davon betrifft Bob Dylans Song „Quinn the Eskimo“, den Manfred Mann als „Mighty Quinn“ zum Hit macht. Angeblich ist der Song nach einer Hotelparty der Grateful Dead entstanden, bei der sich Schauspieler Anthony Quinn über den Lärm beschwert hat. So schön die Anekdote klingt: Verlässliche Quellen bestätigen sie nicht. Dylan selbst erklärt, es handle sich um einen „Kinderreim“, geschrieben in den „Basement Tapes“-Sessions von 1967. Fakt ist jedoch, dass Dylan seinen Song 1970 erstmals veröffentlicht, während Manfred Mann (damals noch ohne Earth Band unterwegs) bereits am 14. Februar 1968 mit „Mighty Quinn“ Platz 1 der UK Single Charts erreicht.

Neugier und Tiefe

Heute, mehr als 50 Jahre nach der Gründung, spielt die Manfred Mann’s Earth Band noch immer mit jener Mischung aus musikalischer Neugier und klanglicher Tiefe, die sie berühmt gemacht hat. „Neue Zuhörer spüren die Energie, alte Fans hören die Seele“, sagt Rogers. Ein Satz, der vielleicht am besten beschreibt, warum die Band bis heute Generationen von Hörern fesselt – irgendwo zwischen Rock, Experiment und einer Prise Erdverbundenheit.

Manfred Mann’s Earth Band live in Bielefeld

Donnerstag, 25. September, 20 Uhr, Lokschuppen, Bielefeld;

Karten (55 Euro): NW und hier