Montagabend in Bad Driburg: Wer „spaziert“ da eigentlich?

Bad Driburg/Kreis Höxter. Mehrere nicht angemeldete Versammlungen unter der Überschrift der &bdquo;Montagspaziergänge“, bei denen Menschen in Form des stillen Protests ihren Unmut gegen die geltenden oder geplanten Corona-Schutzmaßnahmen kundtun und Kerzen entzünden, könnten strafrechtliche Konsequenzen haben: &bdquo;Es läuft darauf hinaus, dass Strafverfahren eingeleitet werden können“, sagt Polizeisprecher Jörg Niggemann am Dienstag. Die weiteren Schritte werde der Staatsschutz in Bielefeld übernehmen. Die Polizei hat das Recht, nicht angemeldete Versammlungen aufzulösen und rechtliche Schritte gegen die Teilnehmenden zu prüfen. Am Montagabend trafen sich in Höxter zunächst 80 Teilnehmer am Historischen Rathaus, eine Zahl, die im Verlauf des &bdquo;Spaziergangs“ auf rund 120 anwuchs, so die Polizei. In Beverungen waren es den Angaben zufolge 35, in Brakel 20 und in Warburg rund 50 Personen. All diese Veranstaltungen verliefen friedlich, waren aber nicht angemeldet, so die Polizei. Anders die Situation in Bad Driburg. Der &bdquo;Spaziergang“ durch die Kurstadt war angemeldet – genauso wie die Gegenveranstaltung. Denn "das", den Protest der Spaziergänger, &bdquo;kann man nicht so stehen lassen, sorry“, sagt Wilk Spieker, Organisator des &bdquo;demokratischen Gegenpols“ im Gespräch mit nw.de. &bdquo;Das“ ist nicht eine andere Meinung, wie Spieker betont. &bdquo;Es geht nicht darum, dass wir nicht über den Sinn und Unsinn von Corona-Maßnahmen diskutieren – das sollen wir sogar“, stellt er klar. Aber wenn jemand auf den Wagen steige und vor Bill Gates warne, dann reiche es ihm. Also, sagt er, mache er sich jetzt eben auch jeden Montag um 19 Uhr auf den Weg in die Stadt. Alleine ist er damit nicht. Die Polizei hat rund 30 Gegendemonstranten gezählt, Spieker sagt, seine Zählung habe 58 Demonstranten ergeben. "Gruselig" Zweifellos weniger als die &bdquo;Spaziergänger“. Auch hier gehen die Zahlen von Polizei (150) und Spieker (&bdquo;mehr als 200, locker gegen 300“) auseinander. Die Flaneure waren auf jeden Fall in der Überzahl. Und das, prognostiziert Spieker, werde auch so bleiben. &bdquo;Wir werden nie sichtbar mehr sein“, sagt er. Die Mehrheit stehe grundsätzlich hinter den Coronamaßnahmen, befürworte sogar striktere, gehe aber nicht auf die Straße. Mit seinen 57 Mitstreitern für die erste Gegenveranstaltung im Kreis Höxter ist Spieker gleichwohl zufrieden. Immerhin habe er bloß 48 Stunden Vorlauf gehabt – &bdquo;dafür ist das ganz schön“. Fridays for Future hätten mitgemacht, die Grüne Ratsfraktion, der Verein Pro Barrierefrei und viele &bdquo;normale Bürgerinnen und Bürger“, zählt Spieker auf. Für den kommenden Montag hofft er, weitere Akteure für den Protest gewinnen zu können. Was ist Ziel der Gegendemonstration? &bdquo;Es hat noch nie funktioniert, die Jalousien runterzulassen und sie einfach marschieren zu lassen“, sagt Spieker. Sie marschieren, die Spaziergänger, aber beobachtet und begleitet. &bdquo;Die sind ganz ruhig, wie ein Trauermarsch“, beschreibt Spieker: &bdquo;Gruselig.“ Die Masse bewege sich nicht, wie beispielsweise eine Menschenmenge, die ein Konzert besuche. In unterschiedlichen Geschwindigkeiten und in einzelnen Grüppchen. &bdquo;Eine homogene Gruppe als Block, die in einem Tempo marschiert.“ "Das sind nicht nur Leute aus Bad Driburg" Die Spaziergänger mögen abgeschottet wirken, Spieker hat nach eigener Aussage trotzdem Einblick und weiß, um was für Menschen es sich handelt, die da schweigend flanieren. &bdquo;Das sind nicht nur Leute aus Bad Driburg“, sagt Spieker, selbst Bad Driburger, mit Überzeugung. Er geht davon aus, dass über Netzwerke auch Menschen aus dem Umland bis hin nach Marsberg und Kassel in die Kurstadt kommen. &bdquo;Zu 80 Prozent sind das ganz normale Menschen, die Angst haben oder sich alleine fühlen, die in keine Geschäfte mehr kommen, weil sie nicht geimpft sind, die ausgeschlossen sind, teils den Job verloren haben. Geschäftsleute, die mit 3 G am Arbeitsplatz überfordert sind. Leute, die die Coronamaßnahmen einfach satt haben“, beschreibt Spieker. Unter den Spaziergängern fänden sie Gemeinschaft. Nicht nur im Analogen, vor allem auch im Digitalen. Vielleicht 15 Prozent seien Querdenker, der Rest Rechte. &bdquo;Die AfD in Bad Driburg ist immer mitmarschiert“, weiß Spieker. Untereinander abgesprochen werde sich in Telegram-Gruppen. Der Ton dort sei gemäßigt, Begriffe wie &bdquo;Corona-Diktatur“ oder &bdquo;Giftspritze“ würden vermieden, sagt Spieker. Stattdessen sei von &bdquo;Freiheit“ und &bdquo;Genspritze“ die Rede. &bdquo;Die machen das subtil und klug.“ Ebenfalls im Chat vorbereitet würden die Spaziergänge und die Taktiken, um der Polizei bestmöglich zu entgehen. &bdquo;Wie umgeht man die, wie geht man ihr aus dem Weg“, berichtet Spieker: &bdquo;Da ist ein Plan dahinter.“ In Bad Driburg setzten die Spaziergänger beispielsweise auf Erfahrungen &bdquo;aus dem Osten“. "Fake-Accounts versuchen, Einfluss auf die Gruppe zu bekommen" Gleichzeitig habe er Versuche seitens der Spaziergänger wahrgenommen, etwa die Facebook-Gruppen im Kreis Höxter, in denen sich die Menschen austauschen, zu infiltrieren. &bdquo;Fake-Accounts versuchen, Einfluss auf die Gruppe zu bekommen“, berichtet Spieker und spricht vom &bdquo;Kampf in den Sozialen Medien“. Auf den Straßen, bei den Spaziergängen läuft es bislang betont friedlich ab. Wo Spaziergänge nicht angemeldet sind, können sie unterbunden werden. In Paderborn beispielsweise, wo sich der Polizei zufolge am Abend rund 300 Menschen unangemeldet versammelten, wurde die Veranstaltung nach fünf Minuten von den Beamten mit Lautsprecherdurchsagen beendet. Die Kreispolizeibehörde Paderborn stellte klar, dass es sich bei diesen &bdquo;Spaziergängen“ rechtlich um Versammlungen handele und man konsequent dagegen vorgehen werde. Auch im Kreis Höxter verweist die Polizei auf das Recht der freien Meinungsäußerung und auch darauf, dass das Versammlungsrecht &bdquo;ein hohes Gut“ sei, so Polizeisprecher Niggemann. Polizei muss Straftaten verfolgen Das gilt jedoch: Das Grundgesetz gewährt in Artikel 8 das Recht, sich zu versammeln und seine Meinung kundzutun. Dieses Recht beinhaltet auch Pflichten, die im Versammlungsgesetz geregelt sind. So sind Versammlungen unter freiem Himmel grundsätzlich spätestens 48 Stunden vorher bei der Kreispolizeibehörde verpflichtend anzumelden. Wer jedoch eine Versammlung organisiert und durchführt, ohne diese bei der Polizei anzumelden, könnte eine Straftat begehen; Teilnehmende handeln dann ordnungswidrig. &bdquo;Der Veranstalter oder Leiter, der eine Versammlung unter freiem Himmel ohne Anmeldung durchführt, begeht eine Straftat“, hatte die Kreispolizei Höxter bereits vor Wochenfrist erklärt. &bdquo;Die Polizei unterliegt einem Strafverfolgungszwang und ist somit in der Verpflichtung, solche Straftaten zu verfolgen.“

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