Wie ein Dringenberger Jubelkönig vor 50 Jahren mit der Tradition brach

Dringenberg. Der Volltreffer ließ vor 50 Jahren nicht lange auf sich warten. Nach genau 28 Minuten holte Johannes Legge den Vogel beim Königsschießen in Dringenberg von der Stange. Damit gerechnet, hatte der heute 76-Jährige nicht. "Ich war überrascht, dass er schon runter kam", sagt Legge. Zusammen mit seiner Frau Theresia übernahm er vor 50 Jahren die Regentschaft über die Dringenberger Schützen. Die hoben ihn direkt auf ihre Schultern. Geplant war das alles nicht, erinnert sich Theresia Legge. "Ich musste das erst mal verdauen." Dafür blieb aber kaum Zeit. Denn kurz nachdem der Vogel von der Stange getrudelt war, stand ihr Mann schon mit dem ganzen Vorstand zu Hause auf der Matte. Selber war Johannes Legge 27 Jahre lang im Vorstand und "viele Jahre Feldwebel", erinnert sich Theresia Legge. Dass ihr selbst dann beim Schützenfest 1970 eine wichtige Rolle zukam, war alles andere als selbstverständlich. "Mein Mann war der erste, der seine Frau zur Königin genommen hat", berichtet sie. Darauf hatte Johannes Legge bestanden. "Meinen Schützenbrüdern habe ich gesagt: Wenn ich meine Frau nicht nehmen darf, werde ich auch nicht König." Darauf haben sie sich eingelassen. "Heute wird mehr Trara gemacht" Verstärkung für seine Amtszeit holte sich das Ehepaar Legge bei Schulkollegen. Insgesamt sechs Paare bildeten den Hofstaat. Dann an Pfingsten wurde ein rauschendes Fest gefeiert. Über das Jahr gesehen, seien die Verpflichtungen für Regenten und Gefolge damals aber nicht so groß gewesen. "Heute wird mehr Trara gemacht", findet Jubelkönig Johannes Legge. In der Schützenfestsaison sei "bald jeden Sonntag" eine Abordnung unterwegs; vor allem seit Dringenberg zur Stadt Bad Driburg gehört. Wie man auf der Seite des 1.700-Einwohner-Ortes liest, ist das seit 1975 der Fall. Damals verlor Dringenberg zum Ende der kommunalen Neugliederung seine Selbstständigkeit. Das Amt Dringenberg-Gehrden, an das sich Johannes Legge noch erinnert, gibt es seitdem nicht mehr. Das Schützenfest 1970 hat im Gedächtnis des Ehepaares Legge in jedem Fall einen Ehrenplatz. "Es war einfach schön", schwärmt Theresia Legge und meint auch "das ganze Drumherum" des Schützenfestes. Das habe sie als volleingespannte Königin anders erlebt. "Man bekommt das ganze Fest mit. Sonst ist man ja zwischendurch mal zu Hause." Das Wetter sei warm gewesen - und für ihr Kleid habe sie viele Komplimente erhalten. "Ohne Schützenfest ist tote Hose überall" Dass das Schützenfest in diesem Jahr wegen Corona ausfallen musste, bedauern die Jubelregenten. "Wir sind traurig. Dringenberg ist ein Ort, in dem die Vereine einen großen Stellenwert haben." Gerade das Schützenwesen stehe für Gemeinschaftsgefühl. "Sonst war an Pfingsten die Hölle los. Doch ohne Schützenfest ist tote Hose überall", sagt Johannes Legge. Entsprechend groß ist die Hoffnung, dass Corona den Schützen im Kreis Höxter nicht auch noch im kommenden Jahr ein Beinchen stellt. Dafür steht das Königspaar schon fest. Denn wie die St.-Sebastian-Schützenbruderschaft auf ihrer Seite erklärt, haben sich Ralf und Petra Wecker, die diesjährigen Regenten, dazu bereit erklärt, ihre Amtszeit um ein Jahr zu verlängern. Vom Pandemie-Spuk abgesehen, machen sich die Dringenberger aber auch sonst keine Sorgen um die Zukunft ihres Festes. "In Dringenberg haben wir genug Bewerber", sagt Johannes Legge mit Blick auf künftige Nachfolger. "Hier haben wir keine Not, einen Schützenkönig zu finden." Sie selbst hätten nach dem Schützenfest 1970 nicht noch mal mit dem Gedanken gespielt, sich erneut krönen zu lassen. Doch für alle, die mit der Königswürde liebäugeln, hat Theresia Legge einen Rat: "Man sollte es jung machen, dann hat man mehr Kondition."

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